Die Hebamme hatte sie gewissenhaft abgetastet und zweifelsfrei bestätigen können, was Gertraud bereits eine ganze Weile vermutete.
Sie war tatsächlich schwanger.
Ihre letzte Monatsblutung hatte sie ja noch während ihrer furchtbaren Rückreise vom Königshof gehabt und das lag nun schon fast vier Monate zurück zurück. Ihr Leib rundete sich bereits ganz leicht und ihre Brüste spannten.
Gemeinsam mit der Hebamme errechneten sie, dass sie das Kind vermutlich in der Nacht nach ihrer Heimkehr empfangen haben musste. Damit würde es gegen Ende Februar geboren werden. Im tiefsten Winter. Während sein Vater so unvorstellbar weit fort sein würde. Die Markgräfin seufzte tief.
Die Hebamme erriet ihre Gedanken und sagte mit leichtem Vorwurf in der Stimme:
„Vielleicht tröstet es Euch zu wissen, dass Ihr nicht die einzige Mutter in der Stadt seid, die allein sein wird."
„Verzeiht! Ihr habt recht, Frau Holm. Wie gedankenlos von mir! Ich habe beileibe keinen Grund, zu jammern", antwortete Gertraud beschämt.
Sie würde mit Sicherheit nicht hungern und frieren müssen. Sie hatte ihren Ziehvater an ihrer Seite und konnte jederzeit die Hilfe eines Heilers in Anspruch nehmen. Diese Kind in ihr würde in das reichste und sicherste Zuhause der ganzen Mark geboren werden. Geliebt und geborgen. Und gemeinsam würden sie beide Hardrichs Rückkehr erwarten.
Und mit einem Mal freute sie sich unbändig und von Herzen auf dieses Kind. All die letzten Wochen in denen sie die Schwangerschaft wohl erahnt, aber noch keine Gewissheit darüber gehabt hatte, war ihr das nicht vorbehaltlos gelungen. Die offenen Worte der Hebamme hatten ihr die Augen geöffnet. Und sie war ihr dankbar dafür.
Margret Holm sah wohl, was in ihr vorging, ergriff ihre Hände und lächelte die junge Markgräfin mütterlich an.
„Gott segne Euch, Frau von Aven. Ihr habt ein verständiges Herz."
Dann belehrte sie die Schwangere über alles, was diese wissen musste.
Vieles davon hatte Gertraud schon von einigen ihrer Freundinnen im Dorf gehört, aber nun, da es sie selber und ihr Ungeborenes betraf, prägte sie sich alles ganz genau ein.
Was sie essen und was sie meiden sollte. Ruhe und Schonung. Was bei der Geburt vorhanden sein sollte und vieles mehr. Gertraud nickte zu allem.
Bis die Hebamme zum Schluss kam und sagte:
„Und natürlich muss der eheliche Verkehr ruhen, bis das Kind geboren ist. Besser noch, bis es abgestillt ist. Sagt das dringend Eurem Mann, denn der Markgraf wird sicherlich seinen Erben nicht gefährden wollen."
Gertraud schluckte und musste wohl recht betrübt drein geschaut haben, denn die Hebamme schmunzelte und fragte mit recht unverhohlener Neugier:
„Ihr seid Eurem Gemahl wahrhaftig geneigt, was? Das hatte Albertinus seinerzeit schon angedeutet, aber ich habe es, ehrlich gesagt, nicht geglaubt damals. Oh, versteht mich bitte nicht falsch, hohe Frau! Selten ging es dem Land so gut und er sorgt für den Frieden, wie kein zweiter vor ihm. Aber er selber... als Mensch. Als Mann. Dieser entsetzliche Jähzorn! Seit ich Euch kurz traf nach der Hochzeit, habe ich so oft an Euch denken müssen. Und mich gefragt, wie es wohl sein mag, tagtäglich Tisch und Bett mit diesem Manne zu teilen. Wisst Ihr...
