Ich öffnete langsam meine Augen und starrte an die Zimmerdecke über mir. Heute war mein Geburtstag. Das hieß ich wurde wieder ein Jahr älter. Genau gesagt, wurde ich heute 38. ich schüttelte innerlich den Kopf. Es gab Zeiten in meinem Leben, da hatte ich die Befürchtung, dass ich dieses Alter niemals erreichen würde. Ja, genau genommen hatte ich sogar die Befürchtungen nicht einmal meinen nächsten Geburtstag zu erreichen.„Carlo ist nicht sehr zufrieden mit deiner Leistung." Der Riesentyp hatte sich vor mir aufgebaut und schaute mich aus seinem vernarbten Gesicht finster an, während er seine Fingerknöchel knacken ließ. „Ich wusste ja nicht, dass es einen Arbeitsvertrag mit festgeschriebener Leistung als Prostituierte gibt. Wenn man über dem Soll ist, gibt es da einen Leistungszuschlag, oder wie?" Ich konnte noch immer nicht wirklich glauben, dass ich auf einen Zuhälter reingefallen war. Immerhin hatte ich die erste Woche irgendwie überstanden und bastelte in meinem Kopf an einem Plan, wie ich hier herauskam. Das war aber ein echtes Problem, weil dieses eklige Riesenbaby vor mir hier ständig ablungerte und das Geld abkassierte. Und eins hatte ich gelernt, ohne Geld kam man nicht weit. „Halt deine freche Klappe!", fauchte er mich an und dann....dann zwiebelte es mächtig in meinem Gesicht. Scheiße, das hatte ich absolut nicht kommen sehen. Erschrocken rieb ich mir meine Wange. „Also, hast du verstanden, dass du zu den Kerlen ein bisschen zuvorkommender bist oder muss ich dir erst zeigen, was von dir erwartet wird?" Ich schüttelte schnell wortlos den Kopf. Nee, da konnte ich gut drauf verzichten. Den Kerl würde ich nicht an meinen Körper lassen wollen. „Dann ist ja gut! Zufrieden grinste er mich an und spielte mit etwas glänzendem in seinen Händen, das er gerade aus seiner Hosentasche gezogen hatte. Ein Messer. Scheiße! Mir wurde schlagartig übel. Ich musste hier dringend raus.
Ja, damals stand mein Leben manchmal auf Messers Schneide. Irgendwann nach genug Schlägen hatte ich aber gelernt, dass es ratsam war die Klappe zu halten. Dem Messer war ich glücklicherweise nie begegnet. Es war echt eine richtig miese Zeit, die ich da durchlebt hatte. Aber ich hatte sie überlebt und das ohne wirkliche Schäden. Wahrscheinlich hatte ich ziemlich gute Gene, was meine Psyche betraf, denn ich war mir sicher, dass es die wenigsten aus dem Milieu herausschafften, ohne wirklich bleibende Schäden zu haben. Trotzdem war es noch lange kein Grund meinen Geburtstag zu feiern. Wie jedes der letzten Jahre würde ich von ihm einfach keine Kenntnis nehmen. Und heute sowieso nicht, denn ich musste mich endlich darum kümmern, dass das mit Luca endlich wieder ins Reine kam. Ich dachte an gestern Abend. Das war......das war so enttäuschend gewesen. Ich hatte in der Küche gestanden und sein Lieblingsessen gezaubert. Die Lasagne hatte schon im Ofen gestanden und ich hatte in meinem Kopf schon so ein paar Sätze zurecht gelegt, wie ich das Gespräch beginnen wollte. Gerade als ich in meine Schuhe geschlüpft war, um erst Espie und dann Luca abzuholen, hatte mein Handy geklingelt. Ohne große Umschweife hatte mir mein Freund erklärt, dass ich ruhig etwas länger arbeiten konnte, weil sein Vater ihn und meine Tochter abholte. Allein bei dem Gedanken an den Anruf begann schon wieder die Wut in mir aufzusteigen und mir fast als Qualm aus der Nase zu kommen. Es konnte doch wohl nicht sein, dass er schon wieder damit anfing mich auszuschließen und zu meiden, so wie am Anfang unseres Streits. Das war doch total kindisch. Wir mussten uns an einen Tisch setzen und das endlich klären. Noch mehr als die Tatsache, dass er sich lieber von seinem Vater als mir chauffieren ließ, ärgerte mich aber, dass er jetzt sogar meine Tochter da mit hineinzog und auch versuchte von mir fernzuhalten. Ja, die beiden waren gestern Abend erst so spät nach Hause gekommen, dass sie schon geschlafen hatte als Leon sie in ihr Zimmer trug. Das war eine echt miese Nummer. Und wenn ich an das Grinsen dachte, das er dabei zur Schau getragen hatte, war mir klar, dass Lucas Vater sich ins Fäustchen lachte und sich an seinem Ziel wähnte, mich aus dem Leben seines Sohnes so gut wie vertrieben zu haben. Obwohl, das war ja nicht sein Verdienst, sondern ganz alleine mein eigener. Manno, war ich dämlich. Nee, diesen Erfolg würde ich ihm nicht gönnen. Das konnte er vergessen. Denn eins hatte ich in meinem Leben schon gelernt, man durfte nie aufgeben. Und das würde ich auch nicht tun. Da hatte sich Leon zu früh gefreut. Ich würde Luca jetzt ganz freundlich wecken und dann mit ihm Tacheles reden. Ich bremste mich kurz ab. Nein, ich würde ihn zwar freundlich wecken, aber nicht sofort das Gespräch beginnen. Das musste warten bis Espie im Kindergarten war. Sie musste das ja nicht unbedingt mitbekommen. Ich wusste aus meiner Kindheit noch, wie beängstigend es immer auf mich gewirkt hatte, wenn meine Eltern sich lautstark gestritten hatten. Obwohl, lautstark war eigentlich immer nur meine Mutter, dieser alte Drachen gewesen. Papa war immer ruhig geblieben. Ja, sein Verhalten sollte ich mir als Vorbild nehmen, auch wenn ich mehr zur Impulsivität neigte. Ich ließ meine Hand über die Bettmitte gleiten und....und spürte nur Leere. Schnell hob ich meinen Kopf. Luca war schon aufgestanden.....oder gestern gar nicht ins Bett gekommen. Wahrscheinlich hatte er die Nacht wieder auf der Couch verbracht. Mit einem Sprung war ich aus dem Bett. Nee, so konnte es einfach nicht weitergehen. Heute würde ich ihm keine Wahl lassen und ein Gespräch mit ihm erzwingen. Und zwar jetzt sofort. Egal, ob Espie es mitbekam. Wutentbrannt machte ich mich auf den Weg ins Wohnzimmer. Bereits auf dem Flur hörte ich leise wispernde Stimmen. Mein Blick ging zur Uhr an meinem Handgelenk. Wieso war mein kleiner Sonnenschein auch schon wach? „So, jetzt gehen wir die Mama wecken", hörte ich Luca sagen, als ich die Wohnzimmertür öffnete und entschlossen hinein marschierte. Ich würde ihm keine Chance lassen, sich hinter meiner Tochter zu verstecken. „Müsst ihr nicht, ich bin......" Die Worte schon und wach blieben mir im Hals stecken, denn auf das, was ich dort im Wohnzimmer vorfand war ich nicht vorbereitet.

DU LIEST GERADE
Schuss und Treffer - zum Comeback ✔️ Teil 12
RomanceGenia hat in ihrem Leben schon viele Höhen, aber noch viel mehr Tiefen gesehen. Und wer in seinem Leben schon auf dem Tiefpunkt war, der will nur noch in eine Richtung - nach oben - aber nicht mehr um jeden Preis, denn da gibt es auch noch ein klein...