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Disse:
Ich nickte auf seine Frage hin. Ja, das war Nils. „Wie gesagt, wir waren mal beste Freunde", erklärte ich. Er legte das Bild wieder zurück. Erst jetzt musste ich an die Kiste denken mit den Briefen. Das wäre die Gelegenheit herauszufinden, wo sie sich befinden und was in ihnen steht. Ich öffnete die Tür und ging ohne Umwege in das Schlafzimmer meiner Mutter. „Was hast du vor?", fragte er. Ich hatte ihn bereits von den Briefen erzählt. „Ich such nach den Briefen", erklärte ich. „Denkst du wirklich das ist eine gute Idee. Wieso fragst du nicht einfach, was in ihnen steht?", schlug Lukas vor. „Meine Mutter würde eh nicht drauf antworten", sagte ich wütend und öffnete die Schranktür. „Entweder du hilfst mir oder dann eben nicht", sagte ich genervt. Ich wühlte im Inneren herum. Nichts! Hatte sie sie wieder auf den Bachboden? Ich kann unmöglich das ganze Haus absuchen. Ich verließ ihr Schlafzimmer und öffnete die Tür zum Büro meines Vaters. Ich wühlte in alten Unterlagen rum. Plötzlich meldete sich Lukas: „Was macht deine Mutter mit einer Adoptionsmappe?", fragte er. Ich spitzte sofort meine Ohren. „Was?", ich ging zu ihm und stellte mich hinter ihn. „Das ist eine Adoptionsmappe. Meine Eltern haben auch so eine bekommen, als sie meine Cousine adoptiert haben, nachdem ihre Eltern bei einem Unfall gestorben sind", berichtete Lukas. Ich wusste wenig über Lukas Familie. Er redet nicht gerne drüber. Ab und zu hat er schon seine Cousine erwähnt, aber ich wusste nicht, dass ihre Eltern gestorben waren und jetzt bei Lukas Eltern wohnte. Dann hörten wir eine Autotür zu knallen. Mist meine Mutter! Ich zerrte Lukas am Arm aus dem Büro und konnte gerade noch die Tür hinter uns schließen, bevor sie die Tür öffnete. „Chris", stellte sie überrascht fest, „was machst du hier?" Ich ging auf sie zu uns umarmte sie. „Ich hab hier was zu erledigen, ich kann es dir nachher erzählen, es kann aber etwas dauern", erklärte ich. „Lukas?", fragte sie und reichte Lukas die Hand. Er nahm sie entgegen und bestätigte, dass sie richtig gelegen hat. „Wir können doch die drei Tage hierbleiben?", fragte ich. Meine Mutter nickte. „Ich muss eh arbeiten", winkte sie ab. Seit dem Tod von meinem Vater, war das Krankenhaus so ziemlich ihre zweite Heimat. Manchmal fragte ich mich nicht, ob es ihr vielleicht nicht schaden würde einen neuen Freund zu finden. Doch das ist wahrscheinlich leichter gesagt als getan. Ich meine mit 50, geht das wahrscheinlich nicht so einfach, vor allem, wenn man ständig arbeitet. „Ich muss dann noch einkaufen gehen", überlegte meine Mutter und ging in die Küche und setzte sich erstmal erschöpft an den Esstisch. Sie sah fertig aus. „Lass uns das machen. Du musst nur sagen was du brauchst. Du solltest dich mal ausruhen", bot ich an. „Ihr müsst das nicht machen", widersprach sie. „Doch wir machen das gerne. Außerdem kann ich so Lukas ein bisschen die Stadt zeigen", widersprach ich. Also gab sie nach und schrieb auf einen Zettel ihre Einkäufe. Dankend reichte sie ihn mir. Ich nahm die Autoschlüssel von der Kommode. „Bis gleich", sagte ich noch zu meiner Mutter, bevor ich die Haustür hinter uns schloss. Lukas stieg auf den Beifahrersitz. Ich startet den Wagen. „Ist was?", fragte ich. „Nein. Ich bin nur gerade in Gedanken", meinte Lukas. Ich fuhr zum nächst gelegenen Supermarkt. „Deine Mutter arbeitet viel oder?", fragte er, dann auf einmal. „Ja. Sie hat schon immer viel gearbeitet, aber seitdem mein Vater gestorben ist, ist die Arbeit das einzige was sie noch hat. Ich hab ihr schon vorgeschlagen, sich irgendein Haustier anzulegen, doch sie wollte es nicht", erzählte ich. „Ich könnte mir nicht vorstellen wie es ist, wenn man seine Eltern verliert", meinte Lukas. „Konnte ich mir auch nicht, bis dann als es dann so gekommen ist", beruhigte ich ihn. Ich lenkte den Wagen geschickt in die Parklücke. Wir stiegen aus holten uns einen Wagen und betraten den Supermarkt. Ich mochte es einkaufen zu gehen. Ich spürte wie Lukas Hand sich in meiner verschränkt. „Hier kennt uns niemand", meinte er. Ich schmunzelte. Wir arbeiteten den Einkaufszettel durch. Die Schlange an der Kasse war lange und Lukas wippte ungeduldig auf und ab. Ich umarmte ihn von hinten und zog ihn an mich. Mir war es egal, dass uns jetzt jeder sehen konnte. Die meisten waren eh mit ihren Einkäufen beschäftigt, die anderen schauten einfach weg. „Wieso öffnen die nicht eine zweite Kasse?", fragte Lukas. Ich zuckte mit den Schultern. Für das Suchen der Einkäufe haben wir vielleicht zwanzig Minuten gebraucht. Wir standen dann allein vierzig Minuten an der Kasse. Wir waren froh, als wir wieder auf dem Rückweg waren. „Ich glaube, dass war der längste Einkauf meines Lebens", beschwerte sich Lukas. Ich konnte ihm nur zu stimmen. Zuhause angekommen, war meine Mutter nicht Zuhause. Auf dem Esstisch lag ein Zettel. „Bin nochmal weg. Notfall in der Klinik. Kann später werden. Tut mir leid, fühlt euch wie Zuhause. Verärgert warf ich den Zettel in die Mülltonne. „Sie macht sich selbst noch kaputt", sagte ich wütend. Wir räumten die Einkäufe ein. Mein Handy klingelte. Dule. Ich wollte ihn schon wegdrücken, doch Lukas nahm mir das Handy aus der Hand und hob ab. „Dule?", fragte er. Dann wurde er kreidebleich. Jetzt würde ich auch neugierig. Was ist passiert? Lukas sagte ein paar Mal ja bevor er dann auflegte. Ich schaute ihn fragend an.
Lukas:
„Dule?", frage ich nichts ahnend. „Lukas?", fragte er total durch den Wind. „Ja, was gibt es? Alles gut bei dir?", fragte ich. „Mit mir ja", stotterte er. „Dule was ist passiert?", fragte ich. „Ole und Niko haben sich heute im Training geprügelt", berichtete Dule. „Bitte was?", sagte ich total entsetzt. Ich stellte auf Lautsprecher, da Disse mich fragend ansah. „Ole hat über euch in der Kabine abgelästert und dann ist Niko total ausgerastet und dann haben sie sich geprügelt", berichtete Dule. „Geht es ihnen gut?", fragte Disse. „Den Umständen entsprechen. Niko hat ein blaues Auge und eine blutende Nase und Ole eine gebrochene Nase", erklärte Dule. „Was ist genau passiert?", fragte Disse weiter. „Also Miha und Niko haben sich halt über euch unterhalten, wie süß sie euch beiden zusammen finden und dann hat Ole so ein angewidertes Geräusch gemacht. Dann ist Niko wütend auf ihn los und hat ihn gegen die Wand gedrückt und gefragt, was sein Problem sei", begann Dule zu erzählen. „Und dann haben sie sich geprügelt", beendete er seine Erzählung. Ich ließ mich auf den Stuhl fallen. „Was jetzt?", fragte Disse. „Keine Ahnung. Jetzt ist die ganze Mannschaft irgendwie geteilt. Richtige Scheiße", meinte Dule. „Und das heißt jetzt, wir sollen uns trennen oder was?", fragte Disse. Er klang wütend. Allein das Wort trennen versetzte mir einen Stich ins Herz. Es lief so gut zwischen uns. Im Training waren wir einfach wie normaler Kumpels, wie früher. Abends geh ich halt zu Disse mit, das ist der einzige Unterschied. „Nein natürlich nicht. Ich denk, wenn ihr wieder zurück seit, müssen wir uns alles zusammen setzen und in Ruhe das klären", schlug er vor. „Ja, klingt logisch", stimmte Disse zu. „Gut, wann kommt ihr denn wieder?", fragte er. „Am Mittwoch um zehn geht unser Zug", antwortete ich. „Dann seit ihr abends zum Training wieder da? Ok, dann würd ich vorschlagen wir machen das Treffen dann Mittwoch Abend nach dem Training?", fragte Dule. Da wir nichts einzuwenden hatten, stimmten wir zu. „Dann wünsch ich euch viel Erfolg morgen", wünschte er uns noch zum Abschied und legte dann auf. „Was wenn wir Schuld sind, wenn die Mannschaft sich bekriegt?", fragte ich. Ich machte mir gerade enorme Vorwürfe. Disse kam auf mich zu und nahm mich in den Arm. „Wir finden eine Lösung, versprochen", flüsterte er, bevor er einen zarten Kuss auf meine Lippen hauchte. „Ich hab Hunger", wechselte er schlagartig das Thema und löste sich von mir. Wir hatten gerade den Tisch gedeckt und wollten angaben zu Essen, als Disses Mutter zurückkommt. „Hallo", begrüßte sie uns. Sie zog ihre Schuhe aus und setzte sich dann zu uns an den Tisch. Nach einer Weile wo wir nur still vor uns hin gegessen haben, brach Sylvia das Schweigen. „Wieso seit ihr jetzt eigentlich hier?", fragte sie Disse. Disse legte sein Brot in den Teller. „Mama ich muss dir was beichten. Ich weiß ich hätte es schon viel früher sagen müssen, aber ich wusste nicht wie", begann er. „Jetzt machst du mir aber Angst", meinte seine Mutter. „Du erinnerst dich doch noch an Nils?", fragte er. „Ja dein alter Schulfreund wieso?", fragte seine Mutter. „Er war nicht nur mein Schulfreund, sondern mein wirklicher Freund", begann Disse und langsam liegen ihm Tränen übers Gesicht. Seine Mutter blieb während Disse erzählte ganz ruhig. Ich hatte meinen Arm tröstend um Disse gelegt, der mittlerweile Rotz und Wasser heulte. Ich könnte fast mit heulen. „Wieso hast du mir das nicht viel früher gesagt?", fragte seine Mutter. „Ich hatte Angst", schluchzte er. „Komm mal her", sagte seine Mutter und nahm ihn in den Arm. Ich schaute die beiden genauer an. Mein Verdacht hatte sich bestätigt. Auf den ersten Blick könnte man meinen, die beiden sähen sich ähnlich, doch wenn man genau hinsieht, erkennt man den Unterschied. Sie hatte eine ganz andere Gesichtsform als Disse. Auch ihre Augen hatten einen ganz anderen Blaustich als die von Disse. Ich kannte Disses Augen zu gut um zu erkennen, das seine Augen anders waren. Ich musste an die Adoptionsmappe denken. Heißt das, dass Disse adoptiert ist? Oder täusche ich mich? Eins war mir klar, seine Mutter hatte irgendein tiefes Geheimnis und die Antwort befindet sich hier in diesem Haus. Eins war mir sicher, ich werde es herausfinden, für Disse.
Hoffe das Kapitel hat euch gefallen❤️.

Spiel um Spiel, Lüge um Lüge und wann sieht er es ein?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt