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Wichard hatte die Arbeit am Tunnel auf unbestimmte Zeit unterbrochen. Es sollte wieder Regen geben und ihn quälte seit Tagen eine hartnäckige Erkältung. Wilhelm schickte zudem niemanden mehr zur Unterstützung. Die Männer hatten schlicht genug von der Plackerei untertage.

„Es bringt doch nichts", hatte Bert missmutig gesagt, als er das letzte Mal bei ihm gewesen war, „Wir reiten jetzt lieber in kleinen Gruppen über Land und rekrutieren Männer für unsere Sache."

Von Dühring hatte nur genickt. Wenn er ehrlich war, hatte auch er keine große Hoffnung mehr, diesen verdammten Gang zu finden. Irgendwas stimmte nicht. Wahrscheinlich hatten sie sich mit der Richtung vertan. Ansonsten hätte sie bei der Länge des Tunnels längst auf irgendetwas stoßen müssen.

Er nieste heftig und stöhnte. Kopf und Glieder schmerzten. Melli war schon schlafen gegangen und auch mit Rupert hatte er die anliegende Haushaltsfragen besprochen. Obwohl dem Gutsherrn fast die Augen zufielen vor Müdigkeit, zögerte er, zu seiner Frau ins Bett zu kriechen, denn er würde sie und Ännlin mit seinem Niesen und Husten die ganze Nacht stören. Also blieb er hier am Feuer sitzen, in eine Decke gehüllt und grübelte niedergeschlagen vor sich hin.

Die Tür ging auf und Gertraud kam herein. Überrascht sah er ihr entgegen. Auch sie hatte ein Schultertuch gegen die Kühle umgehängt und setzte sich in den freien Sessel zu ihm ans Feuer. Eine ganze Weile schwiegen sie.

„Ich habe eine Bitte", begann Gertraud schließlich.

„Was gibt es denn?"

„Ich habe eine Frage an Dich. Und ich möchte, dass Du sie ehrlich beantwortest."

Wichard seufzte tief. Er ahnte, worauf dies hinauslief.

„Du willst wissen, was ich denke. Darüber, was mit dem Markgrafen geschehen ist."

Gertraud schnaubte belustigt.

„Du kannst meine Gedanken lesen?"

„Wie ein offenes Buch."

Beide sahen sich mit einem Lächeln in die Augen.

„Sag es mir. Bitte."

„Ach, Gertraud..."

„Wenn Du nichts sagst und so ausweichst, kann das nur bedeuten, dass Du sicher bist, dass er tot ist. Willst Du, dass ich das denke?"

„Aber ich kann letztendlich doch auch nur raten, was passiert ist."

„Aber Du kennst ihn länger als ich. Und Du hast ihn in Schlachten begleitet. Bitte, Wichard. Sag mir, was Du denkst."

Noch einmal stieß von Dühring einen tiefen Seufzer aus.

„Also gut. Ich will versuchen, es in Worte zu fassen. Du weißt selber, Dein Mann war kein Heerführer, der hinter Leibwachen versteckt, das Geschehen auf dem Schlachtfeld als Zuschauer verfolgt. Er hat immer den ersten Ansturm mit angeführt. Das weißt Du, oder?"

Sie nickte.

„Die Schlacht ist verloren. Das zumindest ist sicher. Und so wie ich den Markgrafen kenne, käme eine Flucht für ihn nicht in Frage. Da sind wir uns auch einig, nicht wahr?"

Sie nickte auch dazu. Und schluckte.

„Wenn wir also von all dem ausgehen, gibt es meiner Ansicht nach nur zwei wahrscheinliche Antworten auf Deine Frage."

Hier hielt er inne und sah sie zweifelnd an. Gab ihr so eine Chance, ihn zu unterbrechen und am Fortfahren zu hindern.

Doch sie entschied sich anders und beeilte sich, zu sagen:

Die Tochter des BrauersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt