Immer noch erleichtert atmete ich auf, dass mein Einfall funktioniert hatte. Luca hatte meine Entschuldigung geschluckt und war nicht einfach verschwunden. Ich hätte mir das nie verzeihen können, wenn er am Heiligabend einfach so abgehauen wäre, um irgendwo alleine seine Wunden zu lecken. Denn das er die hatte, war mittlerweile für mich nicht mehr zu übersehen. So wie er reagiert hatte, mussten es sogar ziemlich tiefe sein. Ich fragte mich, was da in Costa Rica vorgefallen war. Vor nicht einmal zwei Monaten hatte er noch meinen Mietvertrag um ein Jahr verlängert, weil er länger dort bleiben wollte und jetzt war er hier.....und.... versteckte sich förmlich. Irgendetwas stimmte da absolut nicht. Aber was? Ich griff nach der Fernbedienung für die LED Kerzen und entzündete sie, nachdem ich bereits die Pralinenschachtel auf den Tisch gestellt hatte. Auch die Weinflasche von Phil und zwei Gläser standen dort. Mein Blick glitt über den Tisch. Ja, das sah so ganz heimelig aus. Jetzt musste ich nur noch den perfekten Aufhänger finden, wie ich mich bei Luca dafür bedanken konnte, dass er hier Phil als Weihnachtsmann angeschleppt hatte......ohne ihm gleich wieder irgendwie auf die Füße zu treten. Manchmal war ich in meiner Wortwahl ziemlich direkt und wurde einfach missverstanden. Grübelnd ließ ich mich auf dem Sofa nieder und schaute zur Tür, durch die Luca gerade wieder hereinkam. Er ließ sich gegenüber in den Sessel plumpsen und streckte seine Beine weit von sich. „Ich war eben noch einmal bei der Kleinen schauen. Sie schläft wie ein kleiner Stein. Das war heute wohl alles ganz schön aufregend für sie." Na das nannte ich doch die perfekte Vorlage. „Danke, dass du dafür gesorgt hast, dass der Tag für sie so aufregend war." Er zuckte mit den Schultern. „Was habe ich schon groß gemacht?" „Ich sage nur Schlitten und Weihnachtsmann." Ein breites Lächeln tauchte in seinem Gesicht auf.„Das war doch Ehrensache." „Wie hast du das mit Phil überhaupt so schnell geregelt bekommen?" Luca fuhr sich mit seiner Hand durch den Nacken. „Sagen wir mal so, ich habe ihn durch Zufall auf dem Parkplatz von dem Spielwarengeschäft getroffen, bei dem ich den Schlitten gekauft habe. Und als ich das Weihnachtsmannkostüm in seinem Auto habe liegen sehen, habe ich die Chance ergriffen und ihn gefragt, ob er es mir mal kurz ausleihen kann. Im Geschäft gab es nämlich keine mehr. Die waren schon ausverkauft. Und dann hat er halt angeboten das selbst zu übernehmen." Erstaunt schaute ich ihn an. „Du wolltest dich selbst verkleiden?" „Na Weihnachten ohne Weihnachtsmann ist doch kein richtiges Weihnachten." Ich musste schmunzeln, weil das aus seinem Mund irgendwie.....irgendwie süß klang. „Vielen lieben Dank" Ich schenkte ihm ein Lächeln. „Das war einfach der Wahnsinn. Espie hat sich so sehr gefreut. Das kann ich nie wieder bei dir gut machen." Er winkte nur ab. „Musst du auch nicht. Das Lachen von der kleinen Maus ist Dank genug." Wir verfielen in Schweigen und nur die leise Weihnachtsmusik im Hintergrund war zu hören. „Last Christmas", lachte Luca plötzlich auf. „Das ist Moms Lieblingslied und Dad blutet dabei fast immer aus den Ohren." „Warum bist du nicht zu deiner Familie nach Bayern gefahren? Sie hätten sich doch mit Sicherheit gefreut, dich bei sich zu haben. So lange wie ihr euch nicht gesehen habt." Lucas Gesicht verfinsterte sich wieder etwas. Verflucht, warum konnte ich nicht einfach meine Klappe halten. Oder wenigstens vorher nachdenken, ehe ich sie aufriss. Wahrscheinlich wirkte das gerade nicht nur tierisch neugierig und übergriffig, sondern auch wieder wie ein verdeckter Rauswurf. „Also nicht, dass Espie und ich nicht glücklich sind, dass du nicht gefahren bist", versuchte ich die ganze Sache noch schnell zu entschärfen. „Manchmal passieren im Leben Sachen, die man erst einmal für sich alleine realisieren muss. Und meine Familie lässt einem dazu nicht wirklich die Ruhe. Sie muss immer überall ihre Nase hineinstecken und die Marschrichtung bestimmen." Okay, das kannte ich auch.„Bärbel, setz dich auf deine vier Buchstaben und beginn endlich wieder zu lernen." Mama schaute mich auffordernd an. „So ein Kerl ist kein Grund sich hängen zu lassen." Irgendwie hatte sie davon erfahren, dass ich Liebeskummer hatte. Conny hatte ernst gemacht und ging mir konsequent aus dem Weg. Ich hatte ihn letzte Woche sogar mit einer anderen Studentin knutschen sehen. Bei dem Anblick war ich fast zusammengebrochen. In mir tat alles so weh. Ich bekam kaum noch einen Happen herunter und fühlte mich hundeelend. „Du hast nicht mehr viel Zeit bis zu deinem Abitur. Nur wer frühzeitig gut aufgestellt ist, bekommt auch den verdienten Lohn." Mama wusste nicht, wie egal mir gerade das Abitur und irgendwelcher Lohn war. Papa war zu uns getreten.
„Ja Genia, deine Mutter hat recht. Nur der frühe Vogel fängt den Wurm. Du hast auch bei den Vorbereitungskursen an der Universität alles in letzter Zeit schleifen lassen. Mein Kollege hat mich schon gefragt, woran das liegt. Am besten setzen wir uns am Wochenende mal hin und arbeiten etwas auf." Ich wollte überhaupt nicht mehr an diese blöde Universität, wo ich Conny dann mit anderen Studentinnen sah. Ich wollte mich am liebsten einfach in meinem Zimmer verbuddeln. „Wir müssen jetzt aber los, Johannes. Die Veranstaltung der Handelskammer fängt für uns nicht extra später an." Mama schnappte sich ihre Handtasche und lief zur Tür. Papa strich mir kurz über die Schulter. „Wir bekommen das in Mathe schon wieder hin." Ich nickte nur, als er mir einen Kuss auf meine Stirn drückte und dann hinter Mama hinterher lief.
„Alles okay, meine Süße?" Ich drehte mich zu Frau Kowalski um, die uns scheinbar beobachtet hatte. Ich schüttelte sofort den Kopf und spürte die Tränen laufen. Im nächsten Moment wurde ich in ihre Arme gezogen. „Na, dann erzähl mal..." Manchmal brauchte es wirklich eine andere Person als die Familie, um sein Herz auszuschütten. Eine, die keine Erwartung hatte oder Forderungen stellte.Vielleicht konnte ich ja die Person für Luca sein. Lebenserfahrung hatte ich mit Sicherheit mehr als genug, wenn auch nicht nur positive. Aber vielleicht half ja gerade das. Eins war mir jedenfalls klar, ich musste es auf alle Fälle sehr behutsam angehen, damit er sich bei mir nicht auch einfach verschloss. Nein, er musste alleine damit anfangen zu reden. Aber ein kleiner Anstoss war schon okay. „Ist Costa Rica eigentlich wirklich so ein schönes Land, wie alle immer behaupten?"
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Schuss und Treffer - zum Comeback ✔️ Teil 12
RomanceGenia hat in ihrem Leben schon viele Höhen, aber noch viel mehr Tiefen gesehen. Und wer in seinem Leben schon auf dem Tiefpunkt war, der will nur noch in eine Richtung - nach oben - aber nicht mehr um jeden Preis, denn da gibt es auch noch ein klein...