Manchmal wird bei Gerichtsverhandlungen meine Meinung eingeholt. Und wenn der Markgraf bei Gericht selber den Vorsitz führt, werde ich dort in seinem Beisein befragt. Bei Kindstötungen zum Beispiel. Und ich kann Euch sagen... Selbst mir als gestandenen Frau macht er Angst. Mir schlägt das Herz jedes Mal bis zum Halse, wenn er nur im gleichen Raume ist. Früher, als er noch diesen furchtbaren Helm trug und man seine Augen darunter glitzern sah, aber sie nicht wirklich erkennen konnte, war es noch schlimmer", gestand sie.
Die Markgräfin lächelte verlegen.
„Gebt nichts auf die Gerüchte, Frau Holm. Er ist mir ein guter Mann. Und, ja, wir sind einander zugetan. Sehr sogar", antwortete Gertraud.
„Das freut mich von ganzem Herzen. Es ist wahrlich ein Segen, dass er Euch hat, Frau von Aven. Und das sage ich nicht nur so dahin. Fragt in der Stadt wen Ihr wollt! Jeder wird Euch das bestätigen. Er ist gefälliger gesinnt seit Ihr bei ihm seid und auch diese Kappe, die er nun trägt, macht den Umgang mit ihm so viel... ja... alltäglicher. Euer Kind wird mit Sicherheit ein Junge. Kaum Morgenübelkeit. Und wie schrieb uns die weise Hildegard von Bingen?
„Wenn ein Mann mit dem Erguss eines kräftigen Samens in rechter Liebe und Zuneigung zum Weibe sich diesem naht und das Weib zur selben Stunde ebenfalls die rechte Liebe zum Manne empfindet, so wird ein männliches Kind empfangen, weil dies so von Gott angeordnet ist. Dieser Knabe wird klug und reich an Tugenden werden, weil er empfangen wurde mit kräftigem Samen und bei der richtigen gegenseitigen Liebe und Zuneigung." Recht so, recht so!", erwiderte die Hebamme frohen Mutes.
Den ganzen Rückweg über gingen der Markgräfin diese Worte nicht aus dem Kopf.
Ein Knabe. Klug und reich an Tugenden. Es war ihr, als ob sie auf Wolken ginge und das Lächeln wollte nicht aus ihrem Gesicht weichen. Bisher hatte sie Hardrich nichts von ihrer Vermutung wissen lassen, denn er hatte den Kopf mit so vielen anderen wichtigen Dingen voll und sie fürchtete seine Enttäuschung, falls sie sich irren sollte. Aber jetzt, wo sie Gewissheit hatte, konnte sie es kaum erwarten, die gute Nachricht mit ihm zu teilen.
Ein Kind. Ein Sohn und Erbe!
Sie saß stundenlang in einer der Fensternischen der Bibliothek und wartete auf die Rückkehr der Jäger.
Das Lautenspiel vertrieb ihr die Zeit. Inzwischen beherrschte sie das Instrument recht gut. Nie hätte sie es früher für möglich gehalten, dass es so erfüllend sein würde, ihre Stimmung in der Musik wiedergeben zu können. Und so griffen ihre Finger, ohne dass sie darüber nachdenken musste, die Saiten und beschwingte Melodien flossen nur so daraus hervor.
Sie hatte nachgesehen, welche Namenstage zur Zeit der errechneten Niederkunft lagen. Es waren Matthias, Jordan und Sebastian und sie fragte sich, ob bei der Namenswahl in einem Adelshaus darauf zurückgegriffen würde. Und so schwelgte sie in Gedanken an dieses kleine Wesen in sich, während sie in den spätsommerlichen Abendhimmel blickte.
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Die Tochter des Brauers
Historical Fiction"Ihr glaubt wirklich, Eure Küche hätte Zugang zum Baum der Erkenntnis?" "Gut pariert, Frau!", lachte er. Sie bewarf ihn mit dem Apfel, er fing ihn auf, zögerte noch einen Moment und biss hinein. Ein mittelalterlicher Roman. Um? Nun ja. Die Tochte...