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Gertraud war so müde, dass sie nichts mehr essen mochte und auch nicht mehr lange mit Marianne erzählte. Doch als sie danach in ihrem Bett lag, konnte sie nicht einschlafen. Seine Nähe fehlte ihr. Jetzt schon, dachte sie unglücklich. Und sie lauschte immerfort in den Gang hinaus, ob er nicht doch noch kam und sich zu ihr legte. So wälzte sie sich im Bett hin und her, bis die Müdigkeit sie schließlich doch übermannte.
Er kam auch später nicht zu ihr. Als er tief in der Nacht müde die Treppe herauf stapfte, überlegte er kurz, wollte sie dann aber nicht stören und ging leise in seine Zimmer.
So erwachte sie alleine am nächsten Morgen. Laken und Unterkleid waren leicht blutig. Sie erschrak im ersten Moment, zwang sich aber zur Ruhe. Es ging ihr gut. Sie hatte keine Wehen und die Blutung schien auch bereits abgeklungen. Trotzdem schickte sie Marianne nach der Hebamme. Nur zur Sicherheit, dachte sie.

Margret Holm erschien keine halbe Stunde später bei ihr. Gertraud war im Bett geblieben und gerade dabei, ihr Unterkleid zu raffen und sich für die Untersuchung zu entblößen, als Hardrich ohne anzuklopfen ins Zimmer stürmte. Er war blass.
„Was ist hier los?", bellte er.
Gertraud zog rasch ihr Kleid wieder herunter, hob beschwichtigend die Hand und sagte:
„Ich hatte eine leichte Blutung heute Nacht. Ich bin sicher, es ist nichts. Aber ich habe Frau Holm kommen lassen. Nur um sicher zu gehen. Sie will sich das gerade ansehen."
Hardrich starrte sie einen Moment lang an, zeigte dann mit dem Finger auf die Hebamme und sagte barsch:
„Ihr kommt sofort zu mir, wenn Ihr hier fertig seid! Ich warte gegenüber."
Damit verließ er das Zimmer und sie hörten ihn in seine Gemächer gehen.

 Der Hebamme zitterten die Knie und sie musste sich einen Moment setzen. Doch Gertraud lächelte nur. Margret Holm atmete tief durch, schob dann Gertrauds Unterkleid wieder in die Höhe und setzte ihre Untersuchung fort.
Sie fand alles in Ordnung vor, doch sie mahnte die Markgräfin eindringlich:
„Es war sehr unvernünftig von Euch, bis zur Erschöpfung zu reiten, Frau von Aven. Gerade die Erschütterungen des Reitens sind rein gar nicht gut für Schwangere. Das hätte böse enden können. Schont Euch um Gottes Willen die nächsten Tage! Sonst werde ich vor Furcht, noch einmal gerufen zu werden, nicht schlafen können."
Die Frauen verabschiedeten sich und Frau Holm wandte sich zum Gehen. Gertraud sah ihr an, dass das bevorstehende Gespräch mit dem Ritter ihr mehr als nur Unbehagen bereitete.
„Soll ich mitkommen?", fragte sie und wollte von ihrem Diwan aufstehen.
„Nein! Bleibt liegen, hohe Frau. Was habe ich Euch gerade gesagt? Schonen sollt Ihr Euch. Ich habe ja, Gott sei Dank, keine schlechten Nachrichten, die ich Eurem Mann überbringen muss. Er wird mir wohl nicht den Kopf abreißen. Hoffe ich zumindest."
Damit trat sie auf den Flur und klopfte mit bangem Herzen an der Tür gegenüber. Gertraud hörte, wie Hardrich sie hereinrief und dann war es still. Erst eine ganze Weile später, als sie gerade das Frühstück aß, das Marianne ihr herauf gebracht hatte, hörte sie erneut die Tür gehen und leise, rasche Schritte auf dem Gang. Die Hebamme war gegangen. Sicherlich heilfroh, den Kopf noch auf ihren Schultern zu haben.

Einen Augenblick später kam Hardrich herein und setzte sich zu ihr. Er nahm sich ein Stück Brot von ihrem Teller, bestrich es großzügig mit Butter und steckte es sich in den Mund.
„Kein Reiten mehr. Du wirst Dich hinlegen und schonen. Und alle zwei Tage wird sie kommen und nach Dir sehen", zählte er auf, nachdem er den Bissen gegessen hatte.
Seine Frau nickte lächelnd und fragte dann:
„Wie geht es Jost?"
Der Markgraf seufzte und brummte:
„Schlecht. Er war auch heute früh noch nicht wieder bei Besinnung. Die Stelle ist angeschwollen und er fiebert. Keine guten Aussichten, meint Albertinus. Wenn er nicht bald zu Bewusstsein kommt, ist er in spätestens zwei Tagen verdurstet."
Der Ritter fluchte.
Und dann brach es aus ihm heraus:
„Ausgerechnet er! Ausgerechnet jetzt! Die Truppe wird auseinanderbrechen ohne ihn. Meine besten Leute! Und alles nur wegen...!"
Ächzend brach er ab, griff sich an den Kopf und sah zu Boden. Sie nahm ihn tröstend in die Arme.
„Geben wir die Hoffnung noch nicht auf", sagte sie sanft.
Da kam ihr ein Einfall und sie kramte in ihrer Reisetasche, die noch unausgepackt neben ihrem Bett stand. Sie holte eine der Kerzen hervor, die sie auf Reisen stets bei sich trug.
Sie hielt sie Hardrich hin und sagte leise:
„Ich bin sicher, Albertinus tut alles für ihn, was möglich ist. Und Du könntest in der Kapelle eine Kerze für ihn entzünden und für ihn beten. Und ich werde hier ein Gebet für ihn sprechen. Das ist es, was wir tun können für Caspar. Und das lass uns beide tun."
Er sah sie an, dankbar für den Funken Hoffnung, den sie ihm schenkte und nahm die Kerze mit einem Nicken an sich.
Dann erhob er sich, küsste sie auf die Stirn und sagte:
„Ich muss los. Schone Dich, hörst Du? Und warte nicht auf mich. Es wird spät werden."

Die Tochter des BrauersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt