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Zwei Tage später – es war kurz vor Mittag – stand Wichard im Keller und überwachte die Versorgung des Gefangenen.

Wieder einmal hatte Onjuk gestikulierend nach der Markgräfin gefragt, doch seit man ihr die Schwangerschaft zweifelsfrei ansah, war Gertraud nicht mehr hier unten gewesen.

Ihr war die Vorstellung ein Gräuel, in den Augen des Fremden die Erkenntnis dämmern zu sehen, dass sein Fürst am Ende doch sein niederträchtiges Ziel erreicht hatte.

Von Dühring konnte das sehr wohl verstehen und die hartnäckige Fragerei des Sardori verdarb ihm die Laune. Auch heute quittierte er dessen Frage lediglich mit einem finsteren Blick und sah ein schiefes Grinsen über das Gesicht des Kumanen huschen. Der Mann ahnte offenbar, was geschehen war oder hatte es sich aus aufgeschnappten Gesprächen heraus zusammengereimt.

Erbost schlug Wichard ihm die Tür vor der Nase zu. Da erklang ein leises Lachen von drinnen, als hätte er mit seiner Reaktion die Vermutung des Sardori geradewegs bestätigt.

„Dreckskerl!", fluchte Wichard und erntete ein noch lauteres Lachen aus der Zelle heraus

Wütend beschloss er, den Gefangenen zur Strafe für diese Unverschämtheit ein paar Tage hungern zu lassen, als er hörte, wie oben die Haustür aufgerissen wurde und gleich darauf die sich überschlagende Stimme Johannes':

„Herr, Herr! Es kommen Reiter! Sieben Mann! Sie sind gleich da!"

Anna, die die Mahlzeit für den Sardori heruntergebracht hatte und neben ihm stand, bekreuzigte sich entsetzt und blickte hilfesuchend zu ihm auf.

„Such die Damen! Ins Versteck! Los!", befahl dieser.

Dann stürzten sie beide die Stiege hinauf.

Melisande und Gertraud hatte der Ruf bereist aufgeschreckt und sie liefen zusammen mit Anna durch die hintere Küchentür hinaus und weiter ums Haus herum, wo verborgen unter einem wucherndem Holunder ein trockener Brunnenschacht lag. Eine Leiter stand darin bereit und die drei Frauen kletterten in aller Eile hinab. Irma schob zwei Bretter über die Öffnung und warf einen Haufen trockenes Laub und Zweige zur Tarnung darüber.

So wie sie es abgesprochen und geübt hatten. Damit in einem Fall wie diesem, alles zügig und reibungslos ablief. Der alte Brunnen war vom gröbsten Unrat und Geröll befreit worden, damit sie einigermaßen bequem und sicher dort unten ausharren konnten.

Melli hatte sich gewünscht, dass auch Beat sich mit ihnen dort versteckte, aber Wichard war anderer Meinung gewesen. Der Junge sollte mit den Männern und Irma oben bei ihm bleiben. Und, wenn es hart auf hart kam, mit bei der Verteidigung helfen.

So hockten die Frauen jetzt also zu dritt dicht aneinandergedrängt im kühlen Halbdunkel auf einigen Bohlen und lauschten mit bangem Herzen hinauf. Gertraud hatte einen Arm um Melli gelegt und Anna kauerte mit gefalteten Händen neben ihnen.

Bevor Wichard hinaus auf den Hof eilte, warf er einen Blick in die Küche und sah gerade noch, wie Irma die große Fleischgabel unter ihrer Schürze verbarg.

„Sind sie unten?", vergewisserte er sich bei der Magd.

„Ja, Herr", antwortete diese.

Sie war ein wenig blass, wirkte aber beinahe ruhiger, als er selber sich fühlte.

Von Dühring nickte ihr zu und sagte:

„Gut. Ich geh und schau, was die wollen. Vielleicht ist gar nichts..."

„Mit Gott", erwiderte sie und griff sich noch ein Messer.

Rupert und Josef waren auf den Ländereien unterwegs und wurden erst zum Mittag zurückerwartet. So stand Wichard mit Beat und Johannes schließlich alleine auf dem Hof. Onkel und Neffe trugen wie zufällig ihre Waffen am Gürtel und Johannes lehnte sich auf eine Forke.

Die Tochter des BrauersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt