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Als er endlich im Kloster eintraf, waren die Brüder gerade bei der Abendandacht. Er ließ sein erschöpftes Tier in der Obhut eines Bediensteten am Tor und ging raschen Schrittes weiter zur Klosterkirche.
Im tiefdunklen Schatten des Portals blieb er stehen und lehnte sich an die kühle Wand. Er lauschte den Wechselgesängen der Mönche und langsam beruhigte die andächtige Zeremonie sein brennendes Herz.

Nach dem Gottesdienst ging er ein paar Schritte hinaus und wartete dort ungeduldig, bis Albertinus mit den anderen schweigend das Gebäude verließ.
 Verwundert nickte dieser, als Hardrich an ihn herantrat und fragte, ob er ihn sprechen könne.
In der stillen Schlichtheit seiner Zelle, bot er dem Ritter Platz an und füllte zwei Becher mit gewürztem Wein. Einen reichte er Hardrich und nahm ihm gegenüber Platz.
Dann sah er den Markgrafen neugierig an und fragte:
"Was kann ich für Euch tun, mein Sohn?"

"Es geht noch einmal um die Frau...", begann dieser.

Für Gertraud waren die folgenden Tage eine Zeit der bangen Ungewissheit.
Der Ritter ließ sich nach ihrem Ausbruch nicht mehr sehen und sie wagte es nicht, ihn von sich aus anzusprechen.
Wann immer sie seine Schritte im Gang zu hören glaubte, fürchtete sie, er würde an ihre Tür klopfen und sie zur Rede stellen. Zugleich aber war dies genau das, was sie herbeisehnte. Lustlos stocherte sie im Essen herum und war traurig und schweigsam.
Marianne, die ihr nach wie vor oft Gesellschaft leisten durfte, wusste sich bald nicht mehr zu helfen. Als sie eines Tages den Ritter allein im Treppenhaus antraf, warf sie sich ihm zu Füßen. Noch nie vorher hatte sie gewagt, ihn anzusprechen.
Ihr Herz raste und ihre Stimme versagte ihr fast den Dienst, als sie flehentlich sagte:
"Vergebt mir, Herr..."
Hardrich stutzte und fragte:
"Was gibt es denn?"
"Herr, ich wollte fragen... Gertraud, ich meine, die junge Frau Kerner, sie ist so trübsinnig. Ich habe schon alles versucht, aber sie isst kaum noch etwas und wenn ich ihr etwas erzähle, scheint sie mit Gedanken ganz woanders zu sein."
Marianne sah erschrocken, wie der Ritter die Stirn runzelte und brach in Schweiß aus.
Sie stammelte weiter:
"Ich dachte, vielleicht würde sie ein Kätzchen ein wenig aufmuntern. Unsere Katze hatte ihren Herbstwurf sehr früh in diesem Jahr und ich dachte... nun, ich dachte, ich könnte ihr eines von den Kleinen bringen, wenn ich darf."
"Tu das", sagte er nicht unfreundlich.
"Danke, Herr", antwortete Marianne erleichtert und beeilte sich, davon zu kommen.
Nachdenklich sah der Markgraf ihr nach und stieg dann weiter die Treppe hinauf.
Er ging geradewegs auf Gertrauds Tür zu, klopfte und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Sie hatte, wie so oft, in der Fensternische gesessen und den Blick über die Felder und Gärten schweifen lassen. Die junge Frau fuhr aus ihren Gedanken auf, als sie das Klopfen hörte und drehte sich um. Eigentlich hatte sie Marianne erwartet und als sie nun den Ritter eintreten sah, erschrak sie zuerst.
Doch sie fing sich rasch wieder und kam langsam auf Hardrich zu, der immer noch an der Tür stand.
"Es freut mich, Euch zu sehen", sagte sie und wies einladend auf die Sessel am Feuer. Schweigend setzten sie sich.
Hardrich sah, dass ihre Augen rot und geschwollen waren und sein Herz krampfte sich zusammen.
Schließlich sagte er:
"Morgen ist Sonntag und ich dachte, du würdest vielleicht gerne die Messe besuchen wollen. Hinterher könnten wir uns die Brauerei und den Bären ansehen, wenn du magst."
So etwas hatte sie überhaupt nicht erwartet. Ungläubig starrte sie ihn an und gab in ihrem Erstaunen erst keine Antwort.
"Du hast also keine Lust?", fragte er und es klang verunsichert.
"Oh, doch! Gerne!", rief sie.
Er erhob sich und sagte:
"Ich hole dich morgen früh ab."
Er wollte sich zum Gehen wenden, da stürzte sie hinter ihm her und kniete sich ihm in den Weg.
"Herr!", bat sie mit gesenktem Blick, "Lasst mich nicht wieder hier allein zurück ohne ein klärendes Wort, ich flehe Euch an! Es tut mir leid, wenn ich Euch verletzt habe neulich, aber diese Ungewissheit ist mehr, als ich ertragen kann."
"Steh auf", sagte er.
Sie ergriff seine ausgestreckte Hand und er zog sie auf die Füße.
Dann trat er ans Fenster, sah hinaus und sagte leise:
"Am Sonntag in vierzehn Tagen findet das Turnier statt. Am Tag davor werde ich eine Entscheidung von Dir fordern und Du magst gehen, wenn du willst. Aber bis dahin will ich, dass Du mein Gast bist. Diese vierzehn Tage lang will ich kein Weinen mehr hören und kein kummervolles Gesicht mehr sehen? Ist das zu viel verlangt?"
Er hörte, wie Gertraud hinter ihm tief durchatmete und dann bestimmt sagte:
"Nein, Herr, das ist durchaus nicht zu viel verlangt."
Er drehte sich zu ihr um und sie lächelte ihn noch etwas unsicher an.
"Schon besser", sagte er streng.
"Bitte, leistet mir ein wenig Gesellschaft und erzählt mir etwas. Etwas von... äh, von der Jagd", versuchte sie ihn zum Bleiben zu überreden.
"Von der Jagd? Welcher Jagd?", fragte er erstaunt.
"Nun, Ihr wart doch neulich auf der Jagd. Ihr hattet ein Reh und zwei Vögel an Eurem Packpferd, glaube ich", beharrte sie.
"Vier! Vier Fasane waren das. Im Moment warten noch einige andere Dinge auf mich, aber wenn ich es mir so überlege... Das Wild müsste inzwischen abgehangen sein. Wir können nachher zusammen essen. Und wenn du es dann immer noch hören willst, kann ich dir von der Jagd erzählen. Wenn mich nicht alles täuscht, wartet da auch schon jemand anderes auf dich", sagte er und öffnete die Tür.
Draußen stand Marianne mit einem Korb im Arm und schaute den Ritter ängstlich an. Hardrich schickte sie hinein und ging ohne Gruß hinaus.

Die Tochter des BrauersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt