Ich öffnete meine Augen und streckte mich. Da war es wieder ein neues Jahr. Wie jedes Jahr rauschte sofort eine Frage durch meinen Kopf. Wie es wohl werden würde? Was würde sich alles ändern? Was würde bleiben wie es war? Gab es große Überraschungen, die es für mich bereit hielt? Und wenn welche? Natürlich hoffte ich nur gute. Schlechtes hatte ich ja schon genug hinter mich gebracht. Was für ein blöder Gedanke, schollt ich mich. Wieso begann ich an Neujahr, über so etwas zu grübeln? Okay, es gab eine neue Jahreszahl. Aber das war ja auch schon alles, was es scheinbar brauchte, um einen eine persönliche Jahresinventur und Neujahrsprognose erstellen zu lassen. Eigentlich wünschte ich mir nichts weiter, als dass mein kommendes Jahr weiter so gut verlief, wie das letzte. Für mich war nur wichtig, dass es meinem kleinen Sonnenschein gut ging und an nichts fehlte. Dann war ich schon rundum glücklich. Mein Blick ging zur Uhr und ich stellte erstaunt fest, dass es bereits neun Uhr durch war, aber meine kleine Espie scheinbar noch tief und fest schlief, denn sonst hätte sie schon längst vor mir gestanden und mich mit einem feuchten Schmatzer auf die Wange geweckt. Mein Blick wanderte zur anderen Sofaseite, auf der Luca die Nacht verbracht hatte, weil unsere Gäste ja sein Zimmer bekommen hatten. Scheinbar war er aber nicht so eine Schlafmütze wie meine Tochter, denn von ihm war nur noch sein Bettzeug übrig. Ich setzte mich auf und schwang meine Füße über die Sofakante. Dann war es wohl für mich auch an der Zeit aufzustehen und mich schon einmal um das Frühstück für unseren Besuch zu kümmern. Ich schlich mich leise über den Flur. Im Bad hörte ich leise Wasser rauschen. Dann wusste ich ja, wo mein Mitbewohner sich gerade aufhielt. Ich lauschte an der Tür meiner Tochter und hörte leises Gekicher. Okay, die Mädels waren also auch schon wach. Dann war es wirklich höchste Zeit, dass ich mich in die Küche schwang und etwas für dir hungrigen Mägen zauberte. Vielleicht zauberte ich ein paar von meinen leckeren Blaubeer Pfannkuchen. Meine Gedanken wanderten viele Jahre zurück.....„Und das wichtigste ist, dass du immer den Einschnee locker unterhebst." Ich nickte und befolgte Frau Kowalskis Anweisung. Seit ich aus Belgien zurück war, hatte sich meine Welt ziemlich verändert. Ich ging zur Schule und traf mich nachmittags mit Paula. Soweit war alles beim Alten. Ansonsten verschanzte ich mich viel bei Frau Kowalski, die mich immer versuchte aufzumuntern. Sie schien die einzige zu sein, die merkte, dass es mir nicht wirklich gut ging. Meine kleine Carmen fehlte mir so unendlich, während für meine Eltern das Leben ganz normal weiterging, als hätte es sie nie gegeben. Mama lief in ihrer Firma auf Hochtouren und schleppte mich zu allen möglichen Veranstaltungen mit, um mich von einem Wirtschaftsstudium zu überzeugen....und Papa drillte mich mit Mathe. Für die beiden war alles wunderbar....nur für mich nicht. Egal mit wem von beiden ich etwas unternehmen musste, war es immer wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Ich hatte jegliches Vertrauen in sie verloren. Mein größtes Problem war aber, dass ich auf sie angewiesen war. Ich konnte ja nicht einfach abhauen. Wovon sollte ich denn dann leben. Außerdem würde ich dann nie eine Chance auf meine Kleine haben. Also blieb mir nur die Möglichkeit mich gut für die Zukunft aufzustellen, um ihr etwas bieten zu können, wenn ich sie dann fand, beziehungsweise die Ressourcen zur Verfügung zu haben, um die Suche erfolgreicher zu gestalten. Also musste ich mich erst einmal so aufstellen, dass ich irgendwann wirklich unabhängig und finanziell gut gestellt war. Und da blieb nur eins, Bildung inhalieren, wo es ging. „Wie läuft es denn bei dir in der Schule?" Frau Kowalski schaute mich interessiert an. „Sind nicht bald deine Abiturprüfungen?" Ich nickte. „Ja, in zwei Monaten fangen sie an. Das dürfte aber alles kein Problem sein." Ja, ich war mir sicher, dass ich das locker aus dem Ärmel schüttelte. Frau Kowalski strich mir mit der Hand über den Arm. „Das freut mich. Nicht jeder hätte deinen Verlust so verkraftet." Ich musste schlucken. Ehe ich mich kurz räusperte und mit den Schultern zuckte. „Es muss ja weitergehen." Ja, das musste es, auch wenn keiner etwas davon wusste, dass ich noch lange nicht aufgegeben hatte, meine kleine Carmen zu finden. Nein, das würde ich niemals aufgeben. Ich hoffte nur, dass es ihr gut ging, wo auch immer sie gerade war und sich jemand liebevoll um sie kümmerte. Schließlich war sie doch gerade erst zwei Jahre geworden.....
Gerade als ich die Küchentür öffnen wollte, hörte ich zwei Männerstimmen. Ups, dann war das gar nicht Luca, der im Bad war. „Das hätte ich Leonie echt nicht zugetraut! Das ist ja mal ein Ding." Linus hörte sich total geschockt an. Ich verzog mein Gesicht. Eigentlich sollte ich jetzt einen Abgang machen und die beiden weiter reden lassen......andererseits......andererseits war ich schon etwas neugierig, was da vorgefallen war. Obwohl neugierig traf es nur bedingt. Ich wollte ja nur wissen, was es war, damit ich Luca vielleicht unterstützen konnte. Das hatte ja nichts mit Neugier zu tun. „Und du bist dann einfach abgehauen und sie ist da geblieben?" „Was hätte ich denn sonst machen sollen? Eine Zukunft mit ihr ist für mich da gestorben." Lucas Tonfall war leicht aufbrausend. „Das verstehe ich irgendwie schon, aber ...." „Nichts aber. Ich mache mich da doch dann nicht mehr zum Lappen. Sie hat ja nicht einmal vorher mit mir darüber gesprochen, sondern mich gleich vor vollendete Tatsachen gestellt. Obwohl nicht mal wirklich das. Verstehst du...." Es entstand eine kurze Pause. „Wenn ich nicht durch Zufall die Abrechnung gefunden hätte, hätte ich nicht einmal etwas von dem Ganzen erfahren." Verflucht, wovon sprach er gerade? Konnte er sich nicht klarer ausdrücken? So verstand ich ja den Sinn überhaupt nicht. „Jedenfalls konnte ich unmöglich dort bleiben." „Verstehe ich schon. Das ist echt ein dickes Brett. Da hätte wohl jeder dran zu knabbern. Und was willst du jetzt machen? Wieder studieren?" „Keine Ahnung. Erst einmal schauen. Ich wüsste gerade auch echt nicht was, nur was garantiert nicht." „Und das wäre?" „Wirtschaft, definitiv nie wieder." Linus lachte auf. „Das aus deinem Mund hätte ich niemals erwartet. Aber du scheinst mir entschlossen. Wenn du Ideen entwickeln willst, können wir uns ja auch noch mal zusammen einen Kopf machen." Hinter mir hörte ich ein leises Rascheln und drehte mich um. Na toll! Ich starrte in das Gesicht von Ina, die scheinbar wie ein Indianer auf dem Kriegspfad aus dem Bad geschlichen war und mich jetzt mit einer hochgezogenen Augenbraue musterte. Na super, das Jahr fing ja schon richtig gut an. Noch nicht einmal 10 Uhr und ich wurde schon beim Lauschen in der eigenen Wohnung vom Essiggürkchen erwischt. Entschlossen drückte ich die Türklinke und riss die Küchentür auf als wäre nichts gewesen. Manchmal kam nur dreist weiter!
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Schuss und Treffer - zum Comeback ✔️ Teil 12
RomanceGenia hat in ihrem Leben schon viele Höhen, aber noch viel mehr Tiefen gesehen. Und wer in seinem Leben schon auf dem Tiefpunkt war, der will nur noch in eine Richtung - nach oben - aber nicht mehr um jeden Preis, denn da gibt es auch noch ein klein...