Sie setzte sich über Hardrichs Verbot hinweg und erzählte ihnen alles. Es musste einfach heraus aus ihr.
Und so berichtete sie von den ersten Gerüchten, die sie von Marianne gehört hatte bis hin zu dem, was Bettina ihr persönlich gesagt hatte. Und von dem Erlebnis am Frühstückstisch mit Hardrich.
Und sie bemühte sich, sachlich und genau zu sein.
Als sie geendet hatte, lehnte sich von Trettin tief seufzend in seinem Sessel zurück und sagte gedankenvoll:
„So einer ist also der Herr de Allinge... Das ist tatsächlich schwer zu glauben. Ich mochte ihn. Obwohl mein lieber Rupert hier von Anfang an seine Bedenken gegen ihn hatte."
Erstaunt sah Gertraud den Jüngeren der beiden an.
Der sagte leise:
„Ich habe einmal miterlebt, wie er eine der Mägde drangsaliert hat, als er sich allein wähnte. Und wie viel Gefallen er daran fand, hat mich erschreckt. Es zeigt sich erst deutlich, was für ein Mensch jemand ist, wenn man sieht, wie er Untergebene behandelt und nicht Gleichgestellte oder Höherrangige."
„Ich weiß noch nicht, welche Schlüsse wir aus alledem ziehen sollten, aber zunächst einmal ist es gut, das alles zu wissen. Was meinst Du, Rupert?", wollte von Trettin wissen.
Der Angesprochen aber saß in Gedanken versunken da und antwortete nicht.
„Was grübelst Du?", fragte der Alte stirnrunzelnd.
Endlich sah Rupert auf und sagte nachdenklich:
„Mir geht dieser Name nicht aus dem Kopf. Ich weiß, dass ich ihn schon irgendwo einmal gelesen habe, aber mir fällt nicht ein in welchem Zusammenhang."
„Welcher Name? De Allinge?", fragte Gertraud verwirrt.
„Nein. Der Name dieser Stute", antwortete er.
„Meletay?"
„Genau. Und Du bist Dir auch ganz sicher, dass das Tier so hieß?", fragte er sie.
Gertraud besann sich einen Moment und antwortete:
„Ja. Ich fragte, ob dies ein dänischer Name sei und sie sagte „Ja". Und sie sagte, diese Fremden hätten alle solch eigentümlichen Namen."
Rupert schnaubte kopfschüttelnd und erwiderte:
„Das ist sonst was! Aber gewiss kein Dänisch."
„Das weißt Du besser als ich, Rupert, aber ich denke nicht, dass uns dieser hübsche Name irgendwie weiterhilft", wandte der Alte ein.
Er legte Gertraud beruhigend die Hand auf die Schulter und sie griff danach und drückte sie dankbar.
„Hardrich wird ungehalten sein, dass ich darüber gesprochen habe, aber ich bin froh, dass ich es mir von der Seele reden konnte", sagte sie niedergeschlagen.
Er nickte verständnisvoll und sagte dann bedauernd:
„Ich wünschte wirklich, ich könnte den Mann Dir zuliebe einfach fortschicken. Aber der Markgraf hat ihn persönlich eingesetzt. Er mag ein grausamer Mensch sein und ich hege keinen Zweifel an Deinen Worten, aber wir haben nichts in der Hand, das belegt, dass er eine Schuld am Tod seiner Frau trägt."
Sie nickte.
„Ja, ich weiß", murmelte sie beklommen, „Ach... Jetzt ist er ja auch erst einmal einige Tage fort."
Es war schon spät. Sie lächelte müde, packte ihr Schreibzeug zusammen, erhob sich und wünschte eine gute Nacht.
Als sie gegangen war, setzten sich die beiden Männer wieder ans Feuer. Rupert holte sein Glas hervor und schenkte noch einmal nach.
Eine Weile saßen sie sich stumm gegenüber bis Rupert sich vorbeugte und leise sagte:
„Selbst wenn Du wolltest, könntest Du ihn nicht loswerden, Reno."
„Das ist mir vollkommen klar!", schnappte sein Gegenüber ärgerlich zurück.
Dann ächzte er und fuhr versöhnlich fort:
„Aber das wollte ich ihr nicht so deutlich sagen. Sie fürchtet sich und das bricht mir das Herz, Rupert. Das soll sie nicht! Großer Gott, das Kind ist mir anvertraut und sie ist mir lieb wie mein eigen Fleisch und Blut. Ich hatte kurz daran gedacht, sie nach Rettow zu schicken. Aber dort wäre sie ganz ohne Schutz. Und Du weißt selber, im Winter ist das alte Gutshaus nicht gerade behaglich. Einmal davon abgesehen, dass wir dort auch keine tüchtige Hebamme haben. Nein. Im Moment können wir nur hoffen, dass wir uns hier alle weiterhin vertragen. Und die kleine Hildegard steht im Grunde bereits jetzt schon unter von Walows Schutz. An die zumindest wird er sich nicht heranwagen."
„Das wird den Mägden hier nicht viel nutzen, fürchte ich...", bemerkte Rupert bitter.
„Und was schlägst Du vor, dass ich tue?", brauste der Alte auf.
„Sprich mit von Walow. Der kann ihn schassen", antwortete Rupert eindringlich.
Reno von Trettin rollte mit den Augen.
„Und was soll ich ihm sagen? Sören de Allinge mag nicht der gutmütige, lustige Mensch sein, für den ich ihn gehalten habe. Und die unbarmherzige Gangart gegenüber seiner jungen Frau mag uns hundert Mal nicht gefallen, aber sie geht uns im Grunde nichts an! Das weißt Du so gut wie ich! Er kommt seinen Aufgaben hier untadelig und umsichtig nach und wir sind auf den Schutz durch seinen Leute angewiesen. Auch wenn es mir zuwider ist. Das einzige, was wir tun können, ist, ihn mit dem Wissen, das wir jetzt haben, im Auge zu behalten. Mehr nicht."
Er seufzte und nahm einen Schluck Wein.
„Bisher bin ich gut mit ihm ausgekommen und nur Gott vermag wirklich in sein Herz zu schauen. Vielleicht täuschen wir uns alle in ihm und alles läuft weiterhin friedlich und ohne Reibereien."
Rupert lächelte nachsichtig.
„Du bist ein unverbesserlicher Schönseher, mein lieber Reno", erwiderte er weich.
„Ich bin alt. Alt und machtlos. Und Du bist ein unverbesserlicher Schwarzseher", murmelte von Trettin.
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Die Tochter des Brauers
Narrativa Storica"Ihr glaubt wirklich, Eure Küche hätte Zugang zum Baum der Erkenntnis?" "Gut pariert, Frau!", lachte er. Sie bewarf ihn mit dem Apfel, er fing ihn auf, zögerte noch einen Moment und biss hinein. Ein mittelalterlicher Roman. Um? Nun ja. Die Tochte...