Kapitel 129

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Die Idee in zwei Wochen hier auf der Insel zu heiraten war mir wirklich genial vorgekommen. Das legte sich aber schnell. Spätestens in dem Moment, in dem Lucy mit einem Notizbuch und einem Stift in der Hand vor mir stand. „Also, wir müssen uns um eine Location zum Feiern kümmern. Und wir müssen eine Gästeliste erstellen. Außerdem müssen wir noch die Trauung und die entsprechenden Formalitäten klären." Ich schaute meine zukünftige Schwägerin schockiert an. Das war mir einfach zu viel müssen. Ich hasste dieses Wort, denn ich hatte in meinem Leben schon viel zu oft etwas gemusst. Irgendwie bekam ich bei diesem Wort immer gleich so ein Gefühl des Widerstands. Konnte man nicht einfach das Wort können benutzen? Das ließ einem zumindest das Gefühl einer Wahl. Oder sollten. Das implizierte zwar die Notwendigkeit, aber auch immer noch eine minimale Wahlmöglichkeit etwas nicht zu tun. „Müssen muss man nur auf Toilette oder sterben", mischte sich Paula ein und zwinkerte mir zu. Ja klar, sie kannte mich gut genug. Und es war ihr Standardspruch von früher, den sie mir schon immer zum Trost um die Ohren gehauen hatte, wenn meine Mutter mal wieder ihre ganzen Muss-Anweisungen vom Stapel gelassen hatte. Ich grinste breit. Es war so schön, dass sich manche Dinge doch nie änderten. Egal, was passierte. Irgendwie kam endlich dieses total vertraute Gefühl wieder in mir auf, das ich so lange vermisst hatte......und es fühlte sich unglaublich gut an. Ja, Paula und ich hatten uns vielleicht eine Weile nicht gesehen, aber da gab es so viel, dass uns beide miteinander verband. „Also bei mir war der Bräutigam und die Trauzeugen dafür verantwortlich alles zu organisieren. Mein Erpel wusste, dass ich sonst nicht ja sage." Tessa war mit Sicherheit nicht der Prototyp einer Hochzeitsromantikerin. Und was war ich? „Das finde ich einen guten Ansatz", hörte ich mich sagen. „Dann muss ich wohl erst einmal meiner Trauzeugin das Mandat erteilen." Mein Blick wanderte zwischen Lucy, Tessa und Paula hin und her. Mir war zwar in meinem Innersten schon längst klar, wen ich da auswählte, aber ich wollte ja auch niemanden enttäuschen....

„Danke, für alles!" Paula schaute mich mit glitzernden Augen an. „Du hast wirklich dafür gesorgt, dass alles absolut ein Traum war." Sie schlang ihre Arme um mich und drückte mich ganz fest an sich. „Du bist die allerbeste Freundin und Trauzeugin, die man sich wünschen kann." Okay, scheinbar war sie heute echt total auf Glückshormonen unterwegs. So sollte es aber auch zur Hochzeit sein. Und ich hatte mein Möglichstes gegeben, um auch ein paar Hormone beizusteuern. „Die Pferdekutsche muss doch ein Vermögen gekostet haben." Ja, ganz umsonst war sie nicht gewesen, aber ich hatte ja letzten Monat einen richtig guten Auftrag. Da war es kein Problem meiner Freundin diesen lang gehegten Wunsch zu erfüllen. Schon als Teenager hatte sie von der Kutsche mit den Schimmeln geträumt. „Nein, war nur ein halbes Vermögen. Also kein Drama.", kicherte ich immer noch in ihrer festen Umarmung. „Ich weiß gar nicht, wie ich das jemals wieder gut machen soll." Paula entwich ein kleines Schluchzen. Ja, heute war sie wirklich dicht am Wasser gebaut. Ob ich das wohl auch irgendwann war, wenn ich einmal heiratete? „Indem du auch meine Trauzeugin bist, wenn es denn mal soweit ist." Paula drückte mir einen Schmatzer auf meine Wange. „Das ist doch Ehrensache!"

„Mich brauchst du da gar nicht so anschauen. Ich bin dafür total ungeeignet." Tessa hob abwehrend ihre Arme. Mein Blick wanderte weiter zu Lucy, die mich anlächelte. „Und ich bin deine zukünftige Schwägerin. Ich muss dir auch so helfen." Erleichtert atmete ich auf. „Paula, kannst du dich noch an deine Hochzeit und dein Versprechen erinnern?" Meine Freundin nickte. „Natürlich kann ich das....ich habe Paul versprochen ihn ewig zu lieben, zu ehren und ihm treu zu sein." In ihrem Gesicht tauchte ein breites Grinsen auf. „Und ich habe dir versprochen deine Trauzeugin zu sein und mich zu revanchieren." „Dann hast du den Job jetzt an der Backe, sowie Genia gerade aussieht." Tessa deutete auf Paula und atmete demonstrativ tief durch. „Wenn du das immer noch möchtest, dann mache ich das gerne." „Und ob ich das möchte." Ich umarmte meine Freundin genauso fest, wie sie mich damals zu ihrer Hochzeit. „Ich freue mich so, dass du wieder in meinem Leben bist." Diesmal war es wohl ich, die ziemlich auf der Glückshormonwelle schwamm.
„Na dann lasst uns loslegen!" Paula schnappte Lucy den Stift und das Notizbuch aus der Hand. „Da sich an deinem Traumheiratsantrag immer noch nichts geändert hat, hat sich wahrscheinlich auch an deiner Traumhochzeit nichts geändert?" Ich schüttelte meinen Kopf.

„Also eine Pferdekutsche mit Schimmeln ist ein Muss. Sonst sage ich nicht ja. Und wie stellst du dir deine Hochzeit vor?" Paula schleckte an ihrem Eis und schaute mich erwartungsvoll an. Ich zuckte mit den Schultern. Also eine Pferdekutsche brauchte ich nicht. Das war klar. Ich wollte einfach nur, dass die Leute sich wohl fühlten.....und dass ich mich wohl fühlte...... „Also ich will einfach nur eine coole Party, wo alle Spaß haben. Kein so planmäßiges Brimborium." Nee, ich hasste diese ollen Feiern von meiner Mutter, wo alle nur verkleidet herumliefen und keiner wirklich Spaß hatte, weil alle nur darauf achteten eine bestimmte Etikette einzuhalten. Zu meiner Hochzeit sollte jeder einfach so kommen, wie es ihm gefiel. Und wenn das in Jeans war, dann war das auch okay. „Am liebsten würde ich einfach irgendwo am Strand feiern und barfuß im Sand tanzen."

„Na dann ist ja schon die Partylocation klar. Wir müssen uns nur noch um die Umsetzung kümmern. Das heißt, du kannst jetzt zu deinem Zukünftigen und deiner Tochter gehen, während wir uns um alles kümmern." Paula deutete zu Luca, der wieder einmal mit Espie eine Sandburg vorne am Meer baute. „Aber soll ich euch nicht....." „Nein, du sollst den beiden nicht helfen. Die schaffen das schon ganz alleine. Und ich begleite dich, um sicher zu gehen, dass du auch wirklich bei meinem Patenkind ankommst." Tessa sprang von ihrem Liegestuhl auf und hakte sich bei mir unter. So wie es aussah, hatte ich die perfekte Trauzeugin und zukünftige Schwägerin, wenn ich einfach meinen Strandtag genießen konnte.

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt