Allererste, winzige Fortschritte waren sichtbar. Und Hardrich erkannte, wie weit zurück er mit seinen Übungen tatsächlich ansetzen musste. Aber bei aller Frustration darüber, regte sich auch ein wenig Zuversicht. Denn es ging voran. Er konnte es sehen. Die Finger bewegten sich. Geschicklichkeit und Kontrolle. Es kam zurück. Wenn auch entsetzlich langsam.
Nubia hatte ein langes Tuch um einen Balken des Erkers gewunden, in dessen Schatten er tagsüber saß. Daran zog er sich stundenlang halb in die Höhe, bis er auf die Knie kam. Dann ließ er sich wieder herab. Rauf und runter, bis ihn die Kraft verließ. Mit links gelang es leidlich. Und mit der rechten Hand konnte er nach ein paar Tagen zumindest das Tuch packen. Dann wieder gezieltes Greifen und Fingerübungen. Und währenddessen plante er in Gedanken seine Strategie für die kommende Schachpartie. Denn es war ihm ein Dorn im Auge, dass er bisher nur ein einziges Mal ein Remis hatte erkämpfen können und ansonsten verlor.
So hielt er Körper und Geist rastlos und wie getrieben in Bewegung, um voran zu kommen und um abends müde genug zu sein, um hoffentlich Schlaf zu finden. Und um ja nicht wieder in Schwermut und düstere Gedanken zu verfallen oder tief in der Nacht von Alpträumen aufzuschrecken.
Hassan überließ die Fürsorge für seinen Gast inzwischen vollkommen Nubia. Vielleicht Ridas wegen, vielleicht aber auch in der Annahme, ihm damit einen Gefallen zu tun.
Die Sklavin achtete darauf, dass stets eine Kanne Tee in seiner Reichweite stand, brachte ihm zu Essen und leistete ihm schweigend dabei Gesellschaft, wenn Zeit war. Sie unterstützte ihn beim Gang zum Abtritt und versorgte ihn mit Alltagsdingen, mit denen er weiter die Beweglichkeit seiner Hände trainierte.
Und an einem Tag der Woche, wenn des Abends die letzten weiblichen Badegäste gegangen waren, half sie ihm hinüber ins Badehaus. Und zwar in ihren Bereich. Das Frauenbad.
Als sie ihm das erste Mal mit Gesten zu verstehen gab, mit ihr zu kommen und ihn durch die kleine Tür ins Innere führte, hielt er erst erstaunt inne.
Es sah hier drinnen gänzlich anders aus, als im Bereich der Männer. Alles lag in einem schummrigen, rosigen Licht, das von den mit roten Tüchern verhängten, kleinen Dachfenstern herrührte. Bänke und Liegen im Ankleide- und Ruhebereich bordeten über vor Kissen, Decken und Tüchern in kräftigem Rot und Orange.
Auf jeder freien Fläche stand verspielter Zierrat. Glasfiguren, bunte Vasen, Döschen, Tiegel und Nippes. Dazwischen Schalen mit Obst, Datteln und Mandeln. Die Decken waren bemalt mit romantischen Bildern von Männern und Frauen in inniger Umarmung und die schwül-warme Luft war erfüllt von einem schweren, süßlichen Duft.
Hardrich hustete murrend und runzelte abfällig die Stirn. Nubia aber führte ihn unbeirrt weiter ins eigentliche Bad und ließ ihn auf einer Bank an der Wand herab.
Hier war alles in warmen Erdtönen gefliest und an den Wänden glänzten verschnörkelte Messingwasserhähne.
Einem etwas versteckten Bottich in der Ecke entnahm sie eine Tonamphore und entkorkte sie. Dann schenkte sie zwei Becher voll und reichte ihm einen. Ein wenig misstrauisch roch von Aven daran. Amüsiert beobachtete sie ihn und nahm einen Schluck. Also setzte auch er den Becher an und trank.
Leicht gekühlter, süßer Wein. So etwas wäre in der Mark nur für viel Geld zu haben gewesen.
Er musste wohl überrascht drein geschaut haben, denn sie lachte ihm ins Gesicht, gestikulierte im Raum herum und erzählte ihm etwas. Der Ritter verstand kein Wort. Da stellte sie sich mit einem selbstgefälligen Lächeln in die Mitte des Raumes, streckte die Arme zu beiden Seiten aus und drehte sich langsam einmal im Kreis. Dann wies sie auf sich. Dies hier war ihr Reich.
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Die Tochter des Brauers
Historická literatura"Ihr glaubt wirklich, Eure Küche hätte Zugang zum Baum der Erkenntnis?" "Gut pariert, Frau!", lachte er. Sie bewarf ihn mit dem Apfel, er fing ihn auf, zögerte noch einen Moment und biss hinein. Ein mittelalterlicher Roman. Um? Nun ja. Die Tochte...