Atemlos und leicht verschwitzt kam ich am Spielplatz an. Mein Fahrrad schob ich an den Rand und verschaffte mir einen schnellen Überblick. Ich sah zwei Mütter auf einer Bank sitzen und schwatzen, während ihre drei Kinder die Rutsche belagerten. Von Luca und Espie fehlte aber jede Spur. Ich zog schnell mein Handy aus der Tasche. Lucas Nachricht war von vor einer Stunde. Also müssten sie schon längst hier sein. Mein Herz begann zu rasen. Verflucht, wo waren die beiden? Meine Wut in mir auf Luca mich einfach zu übergehen und eine Entscheidung meine Tochter betreffend zu fällen, wich einer gewissen ängstlichen Unruhe. Hoffentlich war ihnen nichts passiert. „Maamaa!", riss mich das fröhliche Stimmchen meiner Tochter aus meinen Gedanken. Ich drehte mich um und sah in ihr freudigstrahlendes Gesicht, während sie an Lucas Hand auf mich zugelaufen kam. Sofort wechselte mein Gemütszustand von beunruhigt wieder zu ich-reiße-ihm-gleich-den-Kopf-ab. „Hallo, cool, dass du auch her gekommen bist", wurde ich grinsend von dem Mistkerl begrüßt. „Jaaa, Mama toll." „Hoffentlich wartest du noch nicht so lange, aber Espie musste mir erst noch die ganze Kita zeigen und mir ihre ganzen Freundinnen und Erzieherinnen vorstellen. Das hat etwas gedauert." Ja, das konnte ich mir vorstellen. Besonders bei den Erzieherinnen. Da gab es mit Sicherheit zwei Exemplare, die sich ganz besonders vorstellen hatten wollen. Die beiden waren dafür bekannt, dass sie auf Männersuche waren. Und auch wenn es mir eigentlich widerstrebte das zuzugeben, war Luca nicht gerade unansehnlich, wenn man im entsprechenden Alter war. Und die beiden waren mit Sicherheit genau in dem richtigen. „Ja Luda alles zeigt." Espie lächelte mich stolz an. Egal wie stolz meine Kleine auf ihren großen Freund war, so eine Übergriffigkeit konnte ich mir auf keinen Fall bieten lassen. Espie war meine Tochter und ich entschied, wer und wann sie aus der Kita abholte. Und das musste ich jetzt gleich klären, sonst platzte ich nämlich. Innerlich zählte ich bis drei, um mich etwas runterzuholen und ihn nicht sofort vor Espies Augen in der Luft zu zerreißen. „Sonnenschein, magst du schaukeln gehen?" Meine Tochter liebte es hin und her zu schwingen. Natürlich erntete ich ein Nicken und griff nach der Hand meiner Tochter. „Lass mal, ich mache das schon." Luca schnappte sich meine Tochter. Jetzt reichte es ja wohl. Ich schob ihn beiseite und schnappte mir Espie, um sie in den Schaukelsitz zu setzen. „Das ist meine Job. Ich bin die Mutter. Ich habe sie auf die Welt gebracht", blaffte ich ihn an. Luca lachte los. „Joa, dafür würde mir ja auch die Gebärmutter fehlen. Trotzdem kann ich sie doch wohl in die Schaukel setzen. Das eine hat ja mit dem anderen nichts zu tun." Fand er das etwa lustig? Espies Finger klammerten sich begeistert um die Ketten und sie jauchzte auf, als sie das erste Stück durch die Luft schwang. „Kannst du mir mal sagen, was mit dir los ist?" Luca schaute mich nachdenklich an. „Du schaust mich gerade an als würdest du dir überlegen, welche wohl die schmerzhafteste Methode ist, um mich zu töten. Habe ich dir irgendetwas getan?" Immerhin musste man ihm zugestehen, dass er scheinbar wenigstens genug Empathie besaß, um meinen Gefühlszustand zu bemerken. „Du.....du hast einfach über meinen Kopf weg entschieden meine Tochter aus der Kita abzuholen", knurrte ich. „Espie ist meine Tochter und was es da zu entscheiden gibt, entscheide ich.....und zwar ich ganz alleine. Ich bin die Mutter und ich habe das Sagen. Niemand sonst. Niemand mischt sich in unser Leben ein. Ich lasse mir mit Sicherheit mein Kind von niemandem wegnehmen", platzte es wütend aus mir heraus. Nee, das würde ich mir nie, nie wieder bieten lassen. Luca runzelte seine Stirn. „Spinnst du, oder was? Was geht denn bei dir gerade ab? Ich nehme dir doch deine Tochter nicht weg. Außerdem habe ich sie nur aus dem Kindergarten abgeholt, um dich zu entlasten und ihr eine Freude zu machen, weil sie mich heute früh angebettelt hat, dass ich sie auch wieder abhole." Seine Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass ihm gerade jedes Verständnis fehlte. Ich musste schlucken. Das hörte sich eigentlich nett an. Und wenn ich ehrlich zu mir war, hatte ich wahrscheinlich auch ein ganz kleines bisschen überreagiert. Trotzdem.....gerade am heutigen Tag......Ich spürte Tränen in meinen Augen aufsteigen. „Heh, was ist denn?" Luca schaute mich verwirrt an, während die ersten Tränen kullerten. Wütend strich ich mir mit meiner Hand über die Wange. Ich wollte hier nicht mitten auf dem Spielplatz vor meiner Tochter eine Heulattacke bekommen. „Ach Scheiße, meine erste Tochter hat heute Geburtstag", platzte es aus mir heraus. „Erste Tochter?" Sein Blick war noch verwirrter. Ich nickte. „Ja, meine kleine Carmen wird heute zweiundzwanzig Jahre alt und ich habe keinen blassen Schimmer wo sie ist und wie es ihr geht." Man, hörte sich das jämmerlich an. „Zweiundzwanzig? Dann warst du ja erst....." „Ja, ich war damals erst sechzehn als sie geboren wurde."„Du siehst wunderschön in dem Kleid aus." Paula grinste mich breit über den Spiegel an und drehte sich etwas hin und her. „Ich sehe dagegen wie ein Rhinozeros aus." „Du spinnst ja" Ich zeigte ihr einen Vogel. „Du siehst auch total süß aus. Außerdem ist es auch völlig egal, wie wir aussehen. Es ist doch nur die Abiturzeugnisverleihung." Ja, wir hatten es endlich geschafft. „Und du wirst da oben noch extra erwähnt als Jahrgangsbeste. Ich bin so stolz auf dich." Paula umarmte mich. „Meinst du mit der 1,0 kannst du dir endlich bei deinen Eltern ein paar Infos über Carmen erkaufen?" Bis jetzt hatte ich nämlich immer noch keinen Anhaltspunkt, wo meine Tochter abgeblieben war. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich hoffe auf gute ausgelassene Stimmung bei meinem Papa, besonders wenn ich jetzt dann auch Mathe studiere." Ja, ich hatte mich nicht für Wirtschaft entschieden, denn ich war mir sicher, dass ich über meinen Papa eher an Infos kam als über meine Mutter. Sie war verschlossen wie Fort Knox gepaart mit der Auskunftsfreudigkeit eines tollwütigen Bullterriers. Aber meinen Papa konnte ich bestimmt in den nächsten Monaten weich kochen, wenn ich ganz viel mit ihm in der Uni war und Interesse für seine Mathematik heuchelte. Wenn ich ihn gut einlullte, wurde er irgendwann garantiert unvorsichtig und ich bekam Zugang zu allem möglichen. Und dann würde ich die Chance nutzen und zuschlagen. Vielleicht war es ja gar nicht so schlecht einen gutgläubigen, verpeilten Fachidioten als Vater zu haben. Mit Sicherheit war er vieles aber bestimmt nicht misstrauisch. Und das würde ich mir zu nutzen machen. Für Carmen und mich. Ob er dann von mir enttäuscht war? Das war mir ehrlich gesagt ziemlich egal.....schließlich hatte er mich auch enttäuscht als er mich so im Stich gelassen hatte.....
„Okay, dann verstehe ich, warum du gerade nicht so gut drauf bist. Aber ich wollte dir mit Espie wirklich nur helfen." So betroffen wie er schaute, glaubte ich ihm das auch sofort. „Wenn du darüber reden möchtest....ich habe jederzeit ein offenes Ohr." Luca legte seinen Arm um meine Schulter. „So, jetzt sollten wir aber das Spatzl ein bisschen anschieben, sonst wird es ja langweilig. Darf ich?" Diese Frage tat gerade richtig gut. Ja, scheinbar hatte ich wirklich maßlos übertrieben. Von Luca ging keine Gefahr aus. Also nickte ich schnell und fuhr mir noch einmal mit meiner Hand über das Gesicht, um etwaige Tränen verschwinden zu lassen. Ich musste den Tag heute einfach nur überstehen, so wie jedes Jahr ....und jetzt hatte ich ja Espie, die meine ganze Aufmerksamkeit und Liebe verdiente. Schnell zauberte ich mir ein Lächeln ins Gesicht. „Hui, mein Sonnenschein kann ja fast fliegen." Als Antwort bekam ich ein begeistertes Quietschen, das gerade unglaublich gut tat.
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Schuss und Treffer - zum Comeback ✔️ Teil 12
RomanceGenia hat in ihrem Leben schon viele Höhen, aber noch viel mehr Tiefen gesehen. Und wer in seinem Leben schon auf dem Tiefpunkt war, der will nur noch in eine Richtung - nach oben - aber nicht mehr um jeden Preis, denn da gibt es auch noch ein klein...