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Anfang August war in der Mark die Getreideernte in vollem Gange. Wie jedes Jahr war dem mit Bangen und Beten entgegen gesehen worden, denn jetzt entschied sich, ob man den Winter ohne Hunger überstehen würde.

Als erste war im Juni die Gerste geschnitten worden. Für Braumalz, Viehfutter und auch Grütze. Hafer, Dinkel und vor allem der wichtige Roggen folgten im Juli und die Ernte dauerte bis in den August hinein. Argwöhnisch beobachtete man das Wetter, damit nicht noch im letzten Moment ein Unwetter alles zunichte machte. Den Dinkel hatte man Anfang Juli zum Teil schon unreif geschnitten, um ihn als Grünkern zur Verpflegung der Erntehelfer zu nutzen. Denn es gab viele hungrige Esser in diesem verfluchten Sommer.

Nach dem Angriff auf die anrückende Verstärkung hatten die dänischen Besatzer erneut furchtbare Rache genommen. Und dieses Mal war das Lehen von Meez ihr Ziel gewesen. Ganze Dörfer und fast erntereife Felder waren in Flammen aufgegangen. Das Vieh hatte man fortgeführt und jeglicher Widerstand war blutig niedergeschlagen worden. Der ganze Landstrich blieb verwüstet zurück und die Überlebenden waren nun all ihrer Habe beraubt und obdachlos. Nur zum Teil hatten sie Unterschlupf bei Verwandten gefunden. Einige beschlossen trotz allem zu bleiben und die Ruinen wieder aufzubauen. Doch viele irrten verzweifelt und bettelnd mit ihren Familien durch die Mark.

Wichard und Wilhelm hatten wochenlang nach Lösungen und Wegen gesucht, um alle auf die übrigen Lehen zu verteilen. Auch auf den Ländereien von Dührings waren Familien untergekommen.

Arbeitskräfte waren auf der einen Seite willkommen, aber die knappen Vorräte für den Winter würden nun für noch mehr Menschen reichen müssen. Zumal auch die Dänen jetzt immer wieder überraschend auftauchten und Nahrungsmittel erpressten. Niemand war sicher vor ihren Überfällen und von Dühring hoffte, dass der Proviant, den sie in Verstecken gelagert hatten, nicht entdeckt würde.

Dabei hatte alles so gut und erfolgversprechend begonnen.

Wilhelm erwies sich als guter Taktiker und Wichard, war, nachdem sie am Vorabend des Angriffs zusammengetroffen waren, sehr mit dem Plan einverstanden gewesen, den der junge von Meez ausgearbeitet hatte. Er war sogar derart davon überzeugt gewesen, dass er regelrecht darauf brannte, endlich loszuschlagen.

Es war eine reelle Chance, de Allinge auf Monate hinaus zu schwächen. Doch trotz all ihrer Umsicht hatten drei der Gegner entkommen können.

Zwei in kopfloser Flucht zurück in Richtung Küste. Zurück dorthin, woher sie gekommen waren. Die beiden hatte man reiten lassen. Aber ein Mann war gen Süden, in Richtung der Stadt geflohen.

Mit allem, was sie hatten, waren sie ihm nachgesetzt, aber in einem Waldstück hatte sich seine Spur im Dunkeln verloren. Sie hatten anderntags noch versucht, dem Flüchtigen den Weg in die Stadt abzuschneiden, aber auch das war fehlgeschlagen. In Wichard kochte noch immer der Ärger hoch, wenn er daran dachte.

Denn so kam es, dass de Allinge beinahe umgehend von der Auslöschung der erwarteten Verstärkung erfuhr. Ein heftiger Schlag für ihn. Und am Ende mit vielen Opfern erkauft.

Bis auf weiteres wollten Wilhelm und Wichard danach keine direkten Angriffe mehr führen. Beide kamen überein, ihr zukünftiges Vorgehen zu überdenken und Pläne zu schmieden. Und im Moment gab es für sie alle mit der laufenden Ernte ohnehin alle Hände voll anderes zu tun.

Männer, Frauen und Kinder waren von früh bis spät auf den Feldern. Auf den eigenen kleinen Parzellen und auch zur Fron auf den Ländereien von Dührings. Wichard und Rupert teilten die Leute ein, überwachten die Arbeiten und die Pausen. Beat bekam die Aufsicht über die Jungen und Mädchen, die die abgeernteten Felder noch einmal abliefen und zu Boden gefallene Ähren und letzte Reste aufsammelten, bevor die Vögel sich über sie hermachen konnten. Denn jedes Korn würde dieses Jahr gebraucht werden.

Die Tochter des BrauersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt