Kapitel 86

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Natürlich hatte Linus Erfolg. Nicht nur, dass er für Luca einen Job in einem Nachhilfeinstitut organisiert hatte, nein sein Plan war natürlich auch sofort aufgegangen und Luca hatte total begeistert darauf reagiert, trotz seines gebrochenen Beins wieder Geld zu verdienen und zu unserem Haushalt beizusteuern. Das war ihm extrem wichtig. Hoffentlich stand es uns nicht im Weg, wenn es darum ging ihn von einem Studium zu überzeugen. Ich war mir noch nicht sicher, dass er sich damit abfinden konnte von meinem oder dem Geld seiner Eltern abhängig zu sein. Was das anging war sein Stolz einfach überdimensional. Aber irgendetwas würde mir auch da einfallen, um ihn zu besänftigen.
„Hallo Spatzl!" Luca begrüßte mich mit einem Kuss. Ich hielt ihm die Autotür  auf und nahm ihm seine Gehhilfen ab, nachdem er es sich auf dem Sitz bequem gemacht hatte. Ja, aufgrund seiner Verletzung bedeutet es für mich, dass ich den Fahrdienst spielte und ihn mit seinem Auto zu seinem Job fuhr und abholte. „Na, wie war dein Tag?" Das war meine Standardfrage. Luca begann zu grinsen. „Super. Ich hatte da heute ein Mädchen." Er schüttelte grinsend den Kopf. „Die wollte mir allen Ernstes erklären, dass es an der Hirnstruktur der Frauen liegt, dass sie Mathematik nicht verstehen. Dabei hat sie mir einen 1A Vortrag über das menschliche Gehirn gehalten. Sie war....." Ich hörte Lucas begeisterten Erzählungen weiter zu, während ich mich wieder in den Verkehr einfädelte. „Wo ist Espie? Müssen wir sie noch aus der Kita abholen?" Luca schaute mich überrascht an, nachdem ihm scheinbar erst jetzt aufgefallen war, dass keine Kinderlieder aus dem Lautsprecher schollen und es ungewohnt ruhig hier im Auto war. In aller Regel holte ich nämlich Espie immer ab, bevor ich zu Luca fuhr, um ihn auch einzusammeln. Heute hatte ich sie aber schon mittags abgeholt, da ich für den heutigen Tag etwas geplant hatte, um Luca wieder einen weiteren Schritt in die richtige Richtung zu führen. „Espie ist zu Hause." Luca gab ein leises Stöhnen von sich. „Das kann doch nur heißen, dass meine Familie mal wieder über uns hergefallen ist." Er verzog sein Gesicht und gab ein erneutes Stöhnen von sich. „Ich dachte, wir machen uns heute einen schönen gemütlichen Restnachmittag und Abend." Seine Hand wanderte auf meinen Oberschenkel und blieb dort liegen. Okay, das vermittelte mir so in etwa, was seine Idee von einem gemütlichen Abend gewesen wäre. Innerlich verfluchte ich mich, dass ich den ganzen weiblichen Goretzka Clan und dazu noch Maja eingeladen hatte. Aber vielleicht kamen wir mit unserer geballten Frauenpower ja flott bei Luca voran..... der Abend war ja schließlich ziemlich lang...
„Luda!" Espie kam uns schon im Flur fröhlich kichernd entgegen gelaufen. Ihr folgte Paolo. „Dumbo!" auch Carmen begrüßte ihren Onkel überschwänglich. „Na, ihr scheint euch ja mächtig auf mich gefreut zu haben." Luca knuddelte einen nach dem anderen. „Hast du wieder Probleme in der Schule?", kam dann als nächstes die Frage an seine Nichte, die empört den Kopf schüttelte. „Nee, das verstehe ich doch jetzt alles, nachdem du es mir erklärt hast. Außerdem gibt es in zwei Wochen Zeugnisse. Da gibt es keine Hausaufgaben mehr. Wir machen ja nicht einmal mehr richtigen Unterricht." Das klang fast wie eine Beschwerde. „Warum müssen wir dann überhaupt noch da hingehen? Dann können doch auch schon gleich Ferien sein." Okay, diesen Einwand konnte ich irgendwie nachvollziehen. „Du willst ja nur länger schlafen, du faules Gemüse." Lucy legte den Arm um die Schulter ihrer Adoptivtochter und grinste ihren Bruder an, ehe sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihrem Bruder ein Küsschen auf die Wange drückte. „Na Dumbo, wie war dein Tag?" Über seinen Rücken hinweg zwinkerte sie mir verschwörerisch zu, als er sofort wieder von dem Mädchen zu erzählen anfing, von dem er mir bereits im Auto erzählt hatte. Da Luca erst einmal beschäftigt war, machte ich mich lieber auf den Weg in die Küche, denn wenn die Familie Goretzka zu Besuch war, sollte man immer genug Essen vorbereitet haben. „Soll ich dir helfen?" Lisa stand in der Küchentür und schaute mich fragend an. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nicht nötig. Willst du nicht lieber Lucy bei der Überzeugungsarbeit helfen?" Diesmal schüttelte Lisa den Kopf. „Naa, ich dachte ich starte später einen eigenen Versuch. Du weißt schon, so nachsetzend. Wenn wir uns gleich alle auf ihn schmeißen, macht er nur zu. Aber wenn wir nacheinander ansetzen, ist das garantiert erfolgversprechender." Ja, das hörte sich sinnvoll an. „Na dann bring schon einmal die Teller rein. Ich komme gleich mit dem Kuchen nach." Lisa reckte neugierig ihren Kopf. „Was gibt es denn für welchen? Hast du wieder diesen leckeren Apfelkuchen mit dem vielen Zimt gemacht?" Wie gut, dass ich ihn wirklich gemacht hatte, denn mit der Schwiegermutter wollte man es sich ja nicht verscherzen. Jedenfalls hatte ich das immer gehört, auch wenn ich selbst in diesem Bereich noch kaum Erfahrungen hatte. Alleine bei dem Gedanken, dass Lisa meine Schwiegermutter werden könnte, musste ich schmunzeln. Irgendwie war das schon creepy, da sie ja gerade einmal acht Jahre älter als ich war. Ich schnappte mir die Kuchenplatte und marschierte ins Wohnzimmer. „Wer kommt denn jetzt noch?" Luca schaute mich fragend an, als es an der Tür klingelte. „Ich mache schon auf." Ehe wir reagieren konnten, war Lucy schon aufgesprungen.  „Ja, Luca wie gefällt dir denn dein neuer Job?" Okay, dann begann jetzt wohl Lisas angekündigtes Nachsetzen. Auch sie zwinkerte mir verschwörerisch zu, während Luca bereits wieder begonnen hatte begeistert zu erzählen. „Hallihallo!" „Maja?" Luca schaute überrascht zu unserem Neuankömmling, der einige Bücher in seiner Hand hatte. „Ich habe gehört, dass du in meine Fußstapfen treten willst. Also habe ich mir gedacht, ich bringe dir mal etwas Fachliteratur vorbei. Ich brauche sie ja nicht mehr." Ja, davon konnte man ausgehen, denn soviel Erfolg wie sie als Musikerin hatte, würde sie wohl nie als Lehrerin in einem Klassenzimmer landen. Trotzdem hätte sie das ganze schon etwas diplomatischer ausdrücken können. „Kommt Linus auch noch zufällig vorbei?"  Ich spürte Lucas  Blick auf mir und war mir nicht so sicher, was er zu bedeuten hatte.

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt