Kapitel 134

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Ich drehte mich vor dem Spiegel und betrachtete mich. Das, was ich da sah, gefiel mir. „Wow, das sieht echt der Hammer aus. Ich hätte nie gedacht, dass so ein einfaches Hippiekleid so cool an jemandem aussehen kann." Lucys Gesicht strahlte begeistert. „Und da wollte ich extra nach Mallorca fliegen, um so ein Stangenbrautkleid zu kaufen." Meine zukünftige Schwägerin umarmte mich total aufgedreht. Mein Blick fiel zu Paula, die mich auch betrachtet. Verflucht, warum schaute sie so nachdenklich? War irgendetwas mit meinem Outfit nicht okay? „Stimmt was nicht?" Während ich auf ihre Antwort wartete, sackte mir mein Magen eine Etage tiefer. „Doch alles bestens." Paula schüttelte grinsend ihren Kopf. „Ich kann mich nicht erinnern, dich jemals so glücklich gesehen zu haben." Da könnte sie recht haben. Ich konnte mich auch nicht erinnern, jemals so glücklich gewesen zu sein. Obwohl, das stimmte nicht. Zweimal in meinem Leben war ich auch schon so glücklich. Das erste Mal wurde mein Glück aber innerhalb von Stunden durch meine Mutter zerstört, weil sie mir Carmen weggenommen hatte. Und das zweite Mal.....mein Blick fiel zu Espie, die sich auch in ihrem Kleid vor dem Spiegel bewunderte......ja, das zweite Mal dauerte noch an. „So, jetzt wird es aber noch Zeit für das Wichtigste!" Paula drehte sich um und öffnete den Deckel von einem Karton. „Tada!" In ihrer Hand hielt sie einen Kranz aus kleinen Sonnenblumen. „Sonst wird das ja nichts mit unserem echten Blumenkind." Sie setzte den Kranz vorsichtig auf meinen Kopf. „Manno, bei längeren Haaren würde sich das besser feststecken lassen als mit deiner Monchichi-Frisur." Der Kranz würde auch so halten, denn er passte perfekt auf meinen Kopf. „Danke" Ich drehte mich zu Paula um und schlang meine Arme um sie. Sie hatte nicht vergessen, dass ich Sonnenblumen liebte. Ja, ich liebte sie, weil sie einfach auf dem Feld wuchsen und nicht in irgendwelchen abgefahrenen Gewächshäusern. Sie stellten sich Wind und Wetter und strahlten dabei immer so etwas Positives aus. Sie machten einfach gute Laune und einen glücklich. „So jetzt brauchst du aber noch etwas Neues, etwas Altes, etwas Geborgtes und etwas Blaues." „Also neu ist das Kleid", gab ich zu bedenken. „Dat is ja wohl klar, dat dat nich aus der Altkleidersammlung is", krähte Tessa los. „Also zählt dat nich." „Wieso, neu ist neu", widersprach ich. „Nein, da hat Tessa recht. Das zählt nicht. Das muss schon was sein, was nicht direkt mit der Hochzeit zu tun hat. Deshalb soll ich dir das von Luca geben." Lucy kam mit einer kleinen Schatulle in der Hand auf mich zu. „Wow, das sind die Ohrringe mit kleinen Sonnen." Ich traute meinen Augen nicht. Die Ohrringe sahen so zauberhaft aus und ich hatte sie letztens auf dem Hippie-Markt schon bewundert. Sie waren handgefertigt aus Silber. „Ja, für dich soll ab jetzt die Sonne immer scheinen." Lucy grinste breit. „Jedenfalls hat mein Bruder das so gesagt." „Das ist so typisch für den Erbsenzähler, dass er sich als den Sonnengott sieht", gackerte Tessa und fing sich einen bösen Blick von Lucy ein.....naja und von mir auch, denn Luca war nicht der Sonnengott, sondern meine höchstpersönliche Sonne, die mein Leben erhellte. „So, dann fehlt nur noch etwas Altes und Geborgtes und Blaues." „Alt ist sie selber." Tessa war manchmal ein echtes Schandmaul, auch wenn sie recht hatte. „Also geborgt bekommst du von mir meinen Armreif." Paula reichte mir einen zierlichen Silberreif. Den hatte ich damals zu ihrer Hochzeit für sie gekauft und ihr als etwas Neues geschenkt. „Den hast du noch?" Paula nickte. „Natürlich. Von dem hätte ich mich niemals getrennt." Ich musste schlucken und umarmte sie wortlos. „Also blau ist ihr Schlüppi. Dat habe ich schon gesehen." Ja, irgendwie hatte ich das für eine gute Idee gehalten.  „.Ich verstehe diesen blöden Brauch sowieso nicht. Warum muss dat gerade blau sein, wenn es auch gelb oder schwarz sein könnte. Kein Mensch mag die Blauen." „Das Blau steht für Reinheit und Treue." Tessa schaute Paula an, als hätte sie nicht alle Latten am Zaun. „Nee, dat steht für Abstieg und Erfolglosigkeit."  „Seid ihr soweit?" Mein Papa steckte seinen Kopf zur Tür herein. Lucy schüttelte ihren Kopf. „Uns fehlt noch etwas Altes." „Das habe ich hier!" Papa tippte auf seine Sakko Tasche. „Ihr solltet jetzt aber mal runter zu den anderen, sonst läuft da alles aus dem Ruder." Das war dann wohl das Stichwort. Ich wurde nacheinander von meinen Freundinnen umarmt....und dann war es plötzlich still im Zimmer. Mein Vater trat auf mich zu und ich sah, wie seine Augen verdächtig glitzerten. „Du siehst wunderschön aus, Genia." Er schüttelte ganz leicht seinen Kopf. „Weißt du, wie glücklich ich bin, dass ich dich heute zum Altar führen darf." Seine Stimme hörte sich leicht brüchig an. „Ich bin jeden Tag dankbar, dass ich dich wieder in meinem Leben habe und jetzt auch deine kleine Tochter und meinen Schwiegersohn. Ich weiß gar nicht wie ich das verdient....." „Papa! Ich bin auch glücklich, dass du hier bist", unterbrach ich ihn, bevor mir noch die Tränen kamen. Ich war zwar nicht wirklich geschminkt, so dass etwas verlaufen konnte, aber eine Braut mit rotgeschwollenen Augen wollte ich auch nicht sein. Ja, ich war absolut glücklich, dass ich meinen Papa wieder bei mir hatte. „Okay, okay." Er winkte mit seiner Hand ab und fuhr sich kurz über seine Augen. „Das hier hat deine Mutter zu unserer Hochzeit getragen." Er zog eine Silberkette hervor, an der ein Anhänger mit einer Sonne hing. „Ich hatte sie ihr damals von meinem ersten Doktorandengehalt geschenkt. Ich wollte, das unsere Liebe so beständig wäre wie die Sonne." Das passte so typisch zu Papa. „Ja, das hat dann bei uns nicht wirklich geklappt, aber das lag wohl mehr daran, dass..." „Dass Mama eher ein Eisberg war, den nicht einmal die stärkste Sonne zum Schmelzen bringen konnte", unterbrach ich ihn. Er zuckte mit den Schultern. „Ich dachte eigentlich mehr, dass es daran lag, dass wir beide wie Sonne und Mond waren....und die kommen halt nie wirklich zusammen." Er zuckte mit den Schultern. „Bei Luca und dir ist das ganz anders. Das sieht man sofort. Deine Mutter hatte mit Sicherheit ihre Ecken und Kanten, trotzdem hat sie dich ganz tief in ihrem Herzen geliebt. Das darfst du niemals anzweifeln." Das muss wohl sehr tief gewesen sein. So tief, dass es nicht wirklich zum Vorschein kam. „Lucas und deine Liebe wird so beständig sein wie die Sonne." Ich nickte. Ja, da war ich mir sicher. Als mein Papa mir die Kette um den Hals legte, breitet sich eine leichte Gänsehaut auf meinem Körper aus, die sich noch verstärkte als er mir den Strauß aus Sonnenblumen in die Hand drückte und ich mich bei ihm unterhakte. Es war so schön, dass ich meinen Papa wieder in meinem Leben hatte.

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt