Während der nächsten beiden Tage und Nächte blieben zumeist Simeon und Bredelin, an Hardrichs Seite. Sie wechselten die kühlenden Umschläge, strichen Salbe auf die Verbrennungen und reichten ihm zu Trinken an. Hin und wieder sah auch der Infirmar nach ihm.
War der Ritter bei Bewusstsein, hatte er Schmerzen.
Da war zum einen die großflächige Verletzung am Kopf. Dort fehlte die ganze rechte Ohrmuschel und auch ein handgroßes Stück der Haut. Antonios hatte die Stelle nicht verbunden, denn er fürchtete zu Recht, dass die Stoffstreifen mit dem offenen Fleisch verwachsen würden und und er sie nicht wieder würde entfernen können. Erst sollte alles abtrocknen und mit Schorf bedeckt sein.
In Hardrichs Schulter glühte die Entzündung, die die Pfeile hineingetragen hatten und sein Kopf dröhnte noch immer von der Erschütterung des Axthiebs. Das alles und auch der Wundschmerz der anderen Verletzungen waren ihm nur allzu gut bekannt. Von anderen Verwundungen in anderen Schlachten.
Doch hier kam der schwere Sonnenbrand hinzu, der ihn besonders quälte. Am ganzen Körper schälte sich die Haut in Fetzen ab. Darunter war alles roh und nässte. Die Berührung der feuchten Tüchern tat einerseits gut und war andererseits kaum zu ertragen. Jede Bewegung, die die Haut spannte, tat ihm weh, aber das stille Liegen war kaum besser, denn in keiner Position lag er nicht auf irgendeiner wunden Stelle. Und so sehnte er herbei, dass ihn Fieber und Erschöpfung gnädig wieder wegdämmern ließen.
Am Morgen des dritten Tages erneuerte Antonios die Verbände und stellte fest, dass die Schulter abschwoll und sich auch der tiefe Schnitt im Oberschenkel seines Patienten zu schließen begann. Zudem wurden die Zeiten, an denen der Mann bei Bewusstsein war, allmählich länger.
„Er kämpft sich tatsächlich zurück", dachte der Heilkundige und nickte zufrieden.
Je klarer von Avens Kopf wurde und je deutlicher er seine Umgebung wahrnahm, umso beharrlicher hüllte er sich in Schweigen. Denn der etwa gleichaltrige Bredelin, der wegen seiner wasserblauen Augen und der aschblonden, krausen Haare aus der Menge seiner Mitbrüder herausstach, lag ihm ständig mit Fragen nach seiner Herkunft und seinem Namen in den Ohren.
Wenngleich die Männer hier ihm offensichtlich das Leben gerettet hatten und gut versorgten, überwog beim Ritter doch noch immer das Misstrauen. Er hatte die fremde Sprache, in der die Männer redeten, immer mit Andersgläubigen, mit Feinden, in Verbindung gebracht. Und es verwirrte ihn anfangs, dass trotzdem ein Kreuz an der Wand hing und die Männer wie Mönche gekleidet waren. Und auch, dass einer seiner Pfleger deutsch sprach und genau zu wissen schien, dass er das verstand.
Erst nach und nach erschlossen sich ihm die Zusammenhänge.
Und zwar in erster Linie, weil Bredelin ein äußerst mitteilsamer Mensch war und ohne Unterlass redete.
Froh darüber, einen Landsmann vor sich zu haben, erzählte er von seinem Leben, wie es ihn auf einer Pilgerreise hierher verschlagen hatte, vom Kloster und wie er, Hardrich, halbtot hierher gebracht worden war.
Er war demnach in der Nähe dieses melkitischen Klosters an Land geschwemmt worden, eines christlichen Ordens nach byzantinischem Ritus, wenn er richtig verstanden hatte. Frauen hatten das Floß im Schilf liegen sehen und die Mönche zu Hilfe geholt, weil er durch das Kreuz auf seiner Brust als Christ zu erkennen gewesen war.
Es war am Ende also wohl doch ein Segen gewesen, dass er sich in Antiochia dazu hatte breitschlagen lassen, dieser elenden Tätowierung zuzustimmen. Die Erinnerung daran war ihm in den halbwachen, halb dösenden Stunden auf seinem Lager noch sehr gegenwärtig.
Wie auf allen Feldzügen war auch dort in Antiochia ein bunt gemischter Haufen Einheimischer aufgetaucht, um im Heerlager Geschäfte zu machen. Man konnte sich sein Hemd oder seine Stiefel flicken lassen, etwas zu essen, Lederfett, Schnur oder solcherlei Kleinigkeiten kaufen. Oder Gesellschaft je nach Geschmack.
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Die Tochter des Brauers
Historical Fiction"Ihr glaubt wirklich, Eure Küche hätte Zugang zum Baum der Erkenntnis?" "Gut pariert, Frau!", lachte er. Sie bewarf ihn mit dem Apfel, er fing ihn auf, zögerte noch einen Moment und biss hinein. Ein mittelalterlicher Roman. Um? Nun ja. Die Tochte...