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Das allererste Morgengrauen erhellte nur spärlich die verhängten Fenster, als seine Hand sie berührte. Im Halbschlaf spürte sie seinen Atem an ihrer Wange und hielt weiter die Augen geschlossen. Sie fühlte, wie seine Finger bis zum Saum ihres Nachtkleides tasteten und behutsam ihr Knie umfassten. Ihr Herz begann wie wild zu schlagen, aber sie tat weiter so, als schliefe sie.
Auch sein Atem ging hastiger. Er schluckte. Langsam fuhr seine große, warme Hand ihren Schenkel hinauf und im Schutz des Schlafes gab sie sich ganz diesem sehnsuchtsvollen Gefühl hin.
Mit Mühe unterdrückte er ein Keuchen. Er hob die Decke an und schien sie einen Moment zu betrachten, dann fühlte sie sein schweres Bein an ihrem. Sie tat, als wälzte sie sich im Schlummer, spreizte die Beine, öffnete leicht den Mund und streckte die Arme über den Kopf aus. Er küsste zärtlich ihren Mundwinkel und presste sich an sie. Seine Hand spielte mit ihrem Schamhaar und sie spürte, dass er vor Lust fast zersprang. Seine Küsse wurden stürmischer und er legte sich zwischen ihre Beine.
Ungeduldige Hände verfingen sich in ihrem weiten Nachtgewand. Er schnaubte ärgerlich und zerriss kurzerhand Knöpfe und Ösen, die das feine Leinenhemd vorne verschlossen. Sie verzog die Lippen zu einem wohligen Lächeln und er merkte, dass sie wach war, obwohl sie sich weiter schlafend stellte.
Er war vorsichtig und sacht und dieses Mal war sie weder ängstlich noch befangen. Und obwohl die Wunde wieder aufriss und blutete, schmerzte es kaum.
Seine Erlösung kam rasch. Er sank neben sie in die Kissen zurück und schlief, eng an sie gepresst, wieder ein.

Als die Geräusche in der Burg lauter wurde, stand er auf und nahm die dicken Vorhänge, die auch die herbstliche Kälte abhielten, vom Fenster. Sie erwachte, als er sich noch einmal zu ihr aufs Bett setzte. Gähnend reckte sie sich und vergaß, dass das zerrissene Hemd ihre bloßen Brüste freigab.
"Oh, Frau!", stöhnte er und kroch zurück an ihre Seite.
Er nahm sie noch einmal. Diesmal hart und ungestüm. Danach lag er neben ihr und streichelte ihre nackte Schulter.
"Tat es sehr weh?", fragte er leise.
"Nicht sehr", log sie, denn eben noch hatte sie die Zähne zusammenbeißen müssen.
"Hmm", seufzte er und merkte wohl, dass sie nicht ganz ehrlich war.

Wichard von Dühring verschlief an diesem Morgen. Als sein Bursche zum dritten Mal an seine Zimmertür klopfte und rief,  saßen Gertraud und Hardrich bereits bei der Morgenmahlzeit. Der junge Mann war erst bei Tagesanbruch völlig betrunken zurückgekehrt und da alle seine persönlichen Dinge noch im Zimmer in der Burg lagen, beschloss er, noch einmal dort zu übernachten und nicht in der Kaserne.
Jetzt trat er hinaus auf den Flur und sah drei Mägde vom oberen Stockwerk kommen. Zwei trugen Eimer voller Asche hinunter.
Die Dritte von ihnen hielt gerade ein blutiges, zerrissenes Nachthemd ausgebreitet in die Höhe und wisperte den anderen entrüstet zu:
"Seht nur! Wie ein Tier!"
Da sahen sie den Hauptmann auf dem Treppenabsatz stehen und blieben erschrocken stehen. Die eine beeilte sich, das Hemd in einen der Eimer zu stopfen. Sie grüßten respektvoll und huschten an ihm vorbei und die Treppen hinab.
Es dauerte eine Weile bis Wichard, der gegen die Übelkeit in seinem Leib und einen schweren Kopf ankämpfte, begriff, was er da gerade gesehen hatte. Ihm stand plötzlich wieder der bange Blick vor Augen, mit dem sie ihn gestern Abend angesehen hatte und brennender Zorn überkam ihn.
"Dafür bringe ich ihn um!", ächzte er mit zusammengebissenen Zähnen.
Er stolperte die Stufen hinunter, stand schon vor der Tür, griff zum Schwert und merkte erst jetzt, dass er in der Eile vergessen hatte, es umzugürten. Er fluchte und wollte gerade kehrtmachen und es holen, als er Gertrauds helles, unbeschwertes Lachen hörte und zu sich kam.
Inständig packte er das silberne Kreuz, welches er an einer Kette um den Hals trug und presste es an seine Lippen. Er bat um einen klaren Kopf, atmete tief durch und betrat das Speisezimmer.
Hardrich runzelte die Stirn, als er Wichard, weiß wie die Wand, hereinkommen sah.
"Verzeiht meine Verspätung, Herr", sagte dieser gequält und verneigte sich.
Der Ritter nickte nur, wies auf seinen Stuhl und fragte kalt:
"Was gab es denn zu feiern, dass Du das Saufen nicht lassen konntest?"
Wichard setzte sich langsam und zuckte mit den Schultern.
"Eigentlich nichts, Herr", antwortete er.
"Er war froh, mich endlich von seinem Rockzipfel zu haben", spottete Gertraud und Hardrich lachte.
"Du magst nach Hause zurückkehren, sobald Du willst. Ich schicke nach Dir, wenn ich Dich brauche, Wichard", entließ ihn der Ritter gutgelaunt.
"Danke, Herr", entgegnete Wichard erleichtert und wollte sich erheben.
Da klopfte es und der Verwalter trat ein, mit einem verstört blickenden Bauern hinter sich.
"Herr... Dieser Bauer kommt aus Drelen mit einem dringenden Anliegen zu Euch", sagte er und schob den verängstigten Mann nach vorne.
Der fiel auf die Knie, den Blick gesenkt. Gertraud sah, dass sein Kittel mit dunklen Flecken bedeckt war.
"Sprich", forderte der Markgraf ihn nicht unfreundlich auf.
"Ein Bär, Herr! Er hat ...", Tränen traten in seine Augen und er wischte sich mit schmutzigen Händen die Wangen, "Er hat meiner Tochter den Arm abgerissen. Ich habe sie gerade zum Heiler im Kloster getragen, aber der Pater meint ...", wieder kämpfte er mit den Tränen, "Er meint, sie hat schon zu viel Blut verloren. Herr, wir erflehen Eure Hilfe! Wir haben es schon mit Fallen und Gruben versucht, aber die Bestie ist zu schlau. Jede dritte Nacht bricht sie in einen Stall ein, tötet unsere Tiere und jetzt auch unsere Kinder! Wir wissen nicht mehr weiter und wenn es abends dunkel wird, kommt die Angst! Wen wird es diesmal treffen?"
Der Markgraf hatte ungerührt zugehört und setzte gerade zu einer Antwort an, als Gertraud sich zu ihm beugte und ihm etwas ins Ohr flüsterte.
Hardrich lachte und sagte zu ihr:
"Sollst Du haben!"
Zum Bauern gewandt, fragte er dann:
"Drelen? Das liegt doch an der Grenze zu von Bevern?"
Der Mann nickte und sah den Herrn der Mark hoffnungsvoll an.
"Schickt Nachricht an von Bevern, dass er seine Meute mit zur Verfügung stellen soll. Er hat die besten Bärenhunde im ganzen Land. Und das, obwohl er die Jagd gar nicht liebt. Ich erwarte sie heute Abend in Drelen, denn ich werde mich selber dieser Sache annehmen", gab er Weisung an den Verwalter.
"Ladet doch auch de Allinge mit ein, mein Gemahl", schlug Gertraud plötzlich vor und sah Hardrich vielsagend an.
"Diesen Dänen? Wieso sollte ich?", fragte der Ritter verdutzt und zog die Brauen zusammen.
"Nun ja, wäre es nicht eine Ehre für ihn? Immerhin hat er vorbildlich auf dem Turnier gestritten und außerdem will er Euch um etwas bitten", antwortete seine Frau und schlug schelmisch die Augen nieder.
"Sprich nicht in Rätseln, Frau!", polterte Hardrich und sah sie scharf an.
Gertraud beugte sich zu ihm, sah ihm in die Augen und flüsterte:
"So wie Du mich, liebt er von Beverns Älteste."
"So?", fragte Hardrich erstaunt und nachdenklich, "Wer hat das gesagt?"
"Aber das ist so offensichtlich, dass es einem geradezu in die Augen sticht", meinte Gertraud lächelnd.
"Hmm. Na, wir werden ja sehen. Lasst den Boten ausrichten, ich erwarte de Allinge und seinen Gastgeber heute Abend zur Bärenjagd in Drelen. Und gebt dem Mann hier etwas zu essen. Er kann nachher mit uns zurückreiten", befahl er dem Verwalter.
Der Bauer verbeugte sich noch viele Male und stammelte einen Dank, bevor der Verwalter ihn mit sich aus dem Zimmer zog.
"Das heißt für Dich, dass Du weiter hierbleibst. Und ich wünsche nicht, dass Du Deinen Verstand versäufst, bis ich wieder hier bin, ist das klar?", sagte Hardrich dann ernst zu Wichard gewandt.
Wichard nickte und versuchte ein Lächeln:
"Natürlich, Herr."
"Warte draußen."
"Kaum bin ich glücklich wieder hier, schickt mich mein Weib auch schon wieder fort!", seufzte Hardrich mit gespielter Klage, als sie allein waren.
"Warte nur, bis ich das Fell vor dem Kamin liegen habe! Dann fällt mir sicher auch eine Belohnung für Deine Mühen ein", sagte sie keck und lächelte.
Er zog sie zu sich heran und ließ sie auf seinen Knien sitzen. Sie schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn.
"Sei vorsichtig", bat sie dann leise.
"Ha! Erst schickst Du mich, gegen die Bestie zu Felde zu ziehen und erst hinterher fällt Dir ein, dass das gar nicht so ungefährlich ist. Herzloses Weibsstück!", sagte er tadelnd.
"Aber wer hätte ihnen sonst helfen sollen?", beharrte sie.
"Ach, meine Lilie. Es wird immer Bären und Wölfe, Blitzschlag und Feuersbrunst geben. Und ich kann im Grunde gar nichts dagegen tun. Doch diesen einen Bär will ich für Dich töten, weil Du es wünschst", sagte er sanft und rollte eine Locke ihres Haares, die sich aus ihrer Haube gelöst hatte, um seinen Finger.
So saßen sie noch eine ganze Weile beieinander, bis Hardrich zum Aufbruch drängte. Er umarmte und küsste sie noch einmal und gemeinsam gingen sie hinaus auf den Burghof. Dort hatte Wichard bereits die Vorbereitungen für die bevorstehende Jagd angeordnet und man hörte das tiefe Bellen der aufgeregten Meute von den Zwingern herüberschallen. Wagen und Packpferde wurden mit Zelten und Verpflegung beladen und die Begleitmannschaft machte sich bereit.

Die Tochter des BrauersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt