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Seit die Kreuzfahrer Konstantinopel verlassen hatten, langweilte Berengar sich. Er hatte im Grunde nichts zu tun.

Der Kaiser hatte ihn ein einziges Mal in einer Handelsangelegenheit mit deutschen Kaufleuten zurate gezogen, aber ansonsten blieb er inzwischen sich selber überlassen, denn auch seine Schwester war zu ihren täglichen Aufgaben zurückgekehrt.

Als Schwager des Monarchen bekam der schlanke, hoch aufgeschossene junge Mann neben einem monatlichen Diplomatengehalt, ein prächtiges Stadthaus mit Dienerschaft zu seiner Verfügung gestellt.

Und er war durchaus dankbar dafür.

Doch so stolz er auch auf seinen neuen Status war, immer mehr kam ihm zu Bewusstsein, dass er sich aushalten ließ, wie eine Mätresse.

Gefallen tat ihm das nicht wirklich, aber er hatte beschlossen, fürs Erste das Beste aus seinem Aufenthalt in Byzanz zu machen. Er war noch jung. Wer wusste schon, wohin ihn das Schicksal noch führen mochte und seine Erfahrungen hier, konnten durchaus wertvoll sein, dachte er.

Also hielt er sich mit dem Tagesgeschehen auf dem Laufenden, las viel und sein Griechisch war nach wenigen Wochen fast akzentfrei. Er war aufgeschlossen und freundlich zu jedermann, unterhielt sich gerne und war ein guter Zuhörer. So konnte er sogar seine Schwester, die selber auch stets gut unterrichtet war, mit der einen oder anderen Neuigkeit überraschen.

Trotzdem hatte er so viele Mußestunden, dass er sich angewöhnte, oft stundenlang durch die Häfen zu spazieren. Landeten dann Schiffe aus fremden Ländern an, ergriff er jede sich bietende Gelegenheit, mit jemandem von der Mannschaft oder den Passagieren ins Gespräch zu kommen und auch hier Neues zu erfahren.

Mitte Mai war er am Nachmittag wieder einmal auf dem Weg zum Kai hinab. Einer der Zöllner, den er inzwischen recht gut kannte, kam ihm entgegen.

Schon von weitem rief der ihm gut gelaunt auf Griechisch zu:

„Seid gegrüßt! Heute könnt Ihr Euch in Eurer Muttersprache unterhalten! Eine deutsche Kogge aus Wotemünde ist vor ein paar Stunden eingelaufen! Wir sind gerade mit der Zollschätzung fertig!"

Berengar lachte und bedankte sich winkend.

„Wie schön!", dachte er vergnügt und beschleunigte beschwingt seine Schritte.

Wenig später allerdings eilte der junge Mann mit besorgter Miene zurück durch die lichten Gänge des Palastes und ließ sich bei seiner Schwester melden.

„Es ist dringend", sagte er zu der Hofdame, die nickte und zwischen den Wachen hindurch in die Gemächer der Kaiserin schlüpfte.

Er musste nur kurz warten, bis er hereingebeten wurde.

Irene saß inmitten einiger Damen und den beiden Kinderfrauen und hielt ihre zweijährige Tochter auf dem Arm.

Berengar grüßte, kam rasch hinüber zu seiner Schwester und flüsterte ihr etwas zu.

Die erschrak und schickte die Anwesenden aus dem Zimmer.

„Die Ostmark, sagst Du? Von Avens Mark? In kumanischer Hand?", fragte sie beklommen, als sie alleine waren.

Berengar nickte.

„Im Hafen liegt ein Schiff aus Wotemünde. Der Kapitän und der Maat haben mir davon erzählt und es gibt sogar einen Augenzeugen an Bord, sagten sie. Der Schiffsjunge stammt aus der Hauptstadt. Er hat den Fall der Burg miterlebt, heißt es."

Mit Bestürzung lauschte die Kaiserin der Schilderung ihres Bruders.

„Weiß man, was mit der Dame geschehen ist?", fragte sie Berengar.

Die Tochter des BrauersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt