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Er aß mit Hassan zu Abend und berichtete, noch immer tief erfüllt von den Erlebnissen des Tages. Der Bader lauschte, nickte und lächelte und sogar Rida, die nun darauf hoffen durfte, den unliebsamen Gast in absehbarer Zeit endlich los zu sein, war heute die Liebenswürdigkeit in Person.

Den Ritter trug noch immer ein so wunderbares Gefühl von Aufbruch und Hoffnung, dass er, übermüdet wie er war, alsbald selig schlafen ging. Und erst als ihm gerade die Augen zufielen, dachte er an Nubia und fragte sich noch kurz, wieso er sie den ganzen Abend über nicht gesehen hatte.

Der nächste Tag verflog. Hardrich ging im Geiste immer wieder seinen Plan für morgen durch und ließ sich von Hassan noch einmal den Weg zum Palast beschreiben. Bis zum Markt würde Tarek ihn wieder mit dem Karren fahren, hatten sie abgemacht und der Ritter war ganz froh darüber, denn der Weg war weit und das Vorankommen mühsam. Und er wollte seine Kräfte nicht bereits auf dem Weg dorthin verschleißen.

Nachmittags erschien der Arzt und als er hörte, was sein Gegenüber am folgenden Tag plante, fragte er mit einem Lächeln:

„So wird dies also unsere letzte Partie sein?"

„Selbst wenn ich dort einen Verantwortlichen sprechen kann, ist das längst nicht sicher. Aber möglich."

„Soll ich Euch dann heute einmal gewinnen lassen?"

Der Ritter schnaubte belustigt und schüttelte den Kopf.

„Untersteht Euch."

So verlor er auch dieses Spiel.

Im Anschluss daran räusperte Hardrich sich umständlich und sagte:

„Ihr habt so viel für mich getan. Rat und Beistand. Und diese hier..."

Damit wies er auf die hölzernen Gehhilfen, die ihm so wertvolle Dienste leisteten und dann rang er mit sich, um die folgenden Worte auszusprechen.

„Ohne sie kann ich... ich... Ich würde sie Euch abkaufen, aber ich habe nicht annähernd die Mittel. Und ich kann auch nicht aus vollster Überzeugung schwören, dass ich es abgelte, sobald ich wieder in Amt und Würden bin. Denn wenn mich diese Tage etwas gelehrt haben, dann dass ich nicht weiß, was mich noch erwartet. Und dennoch bitte ich Euch, überlasst sie mir. Denn ohne die Krücken werde ich es niemals schaffen."

Der Arzt sah, wie er mit sich kämpfte, diese Bitte auszusprechen und er legte die Rechte auf sein Herz und neigte den Kopf.

„Nehmt sie. Gebt sie weiter an jemanden, der sie braucht, wenn Ihr sie nicht mehr benötigt. Und geht mit Gott."

„Ich danke Euch."

Die Männer sahen sich in die Augen und verabschiedeten sich mit Handschlag. Und einem Lächeln.

Es wurde Abend und noch immer ließ Nubia sich nicht blicken. Von Aven war durchaus der Überzeugung, sich seine Genesung selber erkämpft zu haben. Doch ihm war ebenso klar, dass er ohne ihre Anregungen und Hilfe nicht so rasch so weit gekommen wäre. Auch wenn er es ungern zugab.

Im Grunde wusste er gar nicht, was er der eigensinnigen Sklavin eigentlich sagen wollte. Schließlich verstand keiner von ihnen die Sprache des anderen. Und doch schien es ihm falsch, morgen früh dieses Haus zu verlassen, ohne sie wenigstens noch einmal gesehen zu haben. Also beschloss er kurzerhand, sie aufzusuchen.

Um diese Zeit waren die Bäder geschlossen, die Heizer gegangen und er war sich sicher, außer ihr niemanden mehr im Frauenbad anzutreffen. Trotzdem klopfte er kurz bevor er die niedrige Tür öffnete und hinein hinkte.

Im Ankleidezimmer waren die Dachfenster geöffnete, damit Licht und Luft hereinzog und die Frau stand an einem Tisch und faltete Wäsche.

Stumm blickte sie auf, als er hereinkam und widmete sich dann mit gleichgültiger Miene wieder der Arbeit vor sich. Sie grüßte nicht einmal.

Die Tochter des BrauersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt