Kapitel 93

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Ich schaute auf meine Tochter, die glücklich mit ihrem kleinen Stoff Nemo im Arm vor mir her marschierte. Der Tag war bis jetzt so schön. Irgendwie hatte ich noch keine Lust schon nach Hause zu fahren. „Wollen wir jetzt hier etwas essen gehen?" In unserem Kühlschrank schmorte zwar noch die Lasagne, die ich vorbereitet hatte, aber die würde auch noch bis morgen halten. Vielleicht bekamen wir ja in einem der Biergärten am Rhein einen Platz. Mein Vater war auch manchmal mit mir im Anschluss an unseren Aquariumsbesuch dorthin gegangen. Früher hatte ich es geliebt den Schiffen, die dort lang fuhren, hinterherzuschauen. Ich hatte dann immer geträumt, mit ihnen auf große Reise zu gehen und die ganze große Welt zu erkunden. Manno, ich war schon ewig nicht mehr hier in Düsseldorf gewesen. Klar, jobmäßig hatte es mich schon ein paarmal hierher verschlagen und ich hatte jedes einzige Mal Schiss gehabt, meiner Mutter dabei über den Weg zu laufen....aber in meiner Freizeit hatte ich die Stadt gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Eigentlich total blöd. Die Stadt konnte doch nichts dafür. Nein, eigentlich war es irgendwie an der Zeit, meiner Tochter zu zeigen, wo ich groß geworden war. „Nein, wir haben andere Pläne." Luca schüttelte entschieden den Kopf. Luca hatte gesagt, wir hätten Pläne. Ja, meine Neugier siegte sofort über die Enttäuschung, die in mir aufgekeimt war. „Was haben wir denn für Pläne?" Man konnte ja mal nachfragen. „Das wirst du schon sehen, wenn es soweit ist. Das soll ja schließlich eine Überraschung sein, du neugieriger Keks." Er beugte sich zu mir und drückte grinsend seine Lippen auf meine.  „Ja, Überrasund, du Tets", echote meine Tochter sofort. Okay, gegen die beiden hatte meine Neugier wohl keine Chance. Also setzte ich mich einfach wieder auf den Fahrersitz des Autos und startete den Motor. „Lass mich raten. Das Navi sagt mir den Weg?" Mit einem breiten Grinsen im Gesicht nickte Luca nur.
Eine Dreiviertelstunde später parkte ich in Bochum vor dem Haus seiner Eltern ein. „Ist hier die Überraschung?" Bei dem Gedanken wurde mir ganz mulmig. Ich kannte ja die Sachen, die Leon und Lisa immer zum Geburtstag für ihre Kinder planten. Ich wollte keine riesige Party. Nein, die Zeit mit irgendwelchen aufwendigen Partys hatte ich schon lange hinter mir. Ich feierte lieber nur mit meiner kleinen Familie.  „Nein, Espie und ich müssen nur noch etwas für die Überraschung abholen." Okay, erleichtert atmete ich auf, denn der Gedanke, dass Lisa alleine schon wegen meines Geburtstag Arbeit hätte, gefiel mir so gar nicht. „Du kannst uns aber tragen helfen. Wir beide sind nicht ganz so im Popeye Modus." Was bitte hatten die beiden vorbereitet? Ich folgte ihnen in das Haus von Lucas Eltern, die scheinbar nicht zu Hause waren. Das ersparte mir dann wenigstens eine große Gratulationsrunde und die Gefahr, dass sie doch noch mit uns feiern wollten. Ich kannte doch Lisa. Sie hätte uns bestimmt nicht einfach wieder verschwinden lassen. Wahrscheinlich hätte sie auch gleich noch Lucy und ihre Familie zusammengetrommelt. „Hier bitte." Luca holte eine Plastikschüssel aus dem Kühlschrank. „Was ist das?" Ich schaute ihn irritiert an. „Unser Essen. Das haben Espie und ich gestern auch vorbereitet. Bei uns im Kühlschrank hättest du neugieriger Keks es aber gefunden." Wieder nickte meine Tochter mit einem ernsten Blick. „Mama is Tets." Ich musste mich echt beherrschen, um nicht den Deckel zu öffnen und in die Schüssel zu schmulen. „Na dann, auf nach Hause!"
Eine Stunde später parkte ich das Auto vor unserer Haustür ein. Natürlich war uns der Staugott nicht hold gewesen und hatte uns auf der A40 stehen lassen. Mein Blick ging in den Spiegel und ich sah, wie mein kleiner Sonnenschein tief und fest in seinem Kindersitz schlummerte. Ja, das war wohl heute etwas zu viel Aufregung für sie gewesen. Ich schaute zu Luca, der die Schüssel auf seinem Schoß balancierte. Die musste wohl erst einmal im Auto warten, während ich meine Tochter nach oben trug. Ich hörte ein Klopfen und sah an der Beifahrerseite Max, der ins Auto grinste. Schnell stieg ich aus. „Braucht ihr vielleicht Hilfe?" „Ja, du könntest..." „Du könntest vielleicht Espie hoch tragen", kam es auch schon von Luca, der schon vor dem Auto stand. Wie hatte er das bitte so schnell geschafft? Ehe ich mich versah, hatte ich eine Schüssel in meinen Händen und lief hinter Max her, der meine Tochter trug, die sich an seine Schulter gekuschelt hatte. Luca folgte uns auf seinen Gehhilfen. Vor unserer Tür angekommen, drängelte er sich an uns vorbei und schloss die Tür auf. Ich schaute zu Max. „Was machst du überhaupt hier?" Die Frage lag mir schon die ganze Zeit auf der Zunge. Er zuckte mit den Schultern. „Kleine entzückende Mädchen in ihr Bett tragen." Na das war ja mal eine super Antwort. Egal, was ging es mich auch an, warum er sich hier herumtrieb, obwohl er gar nicht mehr hier wohnte. Wahrscheinlich war er bei Sascha, dem Cousin seiner Frau, beantwortete ich mir die Frage dann doch noch selbst und folgte ihm in unsere Wohnung. Wieso lief er denn ins Wohnzimmer und nicht in Espies.....? Noch ehe ich diesen Gedanken zu ende denken konnte, scholl mir ein lautes Überraschung entgegen und ich hätte fast die Schüssel, die ich in meinen Händen trug fallen gelassen. „Was.....was...was macht ihr denn hier?", stotterte ich vor mich hin. „Na dein Freund hat uns zu einer fetten Party eingeladen", kam es von Tessa, die mich schwungvoll umarmte. „Du Gurke hättest ja wieder deinen Geburtstag unterschlagen. Weißt du wie lange wir schon auf eine ordentliche Feier warten?" Ich schaute sie erstaunt an. „Du wusstest, dass ich Geburtstag habe?" Sie zuckte mit den Schultern „Ja logo, schließlich weiß sogar ich, dass jeder Mensch irgendwann Geburtstag hat. Und deinen Geburtstag wusste ich doch von den Unterlagen damals als wir die Hilfen für dich beantragt haben." Ja, damals, als sie mich aus der Scheiße gezogen hatten, hatte gerade Tessa mir mit dem ganzen Bürokratiekram geholfen.  „Wieso hast du dann nie etwas gesagt?" Sie zuckte mit der Schulter. „Weil wir dachten, du wirst schon deine Gründe haben, wenn du nicht feierst." Lucy war zu ihr getreten und umarmte mich auch. „Außerdem haben wir ja mit dir gefeiert. Du hast es nur nicht bemerkt." Die beiden grinsten sich an. Und erst jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ja klar, sie hatten in den letzten drei Jahren immer etwas zusammen mit mir unternommen. Letztes Jahr waren wir im Westfalenpark mit den Kindern spazieren und hinterher schön Eisessen. Manno, war ich blind. Ich hatte doch wirklich die besten Freundinnen, die man sich wünschen konnte. Mein Blick ging zu Luca. Und den besten Freund der Welt, denn plötzlich hatte ich wirklich Lust auf eine Geburtstagsfeier im Kreise meiner Freunde.

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt