Das Heer hielt sich nicht lange bei Nicäa auf. Alles war vorbereitet und die Männer ausgeruht. Jeder weitere Tag Verzögerung kostete sie Proviant, der unterwegs fehlen würde.
Man hatte bereits in Konstantinopel über das weitere Vorgehen entschieden und die Streitmacht teilte sich wieder in mehrere große Verbände auf.
Es war unmöglich mit dem gesamten Heer im Pulk durch das Gebirge vor ihnen zu gelangen. Die Pfade würden bald immer schmaler werden und auch Wasser und Verpflegung abzugreifen, wäre dann nur noch den vorderen Truppen möglich. Die zuletzt marschierenden Männer hätten so stets das Nachsehen.
Zwar waren sie in kleinerer Heeresstärke unterwegs angreifbarer als im Gesamtverband, aber ihre prekäre Versorgungslage machte dies Vorgehen notwendig.
Auch Hauptmann Kastor, von Treburs militärischer Berater, meinte:
„Anders geht es nicht. Ich kenne die Gegend. Wir werden so schon zu tun haben, zügig durchzukommen."
Bei Tarsos wollte man dann wieder zusammentreffen und in der ebenen Küstenregion gemeinsam durch armenisches Gebiet Richtung Antiochia marschieren.
Hardrich hatte im Stillen mit Widerstand von Raimund und Ferdinand gerechnet, aber die beiden waren die ersten, die sich mit der Aufteilung einverstanden erklärten, was ihn ein wenig wunderte. Er hatte erwartet, dass sie ihm nach seiner Entscheidung, Edessa aufzugeben, den einen oder anderen Stein in den Weg legen würden. Aber er hatte sich anscheinend in ihnen getäuscht und war froh, dass sie sich so rasch einig waren.
Man hatte zunächst Schwierigkeiten, ortskundige Führer anzuwerben. Niemand wollte freiwillig mit ihnen unterwegs sein. Erst nach einigem nachdrücklichen Waffenrasseln war das am Ende gelungen.
Dann zogen sie los.
Hardrich diesmal im Verband mit Kuno und Carolus auf der längsten und westlichsten Route. Die anderen Verbände weiter östlich und auf etwas direkterem Wege.
Gotthilf, der auf der mittleren, kürzesten Strecke unterwegs war, erreichte nach einer Woche Doryläum. Sie passierten die Stadt geradewegs und erzwangen den Kauf aller Lebensmittel, deren sie habhaft werden konnten.
Am nächsten Morgen suchte Hauptmann Kastor den Heerführer auf.
„Der Byzantiner ist verschwunden", berichtete er knapp und strich sich über den grauen Bart.
Die Männer wechselten einen finsteren Blick.
Es war kein gutes Zeichen, dass der Einheimische, der sie bisher geführt hatte, bei Nacht und Nebel verschwunden war.
„Wurde ihm wohl zu heikel... und es ist ja nicht so, als wüssten wir das nicht auch", sagte von Trebur und ächzte.
Sie beschlossen, die Wachen ab nun zu verdreifachen und als Kastor gegangen war, sah Gotthilf seufzend gen Westen.
„Pass auf Dich auf", murmelte er und setzte in Gedanken „Mein Sohn" daran.
Auch Hardrichs Verband zog inzwischen ohne Ortskundige und in erhöhter Alarmbereitschaft weiter. Sie orientierten sich anhand mehrerer Karten und der Himmelsrichtung und kamen gut voran.
Zehn Tage vergingen, ohne dass irgendetwas Nennenswertes geschah. Es war so friedlich, dass Carolus schon meinte, eigentlich könne man einen Jagdausflug ins Auge fassen.
Das Land um sie her war bedeckt mit trockener Strauchheide und lichten Nadelwäldern, hartem Dornengestrüpp und niedrigen Steineichen. Tagsüber wurde es jetzt bereits sehr warm und die Männer in ihrem Rüstzeug gerieten ordentlich ins Schwitzen.
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Die Tochter des Brauers
Historical Fiction"Ihr glaubt wirklich, Eure Küche hätte Zugang zum Baum der Erkenntnis?" "Gut pariert, Frau!", lachte er. Sie bewarf ihn mit dem Apfel, er fing ihn auf, zögerte noch einen Moment und biss hinein. Ein mittelalterlicher Roman. Um? Nun ja. Die Tochte...