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Berengar sollte also nach Antiochia.

Und zwar so rasch wie möglich. Wenn sie den Ritter persönlich antreffen wollten, war dies die einzige Station des Kreuzzuges, die sie erstens sicher kannten und zweitens, die sie in etwa rechtzeitig erreichen konnten.

Also hatte Kaiserin Irene ihrem Gatten gegenüber die Notwendigkeit angesprochen, ihren Bruder in die diplomatischen Kreise der Nachbarstaaten einzuführen. Und ihrem Geschick war es zu verdanken, dass der Kaiser ihre Idee als die eigene aufgriff und seinen jungen Schwager tatsächlich mit einer Grußbotschaft auf dem Seeweg in den Kreuzfahrerstaat entsandte.

So schiffte sich Berengar nur wenige Tage nachdem sie mit Odo zusammengetroffen waren, mit einem vierköpfigen Begleittrupp auf einer Galeere ein, die die byzantinische Hauptstadt in Richtung St. Simeon, dem Hafen Antiochias, verließ.

Die Nachrichten, die bis dahin von den Kreuzfahrern bis nach Konstantinopel drangen, waren in höchstem Maße besorgniserregend. Es war die Rede von immensen Verlusten an Menschenleben.

Auch hieß es, dass die beiden großen Truppenverbände der Grafen Raimund und Ferdinand entgegen der getroffenen Absprachen, gen Edessa gezogen waren. Ein aussichtsloses, zum Scheitern verurteiltes Unterfangen. Darüber war man sich in Byzanz einig und es ließ das wohl ohnehin schwer dezimierte Kreuzfahrerheer um fast ein weiteres Viertel zusammenschrumpfen.

Es war Berengars erste größere Seereise und jetzt stand er im Schatten des Segels an Deck und blickte über das silbern funkelnde Meer hinweg. Die gleißenden Reflexe des Sonnenlichtes blendete ihn fast schmerzhaft, doch er konnte sich nicht sattsehen an all dem Schönen.

Malerische Buchten zogen landseits an ihnen vorbei und der Bug schnitt zügig durch Wasser, von einfach unglaublich leuchtendem Blaugrün. Die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel, doch dank des leichten Fahrtwindes war es nicht zu heiß und zu dieser Jahreszeit auch nachts nicht mehr kalt.

Delfine begleiteten das Boot. Scheinbar mühelos und in spielerischer Eleganz schossen sie neben und knapp vor ihnen durch sie Fluten. Als wären sie neugierig auf diese merkwürdigen Zweibeiner an Bord des hölzernen Gefährts.

Ein Koch und zwei Diener sorgten dafür, dass die kleine Gesandtschaft unterwegs mit dem Feinsten versorgt wurde. Frisch gefangener Fisch kam direkt vom Haken auf den kleinen Schiffsgrill. Fette Makrele, Dorade und Thunfisch. Einmal einen Barrakuda. Knusprig warme Brotfladen, gewürztes Olivenöl und bester Wein wurden ihnen dazu gereicht. Und stets standen Schalen mit Obst, Rosinen und honigsüßen Datteln bereit.

Wenn es so etwas wie das Paradies auf Erden gab, dann war es dies, dachte Berengar bei sich.

Und das, während seine Kameraden irgendwo dort draußen durch die Hölle gingen. Ächzend fragte er sich immer wieder, ob es nicht seine Pflicht gewesen wäre, das Los seiner Gefährten zu teilen? Doch was hätte er wirklich ausrichten können, dachte er dann. Er war zwar im Schwertkampf und in anderen militärischen Disziplinen ausgebildet, aber es fehlte ihm an Kampferfahrung.

Mit einigem Schaudern hatte er unterwegs nach Byzanz den Kriegsgeschichten der altgedienten Soldaten gelauscht. Besonders die über von Aven hatten ihn immer wieder beeindruckt. Dessen Gnadenlosigkeit und Kraft. Und dessen Jähzorn. Schon wenn der Ritter nur durch das Lager geschritten war, hatte alles im Umkreis den Atem angehalten. Das hatte der junge Mann selber gesehen.

Er selber, Berengar von Sulzbach, hatte noch in keiner Schlacht Mann gegen Mann auf Leben und Tod gekämpft. Und das bisschen Turniergeschick, das er besaß, war in einem wirklichen Gefecht wohl keinen Pfifferling wert. Im Grunde konnte er Bessy nur dankbar dafür sein, dass sie ihn davor bewahrt hatte, weiter zu reiten. Doch sein schlechtes Gewissen blieb.

Die Tochter des BrauersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt