„Mama Weinatsbaum," Meine Tochter hüpfte vor mir zur Balkontür. Es war ein Wunder, dass sie heute Nacht überhaupt vor lauter Aufregung schlafen konnte. Andererseits, welches Kind war an Heiligabend nicht aufgeregt? Wir beide würden es uns heute Nachmittag gemütlich machen, unseren Kuchen zelebrieren, den wir gestern gebacken hatten, ehe wir den Baum kaufen gegangen waren und dann abends Würstchen mit Kartoffelsalat essen. Ja, so hatte ich mir schon immer mein Weihnachten gewünscht....„Bärbel, pass auf, dass du nicht mit der Soße auf dein Kleid kleckerst." Ich schaute zum Rock meines rosa Spitzenkleids, das Mama mir extra zu Weihnachten gekauft hatte. Natürlich passierte genau in diesem Moment das, was auf keinen Fall passieren sollte. Von meiner Gabel plumpste ein Stück in Soße getunkter Kartoffelkloß auf meinen Schoß. „Ich habe doch gerade noch gesagt, du sollst aufpassen." Natürlich war Mama mein Missgeschick nicht entgangen. Ich zog beschämt meinen Kopf ein. „Ach Birgit, so etwas kann doch jedem passieren", verteidigte Papa mich. „Ja, das ist mir schon klar, dass du das sagst. Du versaust ja auch alle deine Hemden mit Kaffeeflecken. Wie oft hat sich Frau Kowalski schon bei mir darüber beschwert. Und den Fleck wird sie aus dem Kleid garantiert nicht mehr herausbekommen. Sie wird darüber sehr böse sein, dass du nicht aufgepasst hast und ihr Arbeit machst", wandte sich Mama wieder an mich. Das konnte ich mir gar nicht vorstellen, denn unsere Haushälterin war eigentlich immer lieb. „Hättest du ordentliche Tischmanieren, hättest du dort deine Serviette liegen und es wäre nichts passiert." Ich schaute zu dem Stofftuch, dass neben meinem Teller lag. Ich mochte diese Lappen nicht, weil ich immer das Gefühl hatte als wischte ich mir den Mund an der Tischdecke ab und das war doch bestimmt nicht erlaubt. Aber immer, wenn es etwa zu feiern gab, lagen die Dinger da. „Birgit, ist das nicht etwas viel verlangt von einer Siebenjährigen?" Papa zwinkerte mir aufmunternd zu. Er hatte wohl mitbekommen, dass ich gleich weinen musste. „Nein Johannes, ist es nicht. Man kann nicht früh genug damit anfangen, den Kindern die entsprechende Etikette beizubringen. Wenn der Weihnachtsmann den Fleck auf deinem Kleid sieht, wird er dir mit Sicherheit nicht die Barbie Puppe geben." Jetzt liefen mir wirklich Tränen über meine Wangen. Die Barbie Puppe war doch mein allergrößter Wunsch.....
Nein, so schrecklich sollte Weihnachten für meine Tochter nicht werden. Sie sollte einfach das anziehen, worin sie sich wohl fühlte und Gänsebraten rief bei mir seit damals immer nur ein unangenehmes Gefühl hervor. Für mich gehörte sicher vieles zu Weihnachten, aber auf keinen Fall Gans, Klöße und Rotkohl. Und ehrlich gesagt war es mir auch egal, ob meine Tochter kleckerte oder eine Serviette benutzte.
Ich zog den Weihnachtsbaum über die Balkonschwelle ins Wohnzimmer, wo ich schon den Ständer und unseren Schmuck bereitgestellt hatte. Ich schraubte die Festhalteschrauben so weit wie möglich aus dem Ständer. „Mama, is ilf." Espie griff mit zum Baum und wir versuchten ihn in den Ständer zu stellen. Irgendetwas klappte hier aber nicht. Ich setzte den Baum wieder ab und schaute zu dem Ständer. Die Schrauben waren alle herausgedreht. „Du musst ihn anspitzen. Eigentlich hätte das schon der Verkäufer machen sollen." Ich drehte mich zu der Tür, in der Luca stand und uns beobachtete. „Der und ich lagen nicht so auf einer Sympathielinie", brummte ich. Luca fing an zu lachen. „Okay, verstehe, du hast ihm mit deinem ganz besonderen Charme erklärt, dass er ein Idiot ist." Ich zuckte mit den Schultern. „So in der Art." „Sels is Fau", krähte Espie los. „Ja, Spatzl, aber manchmal braucht es auch einen Mann", zwinkerte ihr Luca zu. „Du hast sie verstanden?" Ich schaute ihn ganz erstaunt an, denn die meisten außer mir verstanden sie noch nicht wirklich. Er nickte. „Ja klar. Im SOS Kinderdorf hatten wir ja auch so ein paar kleine Würmer. Für ihr Alter spricht sie sogar schon ziemlich gut, finde ich." Er ließ seinen Rucksack, den er in der Hand gehalten hatte auf die Erde plumpsen. „Hast du eine Axt oder eine Säge? Dann mache ich dir das noch schnell, bevor ich abhaue." „Im Keller ist ein Werkzeugkasten. Der muss noch von dir sein." Ich hatte ihn bisher nur ab und zu hin und her geräumt, wenn ich dort etwas verstaut hatte. „Ach, das ist Dads", grinste er. „Früher konnte ich damit nicht all zu viel anfangen. Da war mein handwerkliches Geschick ziemlich limitiert, aber im Kinderdorf habe ich gelernt damit umzugehen. Da war nicht immer Geld für einen Profi da." Das hörte sich an, als wäre es eine ziemlich spannende Zeit gewesen. „Gib mir mal den Kellerschlüssel. Ich hole ihn hoch." Luca hielt seine Hand auffordernd hin. Okay, vielleicht könnte so ein bisschen Hilfe nicht schaden. „Dann mache ich dir aber noch ein Frühstück, ehe du abhaust." Ich konnte ihn ja nicht mit leeren Magen aufbrechen lassen. „Hast du denn überhaupt noch so viel Zeit? Du willst doch bestimmt noch vor der Bescherung in München sein." Schließlich war seine ganze Familie dort bis Heilig Dreikönig bei seinen Großeltern. Lucy hatte mir sogar erzählt, dass sie zu Silvester irgendeine Berghütte in Österreich angemietet hatten. Luca schüttelte seinen Kopf. „Ich fahre nicht nach München. Ich bleibe alleine in Bochum." So verschlossen wie sein Gesicht schaute, lag da irgendetwas im Argen. Aber es war sicherlich nicht an mir nachzubohren, was es war. Abgesehen davon, dass er mir dazu auch gar keine Möglichkeit gab, weil er mit meinem Schlüssel aus der Wohnungstür verschwand.
„Na mein Sonnenschein, wollen wir Luca ein ordentliches Frühstück zaubern?" Sofort erntete ich ein strahlendes Lächeln . „Jaaaa, zaudern." Wir beide machten uns auf den Weg in die Küche. Was machte man einem Mann zum Frühstück? Ich kratzte mich am Kopf. Müsli mit Obst war da wohl nicht das Richtige. „Rührei. Was meinst du?" Meine Tochter nickte begeistert. „Au ja, Rüei." Ich schnappte mir aus dem Kühlschrank die Eier und den Schinken, den ich hatte. Wenn ich da noch etwas Käse zu nahm, wurde das ein schönes Omelett. „Weißt du was, wir machen ein Omelett." Espie nickte wieder begeistert und zog ihren Küchenhocker heran, damit sie auf die Arbeitsplatte schauen konnte. Ich hörte die Wohnungstür schließen. „Was macht ihr denn da?" Luca steckte seinen Kopf durch die Küchentür. „Omalett", strahlte ihn Espie an. „Mensch, mach dir doch nicht so einen Aufwand. Ein Müsli reicht auch", wandte er sich an mich. Ich schüttelte den Kopf. „Passt schon. Schließlich spitzt du den Stamm extra für mich. Da brauchst du Kraft." Luca fing an zu lachen. „Aus deinem Mund hört sich das gerade total versaut an." Okay, wo er recht hatte, hatte er recht. Ich prustete auch los.
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Schuss und Treffer - zum Comeback ✔️ Teil 12
RomanceGenia hat in ihrem Leben schon viele Höhen, aber noch viel mehr Tiefen gesehen. Und wer in seinem Leben schon auf dem Tiefpunkt war, der will nur noch in eine Richtung - nach oben - aber nicht mehr um jeden Preis, denn da gibt es auch noch ein klein...