"Gut. So höre denn, wie mir der schreckliche Ritter zum ersten Mal begegnete."
Von Trettin seufzte und lehnte sich zurück. Sein Blick verlor sich im rauchgeschwärzten Gebälk der Decke und er fuhr leise und bedächtig fort.
"Wir begaben uns schließlich auf den Rückweg, aber mein Begleiter war um einige Jahre älter als ich und schlug vor, auf der gelben Terrasse ein wenig zu rasten. Ich willigte gerne ein, und wir fanden schließlich eine versteckte Bank auf der gelben Terrasse, just oberhalb des Kreuzes. Wir hatten gerade fünf Minuten dort gesessen, da merkte ich, dass mein Freund, zurückgesunken auf der Bank, selig schlief. Auch mich machte der Frieden und die warmen Sonnenstrahlen schläfrig, aber plötzlich hörte ich schwere Schritte rasch näherkommen. Jemand stieg, ohne uns zu bemerken, zur Rosenterrasse hinab. Für ein paar Augenblicke sah ich ihn, bevor er auf der Terrasse unter uns verschwand. Ungeheuer groß erschien er mir, mit schwerem Harnisch, wie für eine Schlacht angetan, den Helm auf dem Kopf. Das musste Hardrich von Aven sein! Kein anderer würde zu dieser Zeit, an diesem Ort so erscheinen. Was tun? Sollte ich meinen Begleiter wecken und rasch diesen Platz verlassen? Aus irgendeinem Grund fürchtete ich mich vor meinem zukünftigen Herrn. Er war so wild und dieser Helm, den er niemals ablegte und der den freien Blick in seine Augen versperrte! Wie allen anderen machte mir sein Anblick Angst. Ich konnte mich nicht rühren. Im nächsten Augenblick sah ich ihn unter mir ans Kreuz treten. Wenn er sich jetzt umdrehte und aufsah, würde er uns entdecken! Mein Herz raste. Ich betete, der Schläfer neben mir möge nicht anfangen, laut zu schnarchen oder gerade jetzt aufwachen. Hardrich legte langsam sein Schwert ab, fiel vor dem Kreuz auf die Knie und begann, zu Gott zu sprechen. Und obwohl er den Helm nicht abnahm und ich die Worte, die er sprach, nicht verstehen konnte, rührte doch die Inbrunst seiner Stimme mein Herz! Trotz des Schmerzes, den er in seinem jungen Leben erfahren musste, hat er nicht mit Gott gehadert, sondern ist ein tief gläubiger Mann! In diesem Moment schwor ich mir im Stillen, ihm immer treu zur Seite zu stehen. Was die Leute auch erzählen mochten, ich würde keinem der einfältigen Gerüchte mehr Glauben schenken. Ich wusste noch nicht, dass ich schon anderntags Gelegenheit bekommen würde, meinem Schwur nachzukommen, denn ich sollte auch seine andere, seine dunkle Seite kennenlernen!"
Hier schwieg der alte Herr und leerte den Becher. Es war spät geworden. Die letzten Gäste zahlten gerade bei Meister Kerner die Zeche und machten sich lautstark auf den Heimweg.
Auch der Gutsherr streckte und erhob sich, fischte ein Geldstück aus der Tasche und gab es Gertraud.
"Den Rest der Geschichte heben wir uns für einen anderen Abend auf. Und denk an dein Versprechen. Gute Nacht, mein Kind."
Gertraud begleitete ihn zur Tür und verabschiedete sich:
"Gute Nacht und vielen Dank!".Dann räumte sie die leeren Becher zusammen und wischte die Tische ab. Ausfegen würden sie morgen früh. Ihr Vater hatte bereits die Tür verschlossen, die Kerzen bis auf zwei gelöscht und die Glut im Kamin zusammengeschoben, damit kein unglücklicher Funke des Nachts auf die hölzernen Dielen springen konnte. Er gähnte, nahm eine der Kerzen und wünschte seiner Tochter eine gute Nacht. Bevor auch Gertraud mit ihrem Licht in der Hand in ihre Kammer ging, sah sie noch nach der Großmutter, die immer noch fest schlief und schwer atmete.
Obwohl es ein anstrengender Tag gewesen war, konnte sie lange nicht zur Ruhe kommen, und in ihre Träume mischten sich die Bilder des Gehörten. Sie sah sich in einem tiefen Wasser treiben, das über und über mit Rosenblättern bestreut war.Am nächsten Morgen wachte sie zerschlagen auf, als ihre kleine Schwester zu ihr ins Bett gekrochen kam. Sie kuschelte sich an sie und schlief sofort wieder ein. Gertraud küsste sie auf die Stirn und hielt sie im Arm. Dabei wurde ihr das Herz seltsam schwer. Wenig später hörte sie Grete in der Küche hantieren und mit Sine zetern, und es war höchste Zeit zum Aufstehen. Sie löste sich aus Rikes Arm, wusch sich leise in der großen Schüssel und kleidete sich rasch an. Gertraud ließ die Kleine weiterschlafen, schloss vorsichtig die Tür hinter sich und klopfte an die Kammertür der Jungen.
Paul ließ ein verärgertes "Ja doch!" hören.
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Die Tochter des Brauers
Ficción histórica"Ihr glaubt wirklich, Eure Küche hätte Zugang zum Baum der Erkenntnis?" "Gut pariert, Frau!", lachte er. Sie bewarf ihn mit dem Apfel, er fing ihn auf, zögerte noch einen Moment und biss hinein. Ein mittelalterlicher Roman. Um? Nun ja. Die Tochte...