Hardrichs entsetztes Gesicht ließ den Aufseher in hämisches Gelächter ausbrechen.
„Ja, sie hat Dich verpfiffen. War ganz schön angefressen, die Gute. Vielleicht hätte Ihro Fürstliche Gnaden ein wenig höflicher sein sollen."
Er lachte wieder, kratzte sich am Kinn und sagte lauernd:
„Hat keinen Zweck zu leugnen. Deine Halsstarrigkeit ist mir gleich aufgefallen. Dass Du kein Knecht bist, war mir gleich klar."
Mit knirschenden Zähnen bedachte von Aven ihn mit einem verächtlichen Blick und kam langsam auf die Füße. Arcursio wich unwillkürlich einen halben Schritt zurück, doch der Ritter wandte sich ohne ein weiteres Wort ab und machte sich mit seinen Krücken auf den Weg hinab zum Ruderdeck.
Nubia hatte ihn verraten. Sehr zu Hardrichs Leidwesen. Doch so viel er ihr auch verdankte, er hätte nicht anders handeln können, sagte er sich immer wieder. Sie konnte ihn nicht begleiten. Das war ausgeschlossen. Es war eine Sache, einen fremdländisch anmutenden Mann wie Hassan in seine Dienste zu nehmen. Deutlich erinnerte von Aven sich an die Streitereien, die es seinerzeit in der Stadt schon wegen des Baders gegeben hatte. Doch je mehr die Kirchenobern ihn bedrängt hatten, den Heiden fortzujagen, umso sturer hatte der Markgraf genau das Gegenteil getan. Und es hatte zwei sehenswerte Wutausbrüche und jede Menge zerschlagenes Mobiliar gegeben, bis die Stadt- und Kirchenvertreter schließlich nachgaben.
Aber eine tiefschwarze Frau? Womöglich hochschwanger und noch dazu mit einem beträchtlichen Selbstbewusstsein ausgestattet? Nicht einmal er würde das durchsetzen können. Ganz zu schweigen davon, was Gertraud dazu sagen würde.
Natürlich sprach sich im Nu an Bord herum, dass der große Mann mit den Krücken nicht der war, für den er sich ausgab und die nächsten Tage musste der Ritter nicht nur den Spott des Aufsehers über sich ergehen lassen. Ubald war beleidigt, weil er nicht ins Vertrauen gezogen worden war und die anderen Ruderer, beäugten ihn nun mit Argwohn. Und Hardrich war selber erstaunt, wie sehr er das bedauerte. Umso dankbarer war er für die Kameradschaft seines neuen Banknachbarn.
Durch die Verletzten und den Toten in ihren Reihen hatte man die Ruderpaare nach dem Überfall neu zusammengestellt und Ubald ganz vom Dienst am Ruder befreit. Zwei weitere Bänke waren danach leer geblieben und der Diakon schenkte für den Rest der Fahrt zusammen mit Paco Wasser aus. Hardrich aber arbeitete seither neben Torbjörn. Der stammte auch einem Dorf in Südschweden und beide waren bald ein gut eingespieltes Gespann. Torbjörn war zudem wenig überrascht gewesen, als er erfuhr, dass sein Nebenmann kein einfacher Soldat war.
„Ich hab's doch gewusst. Irgendwie ... Du hast was an Dir. Als Krieger spürt man's. Du bist der, der führt. Nicht der, der folgt."
Während der Ritter weiter Stunde um Stunde den schweren Riemen durchs Wasser zog, grübelte er, was Nubia im Einzelnen über ihn gewusst und erzählt haben mochte. Und ob sich irgendwer an Bord wirklich darüber im Klaren war, wen sie hier vor sich hatten. Doch wenn Nubia gehofft hatte, dass man ihn aufgrund dieses Schwindels von Bord werfen würde, täuschte sie sich. Denn das geschah nicht.
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Eine Woche später kam ihr Ziel in Sicht. Es war bereits Abend und fast dunkel als sein Nebenmann ihn auf ein fernes Licht an Land aufmerksam machte, das man durch die Ruderöffnungen sehen konnte.
„Da. Dahinten. Siehst Du? Das ist das Leuchtfeuer im Campanile. Morgen früh geht's an Land!", sagte er gut gelaunt.
Über Nacht blieb der Hafen für ankommende Schiffe gesperrt und so ankerten sie noch eine letzte Nacht in der Lagune vor der Stadt, bevor die Galeere bei Sonnenaufgang endlich einlaufen sollte. Keiner sehnte die erlösende Ankunft mehr herbei als die Männer des Ruderdecks und so wurde es nach dem Festmachen der Riemen laut und fröhlich. Einige hatten den gleichen Weg für die unmittelbare Weiterreise und man machte über die Bänke hinweg lautstark Pläne. Die meisten aber hatten nur einen Wunsch.

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Die Tochter des Brauers
Romance"Ihr glaubt wirklich, Eure Küche hätte Zugang zum Baum der Erkenntnis?" "Gut pariert, Frau!", lachte er. Sie bewarf ihn mit dem Apfel, er fing ihn auf, zögerte noch einen Moment und biss hinein. Ein mittelalterlicher Roman. Um? Nun ja. Die Tochte...