Ich saß auf dem Sofa von Paula, bei der ich jetzt schon seit über einem halben Jahr wohnte. Sie hatte mich glücklicherweise sofort bei sich aufgenommen als ich bei meinen Eltern herausgeflogen war. „Und wie sieht es mit neuen Aufträgen aus?", fragte ich meinen Agenten, den ich gerade am Telefon hatte. Seit meinem Shooting im Playboy waren die Aufträge nur sehr spärlich hereingekommen. „Also da wäre eine Anfrage von einem Erotikmagazin für ein sexy Shooting und eine Anfrage für eine Erotikmesse als Topact auf dem Ankündigungsplakat." Ich schloss kurz meine Augen. In letzter Zeit gab es nur diese Anfragen, aber kaum noch etwas anderes. Ich hatte aber keine Lust mich wieder nackt zu machen. „Vergiss es. Ich habe dir doch gesagt, dass das mit dem Playboy eine Ausnahme war." Ich hörte ein leises Stöhnen am anderen Ende. „Und ich habe dir gesagt, dass du damit in eine ganz bestimmte Schiene gerutscht bist." Ja, er hatte mich davor gewarnt, aber ich hatte es in meiner blinden Rachsucht nicht für ernst genommen. Immerhin gab es ja auch genug Schauspielerinnen, die sich dort entblätterten und dann trotzdem noch ernstzunehmende Rollen bekamen und nicht nur in Pornos mitspielten. „Und wie können wir das wieder ändern?" Er war ja schließlich der Fachmann und kassierte dafür nicht wenig von meiner Gage. Also sollte er sich auch etwas einfallen lassen, um weiterhin von mir zu profitieren. „Mmhh", hörte ich ihn nachdenklich brummen. „Vielleicht würde es helfen, wenn du deinen Namen änderst und dich ganz neu erfindest." Namensänderung und Imagewechsel hörte sich doch gut an. Mit meinem Namen verband ich sowieso nichts Positives. Er erinnerte mich eher nur an meine beschissenen Eltern und an das, was sie mir angetan hatten. Eigentlich wollte ich nichts mehr, was mich mit ihnen verband. „Namensänderung klingt perfekt." Ja, wenn ich damit wieder ins Geschäft kam, eröffnete es mir vielleicht auch wieder Möglichkeiten nach meiner kleinen Carmen zu suchen. „Hast du denn schon eine Idee für deinen neuen Namen?" Auf die Frage war ich nicht vorbereitete. Ich fuhr mir mit meinem Zeigefinger über die Lippen und begann zu überlegen. „Also es sollte vielleicht etwas exotisch, aber nicht zu exotisch sein. Im Moment sind doch gerade französische Namen total angesagt, oder?" Wenn ich so an die Zeitschrift dachte, die ich vor nicht einmal einer Stunde durchgeblättert hatte. „Ja, also Portiersadel à la Bärbel Schulz ist nicht so angesagt", bekam ich die gelachte Antwort. Mein Blick fiel zu dem Buch, dass auf dem kleinen Beistelltisch neben dem Sofa lag. „Was hältst du von Marlen?" Einen Momemt lang hörte ich nur leise Atemgeräusche durch das Telefon. „Mm, Marlen gefällt mir", ertönte dann doch die Stimme meines Agenten. „Aber dazu brauchen wir noch einen klangvollen Nachnamen." Klangvoll? Was sollte das sein? „Maurici", schlug ich vor. „Nee, das hört sich irgendwie nach einer Hornbrille tragenden spaßbefreiten Buchautorin an. Wir brauchen eher etwas, das leicht und locker klingt. So nach Sommer, Sonne , Sonnenschein und weiter Welt." Okay, dann also eher etwas Spanisches vielleicht. „Alvarez", schlug ich also vor. Den Namen hatte ich letztens in einer Telenovela gehört. „Nee, nee. Das klingt zu hart. Wir brauchen etwas, das weich klingt und so selten ist, dass es im Kopf bleibt." Wieder entstand eine kleine Pause und mein Blick fiel zu der Zeitschrift vor mir. Ich begann schnell zu blättern und blieb an einer Seite hängen auf der ein Fußballer abgedruckt war. Der sah echt lustig aus mit seinen langen Locken. „Was hältst du von Marlen Guendouzzi?" Ich musste nicht lange auf die Antwort warten. „Perfekt! Willkommen im Team, Marlen Guendouzzi! Dann schaue ich mal, was ich für neue Aufträge für dich an Land ziehen kann. Ich melde mich wieder." Damit war das Gespräch beendet. „Na, wie ist dein Gespräch gelaufen?" Paula war mit zwei Tellern in der Hand ins Zimmer gekommen und reichte mir einen, auf dem Nudeln mit Pesto dampften. „Erst einmal habe ich keine Aufträge, also außer ich mache mich wieder nackig." Paula schüttelte sofort den Kopf. „Vergiss es. Das kommt gar nicht in Frage. Mein Geld reicht erst einmal für uns beide, wenn wir uns einschränken." Für diese Aussage liebte ich sie. Trotzdem konnte ich ihr ja nicht ewig auf der Tasche liegen. „Ich ändere meinen Namen und dann wird das auch mit den Aufträgen wieder. Ab heute heiße ich Marlen Guendouzzi", grinste ich sie an. Paulas Gesicht verzog sich. „Findest du das echt gut?" Sie zuckte mit den Schultern. „Das ist doch irgendwie schräg, so als würdest du dich selbst verleugnen. Warum versuchst du nicht doch lieber mit deinem Mathe Master einen Job zu bekommen und du selbst zu bleiben?" Paula konnte das nicht verstehen, aber für mich war es unmöglich in dem Bereich zu arbeiten. Das wäre wie ein Einknicken vor meinen Eltern gewesen. Nein, ich musste es als Modell schaffen. Ich musste ihnen beweisen, dass ihr Weg scheiße war und ich meinen eigenen ging. Den richtigen, erfolgreichen Weg. Nein, ich musste berühmt und erfolgreich werden. „Ich will aber nicht mehr Bärbel Genia Schulz sein. Ich will mit dem nichts mehr zutun haben." Paula nickte. „Okay, du musst wissen, was du tust. Aber willst du den Namen wirklich so richtig ändern? Was ist, wenn dich Carmen irgendwann sucht, dann wird sie dich niemals finden." Das war ein Aspekt an den ich noch überhaupt nicht gedacht hatte. „Nein, es wird nur mein eingetragener Künstlername." Das war beschlossene Sache. „Na dann drücke ich dir die Daumen, dass es dir wirklich hilft, Marlen Guendouzzi!" Paula schüttelte den Kopf. „Aber wenn ich ehrlich sein soll, hört der Name sich für mich nach einer total oberflächlichen arroganten Ziege an. Das passt so gar nicht zu dir. Für mich bleibst du trotzdem irgendwie meine Genia." Ich musste schmunzeln. So wie sie es sagte, ging mir das Herz auf. Ja, Paula war für mich die einzige Familie, die ich noch hatte.....und das war auch gut so. Würde ich sie jemals verlieren, würde es mich viel härter treffen als bei meinen Eltern. Paula war mein ein und alles. Niemals würde ich sie enttäuschen.
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Schuss und Treffer - zum Comeback ✔️ Teil 12
RomansaGenia hat in ihrem Leben schon viele Höhen, aber noch viel mehr Tiefen gesehen. Und wer in seinem Leben schon auf dem Tiefpunkt war, der will nur noch in eine Richtung - nach oben - aber nicht mehr um jeden Preis, denn da gibt es auch noch ein klein...