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Der Schecke scheute kurz, als sich Wichard den Ruinen des Herrenhauses näherte. Als ob der kalte Rauch des Feuers noch immer in der Luft hinge.

„Ruhig, Junge", murmelte Wichard und sah sich um.

Nachdem er seit einer Woche erfolglos durch die Wälder gestreift war, in denen er die Aufständischen vermutete, hatte er sich als heutiges Ziel den von den Dänen niedergebrannten Landsitz der Familie von Meez gewählt.

Wie immer trug er sein Schwert verborgen auf den Rücken gebunden und die schlichten Kleider eines Landedelmannes, denn falls er wider Erwarten an eine Patrouille geraten sollte, wollte er sagen können, er sei unterwegs, um zu versuchen, noch irgendwo Saatgut zu kaufen.

Daher ritt er auch das unscheinbare Pferd seines Bruders. Sein eigenes, prachtvolles Tier wäre erheblich zu auffällig gewesen.

Einmal hatte er von ferne einen Trupp Bewaffneter in schnellem Trab in Richtung der Stadt reiten sehen, aber ansonsten war ihm auf seinen Erkundungsritten keiner der Dänen begegnet.

Nun umrundete er langsam das gesamte Anwesen und hielt dabei die zunehmend verfallenden Nebengebäude und den Waldrand im Auge. Alles schien verwaist und nur das fast schon aufdringlich laute Singen der Vögel war zu hören. Trotzdem wurde er das unangenehme Gefühl nicht los, schon auf dem Weg hierher beobachtet worden zu sein.

Als er um die letzte Ecke bog, sah er einen Mann in Kapuzentunika, der entspannt auf einem Mauervorsprung saß und ihm entgegen blickte. Er hatte einen leichten Buckel, war aber kräftig und breitschultrig.

Waffen schien er nicht zu tragen – zumindest keine, die von Dühring sehen konnte – doch wie ein Bauer kam er ihm auch nicht vor.

Gemächlich ritt Wichard näher.

Der Mann zeigte keinerlei Unterwürfigkeit oder Scheu vor dem Berittenen, der auf ihn zukam. Und Wichard dachte voll Unbehagen, dass das in unsicheren Zeiten wie diesen eigentlich nur daher rühren konnte, dass er selber sich gerade im Visier nicht nur einer Pfeilspitze befand.

Genauso wie er vor gar nicht allzu langer Zeit aus dem Hinterhalt heraus auf Rupert angelegt hatte.

Auch sein Pferd spürte die Anspannung, denn es begann, nervös zu tänzeln und Wichard nahm sich die Zeit, es zu beruhigen bevor er weiter ritt.

Als er nahe genug heran war, dass der Bucklige seine Gesichtszüge erkennen konnte, musterte der ihn stirnrunzelnd. Dann hob er plötzlich überrascht die Brauen und Wichard konnte fast sehen, wie es hinter seiner Stirn zu arbeiten begann. Der Mann erkannte ihn offensichtlich.

Darauf hatte von Dühring gehofft.

Den märkischen Männer unter Waffen musste seine Erscheinung vertraut sein. Im Gegensatz zu den allermeisten Dänen. Nur de Allinge selber und ein, vielleicht zwei, seiner Leute kannten ihn von Angesicht zu Angesicht noch aus der Zeit, da Wichard in Diensten des Markgrafen gestanden hatte.

Und da er annahm, dass es sich bei den Rebellen um Männer aus von Meez' Wachmannschaft handelte, müsste man ihn also erkennen und wissen, auf wessen Seite er stand.

Er grüßte mit einem knappen Nicken und wartete ab. Beide musterten sich eine Weile stumm.

„Sagt mir Euren Namen!", rief der Fremde schließlich.

„Warum sollte ich? Du kennst mich", erwiderte Wichard ungerührt.

„Und was wollt Ihr hier?", kam die nächste Frage.

„Nun? Was könnte ich wohl wollen? Hier, wo dankenswerterweise der Widerstand gegen das Verräterpack begonnen hat", fragte von Dühring zurück.

Die Tochter des BrauersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt