Kapitel 113

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„Mama! Is au einpatten!" Espie stand mit einem Arm voll Spielzeug vor mir und schaute mich erwartungsvoll an. „Ach mein Sonnenschein, wir können nicht dein ganzes Spielzeug mitnehmen. Wir haben doch nur den einen Koffer und da müssen auch unsere anderen Sachen rein." Das Gesicht meiner Tochter wurde von Enttäuschung überschwemmt. „Zeig mal Espie, vielleicht bekomme ich ja noch etwas in meinen Koffer. Männer nehmen ja nicht so viel wie Frauen mit." Meine Tochter war sofort mit hoffnungsvollem Gesichtsausdruck zu Luca weitergetrabt. „Was heißt hier Frauen nehmen mehr mit? Das stimmt doch gar nicht. Wir zwei teilen uns schließlich einen Koffer", protestierte ich. Ja, ich hatte mich für nur einen Koffer für uns entschieden. Obwohl entschieden traf es nicht so ganz. Wir hatten einfach nicht mehr als einen Koffer und ich war nicht bereit einen zweiten zu kaufen. Der eine hatte schon genug gekostet. Es war ja Wahnsinn, was so ein Teil kostete, wenn man einen qualitativ hochwertigen kaufen wollte, der mehr als einmal bei der Verladung durch die Gegend gefeuert wurde, dann zahlte man mehr als für eine günstige Urlaubsreise. „Meine Eltern könnten euch mit Sicherheit noch einen leihen. So vermögend wie du jetzt bist, könntest du euch aber auch noch einen kaufen." Luca zwinkerte mir zu. Ja, nach dem Besuch auf dem Friedhof hatte ich mich entschlossen das Erbe doch anzunehmen. Alex, Luca und mein Vater hatten recht gehabt. Es stand mir nicht nur als Entschädigung zu, sondern ich musste ja auch an die Zukunft meiner Tochter denken. Das hieß aber auch, dass das Geld nicht für überflüssige, überteuerte Sachen hinausgeworfen wurde, denn auch jede noch so üppige Resource war endlich. „Hast du schon dem Nachlassverwalter Bescheid gegeben?" Ich nickte. „Ja, das habe ich gestern noch gemacht. Wir treffen uns dann nach dem Urlaub, um alles zu besprechen." Der Knilch hatte wohl auch keine andere Antwort von mir erwartet, so wie er am Telefon reagiert hatte. „Dann habe ich auch genug Zeit mich noch wegen der Stiftung schlau zu machen."  Ja, die Idee hatte mich nicht mehr losgelassen. Zum einen fand ich es toll, wenn mit dem Geld meiner Mutter auch einmal etwas Gutes und Sinnvolles passierte. Schließlich hatten mit Sicherheit genug Menschen, einschließlich mir, unter ihrer unerschöpflichen Gier leiden müssen. Der Gier, die dann im Allgemeinen als Geschäftssinn betitelt wird. Was aber nichts anderes besagt, als dass die Leute auch bereit waren über Leichen zu gehen, wenn es nur gut für ihre Unternehmensbilanz war. Und zum anderen war es meine Möglichkeit anderen Mädels, die in die gleiche Situation wie ich damals gerieten, zu helfen. „Ich kann dir ja helfen. Bestimmt gibt es beim Stiftungsrecht auch das eine oder andere, was wir doch noch von meinem Wirtschaftsstudium nutzen können. Dann waren die zwei Jahre wenigstens nicht ganz für den Arsch." Ich schaute grinsend zu Luca. „Waren sie sowieso nicht, denn du musst mir ja helfen diese blöden Geschäftsberichte zu prüfen. Woher soll ich sonst wissen, ob der Geschäftsführer auch wirklich ordentliche Arbeit leistet." Ja, ich hatte mich entschieden alles so weiterlaufen zu lassen wie in den letzten Jahren. Scheinbar war das ja gut gelaufen. Warum sollte ich also eingreifen. Es waren auch wieder Papa und Luca, die mich überzeugt hatten die Firma nicht zu verkaufen, sondern einfach so weiterführen zu lassen wie bisher. Scheinbar hatte ich da ja einen ziemlich fähigen Mann sitzen und musste mich nicht wirklich darum kümmern. Außerdem ging ich ja kein Risiko ein. Im schlimmsten Fall war das Geld halt weg und ich wäre beim Status quo. Dank meiner Mutter war ja die Geschäftsform so gewählt, dass ich nicht mit meinem Besitz haftete. Das wiederum sorgte dafür, dass selbst im schlimmsten Fall bei einer Pleite der Firma die Villa und der restliche Besitz erhalten blieb. Ich schüttelte kurz meinen Kopf.  „Was ist denn Spatzl?" Luca hatte meine Regung wohl bemerkt. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich auf einmal so viel Kohle habe und nicht einmal mehr arbeiten müsste." Ja, das war noch so irreal. „Hast du denn schon mit deinem Chef gesprochen?" „Nein, ich warte erst einmal noch ab bis nach dem Urlaub." Irgendwie misstraute ich dem Ganzen doch noch. Vielleicht war es ja doch nur ein übler Scherz meiner Mutter und plötzlich tauchte doch noch ein Testament auf in dem sie alles dem Tierheim vermachte. Nee, das würde garantiert nicht passieren. Sie hasste Tiere.....

„Und hast du dir schon überlegt, was du dir zu deinem 10.Geburtstag wünschst?" Papa schaute mich neugierig an. „Ich wünsche mir ein Kaninchen." Ja, das hatte ich mir ganz genau überlegt. Paula hatte nämlich auch ein Kaninchen. „Ich möchte so eins mit ganz langen kuscheligen Haaren, was total flauschig ist." „Du meinst ein Angorakaninchen?" Ich nickte. „So ein Viech kommt mir nicht ins Haus. Das macht nur Schmutz und kostet Geld. Kaninchen haben höchstens als Jacke oder Fellkragen einen Sinn und das auch nicht einmal wirklich, da ist ein Nerz schon etwas ganz anderes." Ich riss meine Augen auf und schaute Mama schockiert an....

Nee, eher würde sie damit wohl irgendein Wirtschaftsstipendiatenprogramm unterstützen. Und andererseits schloss ich einen Scherz aus - selbst einen üblen Scherz - denn meine Mutter hatte den Humor nicht gerade für sich gebucht. Wahrscheinlich war sie ihr Leben lang in den Keller zum Lachen gegangen und hatte dabei sogar das Licht ausgeschaltet. Humor war für sie etwas total Überflüssiges, denn damit konnte man ja kein Geld verdienen, sondern nur mit Härte und Durchsetzungskraft.
„Du hast vollkommen recht. Lass uns erst einmal unseren Urlaub richtig genießen. Und dann kannst du dir immer noch überlegen, was du dann machen willst." Luca kam auf mich zu und schlang seine Arme um mich. „Weißt du, wie sehr ich mich schon darauf freue mit dir am Strand zu liegen?" Ich musste grinsen. „Mindestens genauso sehr wie ich." An meinem Bein spürte ich ein Stupsen. „Is au!" Espie reckte uns ihre Arme entgegen und Luca hob sie hoch. „Wir werden zusammen einen unglaublich schönen Urlaub haben." Ja, da war ich mir sicher. Mein kleiner Sonnenschein würde den Strand und das Meer liebe. Und Luca...mit Luca war immer alles unglaublich und schön. Mit meinen beiden liebsten Menschen um mich konnte der Urlaub nur wundervoll werden.

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt