Etwa sechs Wochen später stieg Oq gemessenen Schrittes die letzten Stufen empor, hinauf zum Flur, der zu den vormals markgräflichen Gemächern führte.
Zwei Bewaffnete bewachten den Zugang. Sie standen in seinem Weg, doch der weiße Hexer sah die Männer lediglich wortlos an, bis diese von selber zurückwichen und ihn passieren ließen. Oq grinste freudlos.
Niemand hielt dem bedrohlichen Starren seiner geisterhaften Augen lange stand. Er hatte dies über die Jahre vervollkommnet und wusste genau, wie sehr schlichte Gemüter seinen bösen Blick fürchteten.
Es war lachhaft, aber er wusste es zu nutzen.
Weiter hinten im Gang stand ein verängstigter Page. Mit einem ungeduldigem Nicken wies Oq zur Tür und der Junge beeilte sich, nach einem zaghaften Klopfen hineinzuschlüpfen und seinem Herrn den Besucher zu melden.
Der Albino hörte ein Grunzen und dann ein paar unverständliche Worte, die gewechselt wurden, dann bat ihn der Junge unterwürfig hinein und schien unendlich erleichtert, seine Aufgabe ohne Zwischenfall erfüllt zu haben.
Oq trat ein.
Der Raum war abgedunkelt, die Luft übelriechend und de Allinge nirgends zu sehen. Von nebenan drang das herzzerreißende Schluchzen einer Frau an sein Ohr. Der weiße Alchimist ächzte unterdrückt.
Nicht dass er sonderlich Mitleid mit dem armen Wesen hatte, das es heute getroffen hatte. Aber das Jammern ging ihm auf die Nerven. Des öfteren hatte er dem Dänen bereits ein Elixier angeboten, das die Frauen gefügig gemacht hätte. Doch de Allinge hatte nur gelacht. Ein hämisches, irres Lachen, das selbst ihm, dem Oq Zahar, einen Schauer über den Rücken jagte.
„Damit sie tut, was ich will? Wo bleibt denn da der Spaß?", hatte er als Antwort bekommen.
Jetzt öffnete sich die Tür zum Schlafgemach und der dänische Anführer kam herein. Mit nacktem Oberkörper hantierte er schwerfällig am Gürtel seiner Beinkleider. Er war fett geworden in den letzten Monaten.
Fett und träge.
Wie ein gemästetes Schwein, dachte Oq verächtlich.
Die kleinen, wasserhellen Augen lagen tief im aufgedunsenem Gesicht. Er kratzte sich den Wanst, gähnte und warf sich in einen Lehnstuhl.
Auf dem Tisch vor ihm stand ein Krug und einige Becher. Der Däne schenkte sich ein, bot seinem Gast aber nichts an. Gierig stürzte er den Wein hinunter, wobei ihm ein Rinnsal aus dem Mundwinkel, durch den Bart hindurch und den Hals hinab lief.
Dann unterdrückte er ein Aufstoßen und wandte sich an den Kumanen.
„Ah, hoher Besuch. Und was darf ich heute für Euch tun, fahle Eminenz?"
Er lachte gackernd über seinen eigenen dümmlichen Wortwitz.
„Wie Ihr Euch vielleicht erinnert, hatten wir eine Abmachung und ...", begann der weiße Gelehrte gedehnt.
Doch Sören de Allinge runzelte die Stirn und unterbrach ihn.
„Ja, ja, ja... Schon gut! Spart Euch das Gejammer."
Er trank noch einen Schluck und wischte sich die Lippen und danach folgten die gleichen Ausreden und Beschwichtigungen, mit denen der Däne ihn nun schon seit Wochen vertröstete.
Nur wenig später kehrte Oq einmal mehr unverrichteter Dinge in seine Gemächer zurück. Er warf die Tür hinter sich ins Schloss und stieß eine zornige, blindwütige Verwünschung aus.
Es war selten, dass er derart außer sich war. Denn er sah sich durchaus zu Recht als einen nüchternen, analytischen Verstand. Als jemand, der den Holzköpfen um sich herum überlegen war. Der sich nicht von Aberglauben oder einfältiger Gefühlsduselei leiten ließ. Und genau deswegen, war er es auch gewohnt, zu bekommen, was er wollte.
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Die Tochter des Brauers
Romance"Ihr glaubt wirklich, Eure Küche hätte Zugang zum Baum der Erkenntnis?" "Gut pariert, Frau!", lachte er. Sie bewarf ihn mit dem Apfel, er fing ihn auf, zögerte noch einen Moment und biss hinein. Ein mittelalterlicher Roman. Um? Nun ja. Die Tochte...