"Nimm deinen Mantel. Wir wollen ausreiten", sagte er schlicht.
Sie drückte ihm das Kätzchen in die Hand, das sie im Arm gehalten hatte und lief freudestrahlend, um den Mantel zu holen.
Verdutzt hielt er das kleine Tier in seiner großen Rechten. Das war gar nicht ängstlich und begann, mit der pelzigen Tatze nach einem Knopf an seinem Handgelenk zu langen. Dann gähnte und streckte es sich selbstvergessen nach Katzenart, wobei es die winzigen, spitzen Krallen ausfuhr und in sein Hemd schlug. Mit dem Zeigefinger stupste er das getigerte Tierchen an die Nase und sofort kam wieder Leben in das schläfrige Fellbündel, das sich mit zuckender Schwanzspitze auf seinen Finger stürzte und ein lebhaftes Spiel begann. Gertraud kam aus dem Nebenzimmer und sah Hardrich belustigt mit der Katze spielen.
Sie blieb in der Tür stehen und warf sich den Umhang über, bis er schließlich aufsah und die Katze verlegen auf den Boden springen ließ.
Gertraud lächelte und sagte:
"Ist sie nicht niedlich? Ich habe sie Rosa genannt."
Schroff erwiderte er:
"Was für ein Unfug, einer Katze einen Namen zu geben! Sie hört ja doch nicht drauf."
"Oh, wenn sie will, hört sie schon", entgegnete Gertraud schmunzelnd.Im Hof wartete bereits Till mit zwei gesattelten Pferden auf sie. Neben dem unruhigen Wallach des Markgrafen stand eine hübsche, hellbraune Stute mit schwarzer Mähne und schwarzem Schweif, ein gutes Stück kleiner und zierlicher als der Braune.
Gertraud begrüßte Till und streichelte die weiche Nase der Stute, die sie mit sanften, großen Augen ruhig ansah und die Ohren aufstellte, als sie sie leise ansprach. Der Braune riss ungestüm am Zügel, so dass Till Mühe hatte, ihn mit einem Arm zu halten. Hardrich nahm ihm die Zügel ab und beruhigte das Tier, während der Junge Gertraud die Steigbügel hielt und sie aufstieg. Dann schwang auch der Ritter sich in den Sattel. Gertraud zog sich die Kapuze ins Gesicht und sie verließen im Schritt die Burg. Bald hinter dem Burgwall bogen sie in Richtung der Felder ab und ließen binnen Kurzem die Häuser der Stadt hinter sich.
Die Kapuze wehte ihr vom Kopf und sie zog sie nicht wieder zurück, denn hier auf der Landstraße war niemand mehr, der sie anstarrte.
Die junge Frau genoss den Wind in ihrem Gesicht und trieb die Stute an, bis sie auf gleicher Höhe mit Hardrich ritt. Sein Wallach legte die Ohren an und gab ein ungehaltenes Schnauben von sich, als er die Stute neben sich bemerkte.
"Er mag es gar nicht, wenn er nicht der erste ist", bemerkte Hardrich und hielt die Zügel mit fester Hand kurz.
"Ach", gab Gertraud zurück und der Spott in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
Hardrich fuhr herum, sah sie zornig an und knurrte warnend:
"Treib es nicht zu weit! Sei Dir nicht so sicher, dass ich Dir für eine solche Frechheit nicht einmal den Schädel einschlage."
"Herr, es liegt keine Boshaftigkeit in meiner Rede, glaubt es mir. Es ist nur ein Spiel. Zu dem Ihr mich, wie es scheint, immer wieder herausfordert", erwiderte sie und sah ihn versöhnlich an.
Er aber schüttelte nur ernst den Kopf und brummte:
"Ich hoffe sehr, Du täuschst Dich da nicht irgendwann."
Dann ließ er sein Pferd in Trab fallen.
Schweigend ritten sie noch eine halbe Stunde und bogen schließlich links von der Landstraße ab und folgten diesem Pfad bis in einen lichten Laubwald. An einem Bach führte ihr Weg entlang und unter tiefhängenden Zweigen hindurch. Der Weg war schmal und ging stetig leicht bergan. Gertraud ritt wieder hinter Hardrich und summte leise vor sich hin. Der Wald lichtete sich und sie kamen auf eine sonnenbeschienene Wiese. Dort stieg Hardrich vom Pferd, schlang die Zügel um einen Ast und hielt dann die Stute, bis Gertraud abgestiegen war. Hier im Windschatten des Waldes war es warm und still und sie spazierten eine Weile umher.
Er zeigte ihr eine Stelle, von der aus man die Stadt weit unter ihnen sehen konnte und freute sich an ihrer Freude darüber.
Die frische Luft hatte ihre Wangen gerötet und als sie ihn mit leuchtenden Augen ansah, traf ihn die Kraft und Wärme, die aus ihrem Blick sprach, fast schmerzhaft mitten ins Herz.
Und es fuhr ihm durch den Kopf:
"Ich kann sie nicht gehen lassen. Niemals."
Sie schlenderten zu den Pferden zurück und Hardrich holte einen verschnürten Packen und einen Weinschlauch samt zwei kleinen Zinnbechern aus seinen Satteltaschen.
"Oh, das ist eine hervorragenden Idee", lobte sie lachend, nahm ihren weiten Mantel von den Schultern und breitete ihn in der Sonne aus.
Dann kniete sie sich darauf, nahm Hardrich das Paket ab und wickelte es aus, während er sich breitbeinig neben den Mantel auf den Boden setzte und den Schlauch entkorkte. Gertraud fand Brot, Käse, Scheiben von kaltem Braten und einige kleine, rote Äpfel.
Sie breitete alles auf dem Lederbeutel aus und nahm dann den Becher, den Hardrich ihr reichte.
"Auf dass es uns nie schlechter geht als heute", sagte er nachdenklich und sie tranken.
Hardrich zerteilte mit seinem Messer grob den Käse und schnitt auch das Brot in große Stücke auf. In der linken Hand ein Stück Käse oder Fleisch, rechts ein Stück Brot saßen sie in der Sonne, aßen und schwiegen.
Doch es lag nichts Bedrückendes in diesem Schweigen. Er schenkte ihr nach, sie reichte ihm eine zusammengerollte Scheibe Braten. Es war eine vertraute Gelassenheit in ihren Gesten, die ohne Worte auskam. Er hatte sich im Gras ausgestreckt und lag auf der Seite auf einen Ellenbogen gestützt. Sie saß mit angewinkelten Knien auf dem Mantel, umfasste mit der Linken ihren Knöchel und stützte sich mit der rechten Hand seitlich ab.
Gedankenversunken in der friedvollen Stille des Augenblicks griff sie nach einem der glänzenden, rotbackigen Äpfel und reichte ihn Hardrich. Er streckte seine Hand aus, zog sie dann aber zurück und sah ihr in die Augen.
Schmunzelnd sagte er:
"Vielleicht sollte ich mich da doch lieber etwas vorsehen, Eva."
Sie lief bis über beide Ohren rot an.
Doch dann besann sie sich und erwiderte:
"Ihr glaubt wirklich, Eure Küche hätte Zugang zum Baum der Erkenntnis?"
"Gut pariert, Frau!", lachte er.
Sie bewarf ihn mit dem Apfel, er fing ihn auf, zögerte noch einen Moment und biss hinein. Dabei sahen sie sich lächelnd an.
"Du traust mir wohl gar nicht zu, dass ich gleich einfach so über dich herfallen könnte, was?", fragte er kauend und mit undurchdringlichem Blick.
"Das ist eine heikle Frage, denn was ich auch antworte, es scheint mir gefährlich. Traue ich es Euch nicht zu, laufe ich Gefahr, Euren männlichen Stolz zu verletzen und Euch geradezu dazu herauszufordern, mich eines Besseren zu belehren. Traue ich es Euch jedoch zu, stelle ich Eure ritterliche Tugend in Abrede, was mir auch nicht gut bekommen könnte. Das Sicherste scheint mir zu sein, der Frage auszuweichen und mich auf euer Wort zu berufen, dass mir unter Eurem Schutz nichts geschehen werde", sagte sie listig.
Er lachte und setzte sich auf. Gertraud packte langsam die Reste wieder zurück in den Lederbeutel und schnürte ihn zu.
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Die Tochter des Brauers
Romance"Ihr glaubt wirklich, Eure Küche hätte Zugang zum Baum der Erkenntnis?" "Gut pariert, Frau!", lachte er. Sie bewarf ihn mit dem Apfel, er fing ihn auf, zögerte noch einen Moment und biss hinein. Ein mittelalterlicher Roman. Um? Nun ja. Die Tochte...