97

158 16 4
                                    


Mit einem Wink schickte der Geistliche seinen Schreiber und auch Bredelin hinaus.

Hardrich hatte den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen und versuchte, den brodelnden Ärger über seine eigene Dummheit in Schach zu halten.

Als er die Augen wieder öffnete, saß der Geistliche ihm am Tisch gegenüber und hatte wartend die Fingerspitzen aneinander gelegt.

Und jegliche Heiterkeit war aus seinem klugen Gesicht gewichen.

Ganz selbstverständlich begann er ein Gespräch auf Latein. Denn dass der Fremde dessen mächtig war, konnte dieser jetzt schwerlich noch leugnen.

„Nun. Wir wollen einmal so tun, als sei Dein Name tatsächlich Conrad und es hätte Dich als Fußsoldat im Gefolge irgendeines Herrn der Ostmark hierher verschlagen."

Der Angesprochene schwieg mit finsterem Blick, wich den durchdringenden Augen, die auf ihn gerichtet waren, aber nicht aus.

Der alte Abt seufzte, strich sich über den gepflegten, schneeweißen Bart und fuhr fort:

„Unser Orden ist im Geiste Christi dazu berufen, Kranken und Menschen in Not beizustehen. Das haben wir in Deinem Fall getan und werden es weiter tun."

Aufatmend neigte Hardrich leicht den Kopf, was seine Dankbarkeit anzeigen sollte, blieb aber weiterhin stumm. Und auf der Hut.

„Allerdings", wandte der Geistliche ein, „bist Du ein erbärmlicher Schauspieler, mein Sohn."

Hardrich vernahm die Worte „Du" und „erbärmlich" und spürte förmlich, wie ihm die Zornesröte ins Gesicht stieg. Er keuchte unterdrückt.

Der Abt schmunzelte amüsiert und wies mit dem Finger auf ihn.

„Siehst Du? Genau das, meine ich. Alles an Dir spricht „Ich bin der Herr und Du der Knecht". Ich habe Dich beobachtet, Conrad. Du bist ganz sicher niemand, der es gewohnt ist, in Demut zu gehorchen. Im Gegenteil. Du sitzt ganz selbstverständlich in diesem Sessel, in dem sonst nur mein Prior oder hoher Besuch Platz nimmt. Du sprichst eine Sprache, die lediglich einer Elite vorbehalten ist. Darüber hinaus sehe ich Dir nur allzu deutlich an, dass es Dich bereits ärgert, wenn ich Dich duze, wie einen der gemeinen Mönche."

Von Aven runzelte die Stirn und sah nun doch beschämt zu Boden. Genau das, war ihm eben noch durch den Kopf gegangen. Wieder schien der Klostervorsteher zu erraten, was in ihm vorging und lächelte nachsichtig.

Dann jedoch wurde seine Miene wieder ernst und er sagte leise:

„Dass Du Deine Identität aber vor uns verbirgst, bereitet mir allerdings einige Sorgen, mein lieber Conrad. Denn wenn ich raten sollte, was wohl der Grund dafür sein könnte, fällt mir nur ein, dass Du befürchtest, gesucht und verfolgt zu werden. Eben weil Du kein niederer Pferdeknecht bist, sondern – nun, sagen wir mal – zur Führungsriege des Lateinerheeres gehörst? Aber wenn dem so sein sollte, kann ich Dich hier nicht schützen. Denn ich habe nicht die Macht, einen bewaffneten Suchtrupp des Hauses zu verweisen."

Als Hardrich daraufhin noch immer verstockt schwieg, hob der Abt die Stimme und fragte scharf:

„Hast Du das verstanden?"

„Ich... habe verstanden!", presste der Ritter mühsam zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Gut. Das bedeutet, sobald Du wieder auf den Beinen bist, wirst Du uns so rasch wie möglich verlassen. Zu Deiner und zu unserer Sicherheit. Bis es soweit ist, wirst Du Deine selbst gewählte Rolle hier weiter spielen und so wenig Aufmerksamkeit erregen, wie nur möglich. Und damit Du es Dir hier nicht allzu bequem machst, wirst Du Dich ab jetzt nach Kräften an der täglichen Arbeit beteiligen. Zunächst hilfst Du morgen Simeon in der Kleiderkammer."

Die Tochter des BrauersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt