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Hardrich stand dort wie zu Stein erstarrt, unfähig zu einer Bewegung. Jedes Mal, wenn es in seiner Schale klapperte, murmelte er einen Dank. Und litt Qualen.

Am Ende hatte er neben dem kleinen Silberling, fünf kupferne Dirhem und einen Groschen mit byzantinischer Prägung bekommen.

Jean kam herüber und lugte in Hardrichs Schüssel.

„Na, das müssen wir aber noch üben", sagte er und ließ ihn einen Blick auf die eigene Ausbeute in seinem Hut werfen.

Gut dreimal soviel.

„Was ist? Hast Du einen Geist gesehen? Na, komm! Ich geb' einen aus", sagte er.

Damit klopfte er ihm aufmunternd auf die Schulter und der Ritter, wie betäubt von der bitteren Schmach dieser Erfahrung, ließ sich mit zu einer Schänke ziehen. Später saßen sie auf Schemeln vor einem Ausschank und Hardrich betrachtete die fremden Münzen von Nahem. Er hatte schon Dirhem gesehen. Arabische Geldstücke mit verschlungenen, fremdartigen Zeichen darauf, die im ganzen Gebiet in Umlauf waren. Aber seit Konstantinopel, wo er noch mit seinem persönlichen Geld in Wirtschaften und im Badehaus bezahlt hatte, war er gar mehr dazu gekommen, selber irgendwo Bargeld zu nutzen. Als sie danach wieder unterwegs gewesen waren, hatte er nötige Besorgungen nur noch angewiesen und im Lager seine Mahlzeiten eingenommen.

Er hielt einen Dirhem zwischen Daumen und Zeigefinger und fragte:

„Was sind die wert? Ich meine... Was bekomme ich für einen von diesen?"

„Mon dieu, Conrad! Wie hast Du's nur ohne meine Hilfe bis hierher geschafft? Wie kommt es, dass Du so 'was nicht weißt?", antwortete sein Begleiter argwöhnisch.

Doch der Ritter schwieg.

Jean sah ihn forschend über seinen Becherrand hinweg an, beantwortete dann aber seine Frage.

„Also gut. Pass auf. Ein Brot bekommst Du fast überall für zwei Kupferstücke. Der Byzantiner ist bisschen mehr wert. Und für das Silber bekommst Du schon zwei ordentliche Mahlzeiten, trinkbaren Wein dazu und eine nicht ganz hässliche Hure für die ganze Nacht."

Der Franzose hatte sich bereits in der Kirche nach der örtlichen Pilgerunterkunft erkundigt und beide machten sich wenig später auf den Weg dorthin. Sie schlenderten durch den kleinen Ort und sein Begleiter ließ den Blick dabei über Häuser, Gärten und Ställe schweifen.

Die Unterkunft stellte sich als alte Scheune am Ortsrand heraus. Der Schuppen war fensterlos und düster und der nackte Erdboden mit muffigem Stroh ausgelegt. Dort gab es eine dünne Suppe für alle und Hardrich teilte sich dazu einen seiner verbliebenen Brotfladen mit Jean, da dieser wie versprochen die Zeche in der Schenke beglichen hatte.

Mit einem Zwinkern riet dieser ihm noch, seinen Beutel unter Hemd und Kutte zu tragen, während er schlief. Dann suchten sie sich einen Platz im Stroh. Jean blieb nahe der Tür, während Hardrich lieber die Wand im Rücken hatte und sich in einer der Ecken niederlegte.

Es wurde eine unruhige Nacht. Da war bis spät noch Kommen und Gehen, Gemurmel und Husten, Furzen und Schnarchen. Im Stroh raschelte das Ungeziefer und die Luft war bald geschwängert von allerlei üblen Gerüchen und Ausdünstungen der vierzehn ungewaschenen, verschwitzten Leiber. Nicht nur einmal dachte Hardrich, dass er unter freiem Himmel zwar kälter, aber insgesamt wohl angenehmer schliefe. Und sich mit weniger Flöhen, Wanzen und Läusen gemein machte.

Irgendwann war er dann aber doch eingeschlafen und erwachte vom Glockengeläut in der Frühe. Er sah sich suchend nach dem Franzosen um, aber im allgemeinen Durcheinander des Aufbruchs war der nirgends zu entdecken.

Die Tochter des BrauersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt