Kapitel 31

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„Also keinen Putzplan?" Lucas Blick war vorsichtig fragend. Ich schüttelte den Kopf. „Es hat doch die letzten zwei Wochen auch gut geklappt. Wieso sollten wir etwas ändern?" Er nickte. „Das stimmt. Manchmal muss man nicht alles planen und reglementieren. Ich habe schon viel zu viel in meinem Leben geplant und letztendlich ist es mir immer nur um die Ohren geflogen und hat nicht funktioniert." Ich hörte diese tiefe Enttäuschung in seiner Stimme mitschwingen. Vielleicht war es ja ein ganz guter Aufhänger, besonders wo wir ja jetzt eine WG waren, konnte man ja auch die persönlichen Bereiche abklopfen, um ein harmonisches Zusammenleben zu garantieren. „Hast du denn jetzt schon Pläne, was du machen willst?" Okay, nicht besonders subtil, aber das war ja auch nicht meine Art.....jedenfalls schon länger nicht mehr. Luca schüttelte den Kopf. „Ich weiß nur, was ich nicht will.....aber nicht was ich will." Er fuhr sich mit seiner Hand durch den Nacken. „Deshalb wäre es auch toll, wenn meine Familie erst einmal noch nicht erfährt, dass ich wieder hier bin." Er hob seine Hand, ehe ich den Mund überhaupt öffnen konnte. „Versteh mich nicht falsch, sie sind wirklich toll, aber wenn sie mir helfen wollen, dann habe ich keine ruhige Minute mehr, um mir meine eigenen Gedanken zu machen." Das konnte ich verstehen. „Hast du denn überhaupt schon eine Tendenz?" Luca schüttelte wieder den Kopf. „Ich weiß nicht, ob ich eine handwerkliche Ausbildung machen will. In Costa Rica hat mir das ja Spaß gemacht, wenn ich dort etwas reparieren oder bauen konnte." Er fing an zu schmunzeln. „Es ist irgendwie ein total erhebendes Gefühl, wenn du mit deinen eigenen Händen etwas zustande bekommst." Okay, das konnte ich nachvollziehen. So ging mir das ja schon, wenn ich es schaffte ein Möbelstück vom Möbelschweden zusammenzusetzen. Ja, da durchfuhr einen ein umheimlicher Stolz, etwas geschafft zu haben. „Aber ich bin mir halt nicht sicher, ob das Handwerk wirklich so goldenen Boden hat, wie man immer sagt. Ich muss ja auch an die Zukunft denken. Irgendwann möchte ich ja schon eine Familie haben und die auch ernähren können." Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich bei den Worten etwas. „Außerdem habe ich ja eigentlich mein Abitur auch nicht nur zum Spaß gemacht." „Hast du eigentlich schon einmal darüber nachgedacht, etwas mit Kindern zu machen?" Wenn ich daran dachte, wie toll er mit Espie umging.....und auch bei seiner Nichte Carmen war er mehr als nur etwas beliebt. „Du meinst, ich soll Erzieher werden?" Er schüttelte den Kopf. „Nee, da bin ich nicht für geeignet.....und goldenen Boden hat das mit Sicherheit auch nicht." „Du musst ja nicht Erzieher werden. Da gibt es doch noch so viele andere Möglichkeiten im Bereich Pädagogik, Psychologie oder auch im therapeutischen Bereich." Luca wirkte nachdenklich als er mir zunickte. „Das stimmt schon, aber ein Studium bedeutet auch wieder weiterhin finanziell abhängig zu sein......und wenn ich ehrlich bin, will ich das irgendwie nicht." Auch das konnte ich sehr gut verstehen. Diese Abhängigkeit war auch etwas gewesen, die mich damals bei meinen Eltern so fertig gemacht hatte. „Und du hast wirklich eine zweiundzwanzigjährige Tochter?" Der Themenwechsel kam ziemlich spontan und ich war nicht wirklich darauf gefasst gewesen, deshalb nickte ich auch nur. „Mm, magst du darüber sprechen?" Wollte ich darüber sprechen? Irgendwie ja und irgendwie auch nein. Andererseits, wenn wir unter einem Dach wohnten, war es mit Sicherheit auch nicht verkehrt, wenn man gegenseitig die Hintergrundgeschichte kannte, um sich besser zu verstehen. Außerdem war das Ganze ja auch kein wirkliches Geheimnis. „Ja, mit Sechzehn habe ich Carmen bekommen", begann ich also zu erzählen..... „Und deine Eltern haben sie einfach zur Adoption freigegeben?" Luca schaute mich einige Zeit später fassungslos an, nachdem ich ihm eine Kurzzusammenfassung meiner und Carmens Geschichte gegeben hatte. „Das ....das ist ja unglaublich." Ja, unglaublich traf es so ziemlich genau. „Die Kleine ist doch auch ihr Enkelkind. Wenn es die Frist zugelassen hätte, hätten sie dich wahrscheinlich zu einer Abtreibung gezwungen." Lucas Augen funkelten wütend. „Das ist echt das allerletzte. Und du hast nie versucht deine Tochter doch noch zu finden? Das Jugendamt muss dir doch Auskunft geben können." Ich gab ein ironisches Seufzen von mir. „Das Jugendamt unterhält sich nicht einmal mit dir, wenn du minderjährig bist und hinterher auch nicht mehr. Zum Schutz des Kindes. Das haben meine Eltern schon alles so gedeichselt, dass ich garantiert keinen Zugriff bekomme. Es ist fast so, als hätte es die Kleine nie gegeben." Ich fuhr mir mit meiner Hand durch die Haare. „Am Anfang hatte ich noch die Hoffnung, dass ich irgendwann auf Infos bei meinen Eltern stoße, aber irgendwann war mir dann auch klar, dass das nie passieren würde." „Und was hast du dann gemacht?" Ich lachte kurz auf. „Ich habe nicht mehr die liebe angepasste Tochter gespielt und sie zur Weißglut gebracht." „Das hat dich aber auch nicht wirklich weitergebracht, oder?" Ich schüttelte den Kopf. „Was Carmen angeht natürlich nicht. Aber es war erst einmal ungemein befreiend." „Und womit hast du sie zur Weißglut gebracht?" Luca schmunzelte mich interessiert an. „Na ja, sagen wir mal so, ich hatte das große Glück, so dachte ich damals.......heute weiß ich, dass es eher Pech war, von einem Scout auf der Kö in Düsseldorf angesprochen zu werden. Innerhalb von ein paar Wochen hatte ich diverse Fotoshootings. Und dafür, dass ich von meinen Eltern ziemlich knapp gehalten wurde.....du weißt schon wirtschaftliche Erziehung und Leistungsprinzip......war das auf einmal ziemlich verführerisch. In meinem Kopf entwickelte sich der Plan im Modellbereich erfolgreich zu werden und genug Geld zu verdienen, um dann doch die Ressourcen zu haben, meine Tochter zu suchen." „Und wie haben deine Eltern darauf reagiert?" Ich verzog mein Gesicht. „Sagen wir mal so, sie waren alles andere als begeistert, als sie das erste Foto zu Gesicht bekommen haben. Meine Mutter hielt es für den Untergang ihrer Firma und mein Vater...." Ich winkte mit der Hand ab. „Er sah wohl nur meine wissenschaftliche Karriere sich in Luft auflösen, weil kein Student jemals mich als Professorin respektieren würde." Luca schaute mich verwirrt an. „Du wolltest Mathe Prof werden? Ich dachte, du hast den Master nur gemacht, um..." „Um an Infos zu kommen. Genau. Ich hatte nie wirklich Interesse an Mathe. Aber das hätte mein Vater nie begriffen. Wir sprechen hier von einem total fixierten Fachidioten, dessen Welt sich nur um Zahlen und Beweise gedreht hat." Okay, das war vielleicht nicht die netteste Beschreibung für meinen Vater, aber ich hatte keine andere, denn dazu hatte er mich damals viel zu sehr im Stich gelassen und sich nicht auf meine Seite gegen Mama gestellt.

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt