„So, wir haben den Schnitt gereinigt und mit ein paar Stichen genäht." Ich hatte die Verletzung die ganze Zeit echt nicht bemerkt. Durch die ganze Aufregung musste ich wohl so einen Schock gehabt haben, dass die Wunde auch erst im Krankenwagen wirklich angefangen zu bluten hatte. Der Arzt lächelte mich an. „Da es ein ganz glatter Schnitt war, wird die Narbe auch gut verheilen und kaum zu sehen sein." Das war mir ehrlich gesagt nicht so wichtig. Früher wäre das ein riesiges Problem für mich gewesen, weil ich in meiner Oberflächlichkeit befürchtet hätte, für immer entstellt zu sein. Heute würde ich diese Narbe aber wie einen Orden tragen, denn sie würde mich immer daran erinnern, dass ich ein Kind gerettet hatte. Und was war da schon ein Strich auf der Wade gegen ein gerettetes Menschenleben. „Sie müssen aber natürlich das Bein auch etwas schonen, damit die Narbe nicht belastet wird und schwimmen im Meer ist auch gestrichen. Duschen mit Duschpflastern ist aber möglich." „Ich passe auf, dass sie sich daran hält", kam es sofort von Luca. Ja, er war hier ziemlich schnell nach meinem Eintreffen im Krankenhaus aufgetaucht. Keine Ahnung, wie er das so schnell geschafft hatte, ohne Blaulicht und nach Einsammeln unserer Sachen. Wahrscheinlich wollte ich das auch gar nicht wissen, weil er wie ein Irrer gerast sein musste. Trotzdem war ich ihm dankbar, dass ich hier nicht länger in einem Bikini herumsaß. „Ja, passen Sie auf Ihre Mutter auf, dass sie das Bein nicht überlastet. Und wenn es doch Probleme gibt, können Sie jederzeit wieder herkommen. Ich bin fast immer da. Und wenn ich nicht hier bin, könnte ich auch einen Hausbesuch machen." Der Arzt zwinkerte mir zu und reichte mir die Hand. Hatte der mich gerade indirekt alt genannt! „Die Schwester legt Ihnen noch einen Verband an. Und wir sehen uns in ein paar Tagen zur Kontrolle." Wieder zwinkerte er mir zu. „Das wird nicht nötig sein, mein Freund ist auch Arzt, der kann die Nachversorgung bei meiner Freundin übernehmen", kam es barsch von Luca. So unfreundlich und bestimmt kannte ich ihn gar nicht. Aber er hatte recht. Mit Sicherheit konnten wir uns den Weg hierher sparen, weil Max ja auch hier war. „Warst du gerade eifersüchtig?", fragte ich ihn nachdem der Arzt das Behandlungszimmer verlassen hatte und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Hast du nicht mitbekommen, wie dieser Drecksack versucht hat dich anzubaggern? Das nenne ich mal echt dreist, wenn ich daneben stehe." Lucas Augen funkelten sauer und ich......ich fand das richtig süß, da war auch die Frechheit, des Arztes mich als Lucas Mutter zu bezeichnen, sofort vergessen.. „Der könnte so viel baggern wie er wollte, gegen dich hat er sowieso keine Chance." Das Funkeln in Lucas Augen blieb bestehen, aber es war jetzt nicht mehr wütend sondern.....sagen wir mal vielversprechend würde es wohl am besten beschreiben.....oder feurig. „Was wird jetzt überhaupt aus unserem Sonnenuntergang und den Trommlern? Du hast mir doch das volle Romantikprogramm versprochen." „Dafür brauchen wir doch keinen Sonnenuntergang und Trommler", nuschelte er an meine Lippen, ehe er mich küsste. Ein leises Klopfen an der Tür ließ uns auseinander fahren. Wahrscheinlich war das die Krankenschwester mit dem Verband. Sie musste uns ja nicht gerade beim Knutschen erwischen. Die Tür wurde geöffnet und das erste, was ich zu sehen bekam, war ein riesiger Blumenstrauß. Dahinter tauchte die kleine Julia auf, die mich bedröppelt anschaute. „Hast du dir doll weh getan?" „Wir wollten uns bei Ihnen....." Hinter ihr tauchte eine Frau und ein Mann samt kleinem Jungen auf. „Genia!" „Ja, Mama. Sie heißt Genia. Habe ich dir das nicht gesagt?" Ich schaute erschüttert zu der dunkelhaarigen Frau. „Paula!" Ich musste schlucken. Wir starrten uns beide ungläubig an. „Genia!" Auch Paul sah nicht weniger überrascht aus, wie ich mich fühlte. „Du hast unserer Julia das Leben gerettet. Ich weiß gar nicht wie wir dir danken sollen. Gar nicht auszudenken, was ihr alles passieren hätte können." Seine Stimme hatte einen fast verzweifelten Klang, was für ihn eher selten war, denn normalerweise war er immer eher der geradlinige emotionslose Staatsanwalt. Ich sah Lucas irritierten Blick. „Ihr kennt euch?" „Ja, das ist meine beste Freundin Paula und ihr Mann Paul und mein Patenkind." Ich benutzte mit Absicht die Gegenwartsform und nicht die Vergangenheit, denn gerade in diesem Moment war mir klar geworden, dass ich alles in Bewegung setzen würde, um dafür zu sorgen, dass es wieder so wurde. Ja, ich hatte Paula in letzter Zeit so oft vermisst....und jetzt stand sie hier vor mir und musterte mich und Luca. Mir war sofort klar, was sie gerade dachte. Verübeln konnte ich es ihr nicht, schließlich hatte ich in der Vergangenheit wirklich viel Mist gebaut. „Und das ist mein Freund Luca", stellte ich ihn schnell vor, damit Paula nicht weiter in die falsche Richtung dachte. „Dein Freund?" Meine Freundin schaute mich etwas zweifelnd an. Ich hörte ihre unterschwellige Frage heraus? Klar, war ihr der Altersunterschied nicht entgangen und sie hatte bestimmt so ihre Ideen. „Ja, Luca und ich leben zusammen und sind hier in Urlaub." „Urlaub?" Wieder nur diese zweifelnde Frage. Okay, wenn man meine Vergangenheit bedachte......trotzdem! „Ja, im Familienurlaub, wenn du es genau wissen willst. Genau wie ihr!" Auch wenn ich viel Mist gebaut hatte, reicht es doch langsam. Ich musste mich ja nicht verschämt abducken, schließlich hatte ich mich aus dem Mist auch wieder herausgezogen und darauf konnte ich stolz sein und musste nicht buckeln. „Ähm, dann würden wir euch gerne als Dankeschön zum Essen einladen." Paul war die gespannte Stimmung zwischen Paula und mir wohl auch aufgefallen. „Ja, bitte!" Julia sah mich bettelnd an. Wie sollte ich da nein sagen? Ich hatte meinem Patenkind noch nie etwas abschlagen können. Wieso hätte sich das also nach all den Jahren ändern sollen. Mein Patenkind! Innerlich schüttelte ich den Kopf. Ich hatte meinem Patenkind das Leben gerettet. Das war doch verrückt. Und dort stand meine beste Freundin vor mir, die ich aus den Augen verloren und nie wiedergefunden hatte. Ja, das war wirklich verrückt, dass wir uns hier auf Ibiza unter diesen Umständen über den Weg liefen. Vielleicht war es aber auch nicht verrückt, sondern der Fingerzeig Gottes!
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Schuss und Treffer - zum Comeback ✔️ Teil 12
Storie d'amoreGenia hat in ihrem Leben schon viele Höhen, aber noch viel mehr Tiefen gesehen. Und wer in seinem Leben schon auf dem Tiefpunkt war, der will nur noch in eine Richtung - nach oben - aber nicht mehr um jeden Preis, denn da gibt es auch noch ein klein...