Obwohl er völlig ohne belastendes Marschgepäck unterwegs war, konnte er das mit Elan eingeschlagene Anfangstempo nicht lange halten. Die Luft wurde ihm knapp und die Beine schwer. Er wollte es nicht recht wahrhaben, aber er würde es langsamer angehen lassen müssen. Noch war er nicht völlig wiederhergestellt.
Außerdem machte ihm das barfüßige Laufen auf der steinigen Landstraße mehr zu schaffen, als er angenommen hatte. Seit er denken konnte, hatte er erstklassiges Schuhwerk getragen. Und es war etwas völlig anderes sich ohne Schuhe auf gefegten Gängen und in den sauberen Stuben des Klosters zu bewegen, als hier draußen.
Er wusste, seine Füße würden sich mit der Zeit ans Barfußlaufen gewöhnen und abhärten. Aber soweit war es nicht und er sah sich gezwungen, darauf zu achten, wohin er trat.
Als er ein Gehöft am Wegesrand passierte, kamen plötzlich drei große Hunde laut bellend auf ihn zugestürmt. Es war nicht ganz klar, ob sie wirklich auf eine Konfrontation aus waren, doch Hardrich war nicht bereit, es darauf ankommen zu lassen. Mit Gebrüll und gezielten Steinwürfen hielt er sich die Kläffer vom Leibe und wurde sich dabei seiner geschmälerten Wehrhaftigkeit bewusst.
Und seines Ungeschütztseins.
Keine Rüstung. Nicht einmal ein festes Lederwams oder vernünftige Beinkleider. Kein ordentliches Paar Stiefel, um gefahrlos einen saftigen Tritt auszuteilen. Keinen Helm. Und keine Klinge.
Nicht einmal ein winziges Tischmesser.
Im nächsten Waldstück suchte er sich als erstes einen soliden Stock. Als Wanderstab. Und als behelfsmäßige Waffe.
Danach fühlte er sich deutlich besser.
Auf der Straße, die weiterhin in Sichtweite des Sees Richtung Süden verlief, war heute allerhand Betrieb. Reisende, Eselkarren und Viehtreibern. Auch eine kleine Gruppe von Pilgern kam ihm entgegen. Gut gelaunt grüßten sie ihn auf Griechisch und er hob kurz die Hand in Erwiderung. Dies war eine übliche Pilgerroute und sein Anblick, selbst so abgerissen wie er aussah, war nichts, das irgendwen aufmerken ließ. Zwei arabisch sprechende Bewaffnete in Uniform überholten ihn zu Pferde. Kurz beschleunigte sich sein Herzschlag. Er packte seinen Holzstock fester und bemühte sich, etwas gebückter zu gehen.
Doch die beiden würdigten ihn keines Blickes.
Am frühen Nachmittag erreichte er ein Dorf und beschloss, dort zu rasten. Er besaß keinen Wasserschlauch, aber Bredelin hatte ihm versichert, in den Ortschaften entlang des Weges gäbe es ausreichend Wasserstellen. Trinkwasser war also nichts, worüber er sich vorerst sorgen musste.
Er fand den Brunnen des Örtchens. Ein schlichter rund gemauerter, gut kniehoher Schacht, auf dessen Rand ein Holzeimer mit Seil stand.
Der Ritter hatte so gut wie nie irgendwo selber Wasser geschöpft, doch der Eimer war rasch hinabgelassen und gefüllt. Dann allerdings vermisste er ein Gefäß, das er zum Trinken benutzen konnte. Kurzerhand wuchtete er den Eimer in die Höhe und goss sich davon direkt in den Mund und notgedrungen über Gesicht und Oberkörper.
Danach war er klitschnass, aber der Tag war heiß und die kleine Abkühlung nicht unwillkommen.
Nachdem er seinen Durst gestillt hatte, setzte er sich in den Schatten eines Hauses und besah sich den Inhalt des Beutels genauer.
Drei kleine Brotfladen, der Käse, den Bredelin ihm noch mitgegeben hatte und genau zwölf Datteln. Das war nicht viel. Im Grunde hätte er alles leicht bis heute Abend aufessen können.
Nie und nimmer würde es fünf oder sechs Tage reichen.
Er, Markgraf Hardrich von Aven, Ritter des Königs, würde über kurz oder lang um Almosen bitten müssen, um nicht zu verhungern. Und wahrscheinlich war es besser, er fing bald damit an und wartete nicht, bis der Beutel ganz leer war, dachte er verdrießlich.
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Die Tochter des Brauers
Fiksi Sejarah"Ihr glaubt wirklich, Eure Küche hätte Zugang zum Baum der Erkenntnis?" "Gut pariert, Frau!", lachte er. Sie bewarf ihn mit dem Apfel, er fing ihn auf, zögerte noch einen Moment und biss hinein. Ein mittelalterlicher Roman. Um? Nun ja. Die Tochte...