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Erst als der Bader blutüberströmt und regungslos am Boden lag, ließen sie von ihm ab. Dann packten sie ihn an Armen und Beinen, trugen ihn hinüber zum Wagen und schwangen ihn johlend hin und her, um ihn letztendlich gegen Hardrich zu werfen, der noch immer dort saß. Rot im Gesicht vor Wut und Empörung.

Wie ein getroffener Kegel riss es ihn unter Hassans Gewicht nach hinten und die Männer lachten grölend.

Einer trat dem bedauernswerten Esel hart in die Seite und der raste mit klappernden Hufen und unter kläglichem Iahen führerlos davon, denn ihr junger Begleiter hatte sich bereits beim ersten Anzeichen der Auseinandersetzung davongestohlen und war spurlos verschwunden.

Der Wagen holperte los und der Ritter war trotz seines kochenden Zornes geistesgegenwärtig genug, seinen linken Fuß gegen ein Eckholz des Karrens zu stemmen, um Halt zu finden. Er packte Hassan mit seinem gesunden Arm unter der Achsel und hielt ihn und sich selber mit Müh und Not auf der Ladefläche. Erst ein paar Straßen weiter, als das Johlen der Wachmänner langsam verklang, hielt jemand den kopflosen Esel endlich auf und der Wagen kam knirschend zu Stehen.

Tareks furchtsames Gesicht erschien in Hardrichs Sichtfeld. Der Junge war zurückgekehrt und obwohl der Ritter solche Feigheit im Grunde auf das Tiefste verabscheute, war er doch in diesem Augenblick einfach nur erleichtert, ihn zu sehen. Mit großen Augen, ratlos und reumütig, blickte der Gehilfe bang von seinem verletzten Herrn zum Ritter und wieder zurück.

Er schien völlig verstört und stand wie gelähmt da, bis Hardrich ihn anfauchte:

„Verdammt, bring uns hier weg! Zu diesem Ali Ins... Ali Ibn-Quasim!"

Den Namen verstand der Junge.

Seine Miene erhellte sich. Offensichtlich erleichtert, dass jemand vorgab, was zu tun war, nickte er pflichteifrig und kletterte auf den Bock.

Dann ging es auch schon los und der Ritter hielt Hassan weiter fest im Arm. Der war noch immer nicht wieder bei vollem Bewusstsein und stöhnte vor Schmerzen. Sein Gesicht war blutverschmiert und kaum zu erkennen.

Hardrichs Eingeweide brannten vor Zorn und Erniedrigung. Seine Machtlosigkeit im Angesicht dieser dumm-dreisten Gewalt, der er nichts, aber auch gar nichts, entgegen zu setzen hatte, brachten ihn an den Rand des Irrsinns. Doch er hatte zu kämpfen, um nicht von der Ladefläche zu stürzen, nun um ihrer beider Willen. So blieb ihm nur, verbissen zuzufassen und zwischen zusammengepressten Zähnen wüst zu fluchen. So ging es zurück. Fast genau den gleichen Weg, den sie gekommen waren.

Endlich.

Endlich wurden sie langsamer.

Hardrich sah ein zweistöckiges, vornehmes Haus über sich auftauchen. Heller Putz. Geschlossene, mit geometrischen Mustern durchbrochene Fensterläden und zierliche Balkone aus dem gleichen dunklem, glänzendem Holz. Alles sehr ordentlich und gediegen. Sie fuhren um eine letzte Ecke, von der Hauptstraße ab und auf einen kleine Hof, der neben dem Wohnhaus lag. Hühner gackerten und von Aven sah von seiner Warte aus die Giebel von Ställen und Nebengelassen um sich her.

Eingeschüchtert warf Tarek ihm über seine Schulter hinweg einen fragenden Blick zu. Der Ritter zog die Brauen zusammen und schickte ihn mit einem barschen Kopfnicken zum Haupthaus hinüber. Der junge Mann spurtete los und es dauerte dann auch nicht lange, bis der Arzt erschien. Der Medicus sah den Verwundeten und rief etwas zum Haus hinüber, woraufhin noch zwei Helfer herbeieilten. Gemeinsam zogen und hoben sie den Verletzten behutsam auf eine Trage, während Tarek, der Mühe hatte seine Tränen zu unterdrücken, in raschem Arabisch redete und offenbar berichtete, was geschehen war. Und je länger der gelehrte Mann lauschte, desto grimmiger wurde sein Gesicht.

Die Tochter des BrauersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt