„Träumst du?" Lisa musterte mich. „Du wirkst heute irgendwie total abwesend." Schnell schüttelte ich den Kopf. Ich konnte Lucas Mutter ja wohl schlecht sagen, dass das noch die Nachwirkungen von einer kleinen heimlichen Knutscherei mit ihrem Sohn waren. „Ich beobachte nur gerade Carmen. Sie ist wirklich eine tolle und liebevolle große Schwester." Die Kleine half Paolo mit dem Kuchen und wirkte als gäbe es nichts Wichtigeres für sie als ihren kleinen Bruder. Sofort überkam mich wieder mein schlechtes Gewissen. Man, wie schäbig hatte ich mich damals nur ihr gegenüber verhalten....
Andreas war das ganze Wochenende zu einem Shooting in München und ich sollte mich um seinen kleinen Teufelsbraten kümmern. Pah, das war doch echt eine Unverschämtheit. Er hätte mich mitnehmen und nicht als Babysitter degradieren sollen. Oder noch besser hätte er mir das Shooting vermitteln sollen. Aber seit ich mit ihm zusammen war, hatte ich nicht ein einziges Shooting mehr. Im Moment hielt ich mich mit Hostessenjobs über Wasser.....oder naja....nein daran wollte ich eigentlich nicht denken. Mein Handy klingelte und ich zog meine Augenmaske vom Gesicht. Dann war wohl meine Nachmittagsruhe beendet. „Wir sehen uns in einer Stunde auf dem Parkplatz von IKEA.", hörte ich sofort eine mir bekannte Stimme nachdem ich das Gespräch angenommen hatte. Das war typisch für den Kerl, einfach davon auszugehen, dass ich hüpfte, wenn er anrief. Am liebsten hätte ich ihm eine lange Nase gedreht, aber er zahlte immer sehr gut für eine kurze Serviceleistung und das Geld konnte ich mehr als nur ein bisschen gebrauchen. Meine Schulden saßen mir ziemlich im Nacken und was sprach dagegen? Andreas hatte mich ja hier alleine sitzen lassen. Dann war es sein eigenes Pech, wenn ich die Zeit für mein Geschäft nutzte. Ich stand auf und marschierte ins Schlafzimmer. IKEA Parkplatz hörte sich nach Auto an. Das sollte ich bei meiner Kleidung berücksichtigen. Schnell griff ich mir etwas aus dem Schrank. Viel Zeit hatte ich ja nicht. Mein nächster Griff ging zu der Tüte mit meinen kleinen bunten Helfern, die ich unter meinen Sachen versteckt hatte. Mit meinem Finger strich ich sanft über die Tüte. „Wie gut, dass es euch gibt. Ohne euch würde ich das alles nicht überstehen." Ja, ohne die Pillen würde ich es garantiert nicht schaffen mit den ganzen Kerlen......und beim Anblick von Carmen würde es mich zerreißen. Sie war eben doch nicht meine Tochter und würde es auch niemals sein. Meine Carmen war irgendwo und ich würde niemals erfahren wie es ihr ging. Das Zusammensein mit diesem Kind ließ meinen Schmerz von Tag zu Tag zu wachsen. Ich schob mir eine Pille in den Mund. Mist, was sollte ich mit der Kleinen machen? Ich konnte sie ja nicht alleine hier lassen. Okay, IKEA hatte eine Kinderbetreuung. Da konnte ich sie abgeben. Schnell öffnete ich ihrer Zimmertür. „Los anziehen, wir fahren einkaufen." „Ich will aber spielen." Sie schaute mich trotzig an. „Pass mal auf, du kleine Bitch bewegst jetzt deinen Arsch oder ich ziehe ihn dir stramm." Für solche Spirenzchen hatte ich keine Zeit.....
„Sehr schön!" Mein Gegenüber schloss zufrieden seinen Reißverschluss. „Wie sieht es aus? Hast du Interesse das Ganze noch ein bisschen auszuweiten? Ich habe nachher eine Party und morgen..." Er wackelte mit seinen Augenbrauen. „Wie viel?" Ein tiefes Lachen erfüllte Andreas Auto. Wie gut, dass er es mir gelassen hatte, damit ich mit seiner Göre mobil war. „Du gefällst mir. Immer gleich zur Sache kommen." Ja, wozu Zeit verschwenden? Auch oder gerade in meinem Gewerbe war Zeit Geld. „Vier lilafarbene würde ich sagen." „Sechs." Man sollte sich nie unter Preis verkaufen und wenn ich an meine Schulden dachte, war das durchaus angemessen. „Okay 3000. Aber bis morgen Abend und du bist auch zu meinen Gästen nett." Ich nickte. Okay, dafür würde ich wieder ein paar Pillen mehr brauchen. Seit ich mit Andreas zusammen war, schaffte ich das nicht ohne chemische Unterstützung. Die Tür neben mir wurde aufgerissen und der blonde Fratz schaute mich wütend an. „Du Bitch hast mich in der Betreuung vergessen." Ach Scheiße, die hatte ich ja total vergessen. Das war trotzdem kein Grund mich so anzufauchen. „Habe dich nicht so, du kleiner Rotzlöffel. Du hast ja auch alleine hierher gefunden." Diese Balg sollte sich mal nicht so aufspielen. Die Frage war nur, was machte ich mit dem Rotzlöffel bis morgen Abend. Verflucht! „Ich glaube ja wohl es geht los", fauchte mich eine andere Person an. Erstaunt schaute ich auf. „Ach, das Kindermädchen. Perfekt." Na manchmal musste man ja auch Glück haben. Dann war mein Problem ja schlagartig gelöst. Ich wühlte mein Portemonnaie aus der Tasche heraus und reichte ihr das Geld, das ich gerade verdient hatte. Manchmal musste man auch investieren, um noch mehr zu verdienen. „Hier sind drei Grüne. Dafür schaffst du mir die Blage vom Hals und bringst sie mir morgen pünktlich um 16 Uhr nach Hause." Ich wartete gar keine Antwort ab und setzte mich wieder ins Auto. Ich hatte es schließlich eilig....Und das war nur eine meiner Erinnerungen, die dank der Pillen ziemlich verschwommen waren. Damals war ich einfach total daneben. Ich hatte die Kleine sogar in ihrem Zimmer eingesperrt, damit ich meinen Drogenrausch auspennen konnte. Und ohne Drogen hatte ich sie überhaupt nicht ertragen können, weil sie mir ständig vor Augen führte, dass ich meine eigene Tochter verloren hatte, die ich mir genau wie sie vorstellte. Das war für mich die Hölle. Jedes Mal, wenn ich die Kleine angesehen hatte, war die Wunde in meinem Herzen ein Stück mehr aufgerissen. Allein der Gedanke, dass ihr etwas passieren hätte können als sie wegen mir aus ihrem eigenen Zuhause abgehauen war, bescherte mir noch heute ein lausiges Gefühl. Damals hatte ich aber nur an mich gedacht und überhaupt nicht verstanden, warum Andreas mich aus der Wohnung geworfen hatte. Heute verstand ich das mehr als nur gut. Wenn ich mir vorstellte, dass jemand so mit meinem kleinen Sonnenschein umgehen würde, würde ich ihn nicht nur aus der Wohnung werfen....nein, ich würde seinen Skalp an meinem Gürtel hängen haben.
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Schuss und Treffer - zum Comeback ✔️ Teil 12
RomanceGenia hat in ihrem Leben schon viele Höhen, aber noch viel mehr Tiefen gesehen. Und wer in seinem Leben schon auf dem Tiefpunkt war, der will nur noch in eine Richtung - nach oben - aber nicht mehr um jeden Preis, denn da gibt es auch noch ein klein...