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Aber der Ritter antwortete nicht, sondern stand auf und ging auf die Truhen zu. Seine Absicht erahnend, beschwor ihn der alte Mann zuerst drohend, dann flehentlich, vom Prinzen abzulassen. Doch der Markgraf zog stumm ein Paar der hirschledernen Handschuhe an und hob eine der Truhen auf.
Der alte Yosil bot noch mehr Gold. Er beschwor die Zeugen, einzuschreiten und sich nicht mit schuldig zu machen.
Er bat. Zum Schluss bettelte er.
Aber vergeblich.
Ungerührt wuchtete Hardrich das bleischwere Behältnis zu dem am Boden Liegenden. Dieser kam gerade zu sich und sah den Markgrafen mit der Truhe und Zorn im Blick auf sich zukommen. Panik überkam ihn. Er wollte sich aufrappeln und davonstürzen. Da erst merkte er, dass er von vier Mann am Boden festgehalten wurde und begann angsterfüllt zu schreien.
Dann war Hardrich über ihm.
Mit einem Ächzen riss er seine Last in die Höhe und goss den Inhalt aus. Hunderte glitzernde Münzen klimperten und rieselten auf den nackten Oberkörper des Prinzen herunter und kullerten dann weiter durch den Raum. Überall wich man ihnen ängstlich aus.
Und immer noch gellten die entsetzlichen Schreie im Saal. Gertraud sah, dass Borsód Kunyol durch sein Schreien auch zwei Münzen in den Mund bekommen hatte. Er würgte und spuckte sie wie irrsinnig aus, spie wieder und wieder auf den Boden und schrie und wand sich immer mehr. Die Markgräfin schlug die Hände vor das Gesicht, konnte aber den Blick nicht von dem grausamen Schauspiel wenden.
Mit einem Mal veränderte sich das Schreien. Wurde schrill und heiser und ging dann in ein grauenhaftes Röcheln über. Der Prinz rang nach Luft und lief blau an. Seine Lippen verfärbten sich schwärzlich und die Augen traten ihm fast aus den Höhlen. Furchtbar zog sich der Todeskampf in die Länge.
Fassungslos starrten die Zeugen auf das Geschehen und als es endlich vorüber war, richtete sich Hardrich auf und rief laut in die nun herrschende betroffene Stille hinein:
„Das hätte jedem von uns passieren können! Seht Euch das gut an!"
Gertraud wollte sich erheben, fiel aber taumelnd auf ihren Sessel zurück. Besorgt ließ Hardrich sie von Marianne und einer der anwesenden Damen in ihre Gemächer bringen.
Er selber wagte nicht, ihr mit seinen vielleicht giftgetränkten Kleidern zu nahe zu kommen und schickte nach Albertinus. Als dieser kam, fand er sie am ganzen Leibe zitternd am Feuer sitzen und in die Flammen starren. Er verordnete ein Schlafmittel gegen den Schrecken, denn Anzeichen für eine Vergiftung fand er nicht.
Trotz des Mittels schlief die junge Frau schlecht und durch ihre düsteren Träume gellten immer wieder die Schreie von Sterbenden.

Tatsächlich starb im Laufe dieser Nacht die gesamte kumanische Gesandtschaft bis auf vier Mann, die man verschonte, den gleichen furchtbaren Tod wie ihr Prinz. Man hatte alle im Hof angepflockt wie die Tiere und mit großen Schaufeln einem nach dem anderen die Goldmünzen über den nackten Leib geworfen. Einige hatten, dem Vorbild des Prinzen folgend, die Münzen abgeleckt, um ihre Leidenszeit zu verkürzen. Doch die meisten starben erst nach vielen Stunden qualvoll im Morgengrauen des neuen Tages. Drei letzte Sterbende erlösten die Wachen endlich mit einem gnädigen Schwertstoß. Als erstes hatte es den alten Wortführer getroffen. Und noch mit dem letzten gequälten Atemzug stieß er fürchterliche Verwünschung gegen Hassan und das Haus von Aven aus. Am nächsten Tag lud man die Toten auf ihre eigenen Wagen und schickte diese mit den vier Mann Geleit wieder zu ihrem Herrn zurück. Das Gold wurde in großen Körben im Fluss gewaschen und danach eingeschmolzen. So verlor sich das Gift, was man später noch einmal an Tieren erprobte. Im Hof wechselte man das Kopfsteinpflaster aus und auch der große Saal wurde mehrmals gründlich gewischt und zur Sicherheit hinterher noch einmal mit geweihtem Wasser besprengt. Die Handschuhe, Kleider und Schaufeln verbrannte man. Hardrich badete sich gründlich zweimal hintereinander. Danach war er vom ausgiebigen Gebrauch der harten Bürste und dem fast brühheißem Wasser krebsrot. Seine Haut brannte, aber er war zufrieden und einigermaßen sicher, Gertraud jetzt nicht mehr mit restlichen Spuren des Giftes zu gefährden.
Von ihren Leuten erkrankten trotz aller Vorsicht sechs Mann. Besonders schwer traf es einen derjenigen, die den Prinzen festgehalten hatten. Drei weitere Wachen, ein Knecht und einer der Kämmerer hatte das Gift dagegen nur leicht angegriffen. Doch alle erholten sich nach und nach wieder.
Als Gertraud und ihr Mann anderntags abends zusammensaßen, fragte sie ihn, was Hassan eigentlich aufgefallen sei.
„Erst flüsterte er mir nur etwas von 'Es könnte Gift im Gold sein. Darauf versteht der Alte sich!' zu. Aber als wir vorgestern den Bastarden beim Sterben zusahen, erzählte er mir die ganze Geschichte. Als er den alten Yosil eintreten sah, fiel ihm eine Begebenheit von vor ein paar Jahren wieder ein. Er arbeitete damals als Badediener beim Fürsten und dieser besuchte gerade mit einigen Verwandten das Schwitzhaus. Darunter war auch der alte Tande. Und so ganz ungezwungen im Familienkreis beratschlagte man, wie mit einem unliebsamen Adeligen zu verfahren sei, dem der Fürst noch eine nicht unbeträchtliche Summe Geld schuldete. Da schlug der alte Onkel vor, das Geld zwar zu zahlen, aber mit einer Prise eines bestimmten Pulvers seines Alchimisten zu versehen. Richtig dosiert, würde man es nicht zurückverfolgen können, ja wahrscheinlich nicht einmal auf das Gold zurückführen, da es ja erst mit einiger Verzögerung wirkte. Der fragliche Besitz würde nach dem Tod des Gläubigers wieder an den Fürsten zurückfallen und somit keinen Verlust darstellen. Der Vorschlag wurde vergnügt gutgeheißen und der Alte erzählte von noch so manch anderem Kunststückchen, das sein Alchimist zuwege bringen könne, auf den er große Stücke hielt. Er könne Tränke brauen, die jede gewünschte Art von Träumen und Rauschzuständen verursachten und die jeden gefügig machten. All das besprach man so völlig ungeniert, während Hassan die Männer bediente und massierte. Er war als Leibeigener ein Niemand, einfach Luft. Und keiner machte sich die Mühe, seinetwegen etwas zu verbergen. Wahrscheinlich hatte man angenommen, wir hätten ihn schon lange getötet. Oder sie hatten ihn einfach vergessen. Und als der Alte ihn dann sah und es ihm langsam dämmerte, war es zu spät."
Sie schwiegen beide eine Weile.
„Wir verdanken ihm viel", meinte Gertraud endlich.
„Ja", sagte Hardrich nachdenklich, „Ich dachte daran, ihn mit Gold dafür zu entlohnen und ziehen zu lassen. Aber er sagte mir gestern, dass der Fürst nach diesem Vorfall bestimmt ein hohes Kopfgeld auf ihn aussetzen lassen werde, sobald die Wagen dort ankommen. Er hat überall seine Spitzel und Hassan fürchtet, außerhalb dieser Mauern und Grenzen nicht mehr lange am Leben zu sein."
„Dann sollte er möglichst bald und heimlich von hier aufbrechen", überlegte sie halblaut, „Sonst sieht er seine Familie nie mehr wieder."

Die Tochter des BrauersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt