Kapitel 95

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„Wie weit bist du denn jetzt schon mit unserem Plan gekommen?" Linus beugte sich zu mir. „Hilft sein Job?" Ich schüttelte den Kopf. „Wieso nicht?" „Weil mein Bruder ein uneinsichtiger Dickschädel ist", mischte sich Lucy ein, die sich zu uns gesellt hatte. „Genau wie sein Vater, dieser oide Holzkopf." Auch Lisa hatte ihren Weg zu uns gefunden. „Wir müssen uns einfach einen noch besseren Plan einfallen lassen. Einen der mehr zieht. Bis jetzt sind wir es nur noch nicht richtig angegangen, weil wir wollten, dass er selbst auf die Idee kommt. Wir brauchen einfach nur eine überzeugendere Aufmachung für unsere Idee zu der er überhaupt nicht mehr nein sagen kann." Da merkte man, dass Linus ursprünglich aus dem Marketingbereich kam. Er zweifelte nur an der Verpackung, nicht an dem Produkt. „Und wie stellst du dir das vor? Hast du da schon eine Idee?" Lucy schaute ihn fragend an. „Dein Bruder hat doch immer das Argument, dass er seine Familie unabhängig versorgen muss. Vielleicht fruchtet es, wenn wir ihm einen Studienkredit schmackhaft machen." Lisa kam ja auch aus dem Marketingbereich, wenn sie dort auch eigentlich nur für die fotografische Umsetzung zuständig war. „Nein, ich mache da nichts mehr hinter Lucas Rücken. Wir müssen ein offenes Gespräch mit ihm suchen." Ja, der Zoff und das schlechte Gewissen hinterher hatten mir gereicht. Das musste ich nicht noch einmal haben. „Das finde ich auch, Spatzl." Wo kam Luca denn auf einmal her? Ich hatte ihn gar nicht bemerkt, aber scheinbar hatte er wohl meine letzten Worte mitbekommen, denn er drückte mir einen Kuss auf meine Schläfe. „Als ich euch hier alle so zusammen habe stehen sehen, dachte ich mir, ich sollte doch mal schauen, was ihr schon wieder zusammen ausbrütet." „Ach Mensch Luca, wir wollen doch nur dein bestes", stöhnte Lisa leidend. „Mit dem Satz haben die meisten Katastrophen begonnen, Mom", grinste Luca seine Mutter nur an. „Das ist nicht lustig", sprang Lucy ihrer Mutter sofort zur Seite. „Wir machen uns einfach Sorgen, dass du deine Zukunft wegwirfst, weil du da eine völlig absurde Idee im Kopf hast. Nicht wahr Genia?", versuchte sie mir den Ball zuzuspielen, den ich aber einfach an mir vorbei kullern ließ. Nein, ich würde jetzt hier nicht vor allen diese Thema aufgreifen. Das würde ich nur in einem ruhigen Gespräch tun, das Luca und ich alleine führten. Mir wäre es nämlich auch alles andere als angenehm, wenn sich plötzlich so viele Leute auf mich stürzen würden. Da würde ich entweder einfach Ja und Amen sagen, damit ich meine Ruhe hatte oder bocken. Das würde uns aber beides nicht weiterhelfen. „Es gibt doch auch zinsgünstige Studienkredite und gut bezahlte Werkstudentenjobs", warf Linus an meiner Stelle ein. „Das würde aber voraussetzen, dass ich studieren will." „Mensch Luca, du bist doch kein Hilfsarbeiter. Du gehörst an die Uni", empörte sich Lisa. „Ja, Mama hat vollkommen recht. Du bist viel zu schlau, um das nicht zu nutzen. Außerdem bist du es den vielen Kindern da draußen schuldig, dass es endlich mal einen vernünftigen Lehrer gibt. Du kannst das Wissen so gut vermitteln. Das ist eine Gabe. Denk nur an ...." „Ja, denk nur an die vielen Ferien, die du dann wieder hast", unterbrach Linus sie an Luca" gewandt. „Okay, das ist durchaus ein Argument", grinste mein Freund. „Das fand ich schon immer das Beste an der Schule." „Ja, dann musst du aber an die Uni. Wollen wir uns gleich an deine Bewerbung setzen?" Lisa hatte wohl Morgenluft geschnuppert. Luca schüttelte entschieden den Kopf. „Aber die Frist läuft in ein paar Tagen ab", sprang Lucy ihrer Mutter zur Seite. „Na und, was interessiert es mich?" Mein Freund zuckte einfach nur desinteressiert mit den Schultern. „Du bekommst garantiert einen günstigen Studienkredit, wenn es das ist, woran es hapert", griff Lisa wieder an. „Nö, brauch ich nicht!" Luca blieb so seelenruhig bei dem Thema. Das war total komisch. Normalerweise wäre er doch hochgegangen. Irgendetwas stimmte hier gerade gewaltig nicht, insbesondere da sich sein Vater breit grinsend neben ihn stellte und seinen Arm um seine Schulter legte. „Lassen dich die Weiber wieder nicht in Ruhe." Luca fing auch an zu grinsen und nickte. „Mädels spart euch euren Atem." Wie meinte Leon denn das? „Da wo ihr jetzt seid, waren wir schon vor ein paar Tagen." Er zwinkerte seinem Sohn zu. „Hier neben mir steht der immatrikulierte Lehramtsstudent Luca Goretzka." „Was?" Dieses einzelne Wort kam aus mindestens vier Mündern, einschließlich meines eigenen, gleichzeitig. „Was was?" „Man beantwortet keinen Frage mit einer Gegenfrage", wies Lisa ihren Sohn zurecht. „Und ein Fragesatz besteht auch aus dem Fragewort, dem Prädikat und dem Subjekt", schoss Luca zurück. „Also klugscheißen kann er schon wie ein Pauker", lachte Leon. „Du hast dich immatrikuliert?", wandte ich mich überrascht an meinen Freund. Er nickte nur und zwinkerte mir zu. „Ja, du hast mich letztens in unserem Gespräch einfach überzeugt." Also den Eindruck hatte ich zwar nicht gehabt. Und ich hätte es auch nicht als Gespräch betitelt, jedenfalls nicht ohne mindestens ein Streit als Anfangssilbe.....aber wichtig war nur das Ergebnis. „Durch deine Argumente ist mir klar geworden, dass ich nicht nur mit Hilfsjobs meine Familie über Wasser halten kann. Jedenfalls nicht auf lange Sicht. Also war klar, dass ich wieder studieren muss.". „Wieso hast du mir das nicht gesagt. Wir hätten doch zusammen..." „Weil ich das selbst machen musste." Luca schaute mich ernst an. Okay, das konnte ich verstehen. „Aber dann hättest du es uns doch erzählen können." Lisa schaute ihren Sohn an, ehe ihr vorwurfsvoller Blick zu ihrem Mann weiter wanderte. „Und du hast das gewusst und auch nichts gesagt." „Nö, wir wollten ja mal sehen, wie kreativ ihr in eurer Panik noch werdet", feixte der aber nur unbeeindruckt. „Tja, wir Kerle führen ein einfaches Gespräch ohne lauter Tüdelitüd und dann ist das Ding geritzt." „Was heißt hier Tüdelitüd?" „Na ihr müsst ja immer so ganz diplomatisch und unauffällig hintenrum was einfädeln, was dann doch nicht so funktioniert. Und wir sprechen einfach Klartext und haben schon alles in Sack und Tüten ehe ihr überhaupt erst einmal zum Thema kommt." Lucy und Lisa schnaubten empört auf. „Luca ist zu mir gekommen, wir haben einen zinsfreien Studienkredit ausgehandelt, wie Männer das halt so machen und dann ging es zack ab zur Uni." Leon schien äußert zufrieden. Und das konnte er auch sein. „Ich freue mich so." Spontan umarmte ich meinen Freund und drückte ihm meine Lippen auf. Mir war es gerade total egal, ob uns alle dabei zusahen. So wie sich das anfühlte, ihm wohl auch. Das Luca zurück an die Uni ging war heute das schönste Geschenk für mich....obwohl nein, das war die Kette. „So, für heute reicht es jetzt aber mit Überraschungen." Ja, das tat es wirklich. Luca zuckte schmunzelnd mit seinen Schultern und schaute mich unschuldheuchelnd an. „Also das kann ich nicht versprechen." Du lieber Himmel, was sollte denn jetzt noch kommen?

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt