Kapitel 37

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„Lisa!", schoss es mir etwas lauter als geplant aus dem Mund. „Was schreist denn so?" Lucas Mutter schaute mich kopfschüttelnd an. „Man könnte ja meinen du willst ganz Dortmund darüber informieren, dass ich gerade vor dir stehe." Nee, das wollte ich eigentlich nicht. Jedenfalls nicht bewusst. Die Lautstärke war eher meiner Überraschung geschuldet, denn mit Lucas Mutter hatte ich so überhaupt nicht gerechnet. Lucas Mutter! Mist! Was sollte ich denn jetzt machen? Ihn irgendwie warnen? Oder einfach vor vollendete Tatsachen stellen. Ehe ich meine Optionen abwägen konnte, wurde mir die Entscheidung abgenommen. „Ist was nicht okay?" Luca war hinter mir aufgetaucht. Ich sah wie Lisas Augen immer runder wurden und sie nach Luft schnappte. „Luca!" Ich wurde zur Seite geschoben und Lisa stürzte auf ihren Sohn zu. „Mama!" Ich drehte mich zu den beiden und sah, wie Lisa ihren Sohn fast erdrückte, während sie ihn umarmte. Lucas Augen funkelten mich über ihren Kopf hinweg an. Mist, er dachte doch nicht etwa......doch mit Sicherheit tat er das, so wie er schaute. Konnte ich es ihm verdenken? Irgendwie nicht, besonders nach unserem Streitgespräch gerade eben. „Was machst du denn hier?" Lisa hatte sich wieder von ihrem Sohn gelöst und musterte ihn von oben bis unten. „Seit wann bist du hier? Nee, wieso bist du hier? Und warum bist du nicht in Bochum bei uns?" Plötzlich zogen sich ihre Augen zu Schlitzen und sie boxte ihn gegen den Arm. „Wieso  hast du nicht gesagt, dass du kommst. Papa und ich hätten dich doch vom Flughafen abgeholt." Luca fuhr sich mit seiner Hand durch den Nacken. Ja, jetzt kam die Stunde der Wahrheit und er war nicht im geringsten darauf vorbereitet. „Was wolltest du überhaupt hier?" wandte ich mich an Lisa, um ihm wenigsten etwas Zeit zu verschaffen, damit er sich sammeln und eine anständige Antwort zurecht legen konnte. „Ach, ich hatte ein paar Unterlagen für die Agentur, die dringend übersetzt werden müssen. Aber der Schmarrn ist doch jetzt unwichtig", winkte sie sofort ab. Mein Blick zu Luca sagte mir, dass er garantiert noch etwas Zeit brauchte. „Tut doch nicht so. Das Schmierentheater war doch garantiert geplant." Der schneidende Ton von Luca ließ Lisa erstaunt aufschauen. „Schmierentheater?" „Mama, jetzt tu nicht so. Meinst du nicht, dass ich helle genug bin zu durchschauen, dass du nicht einfach durch Zufall hier auftauchst, wenn mich Genia schon seit mindestens zwei Wochen versucht zu überreden, mich bei euch zu melden." Sein wütender Blick wanderte zu mir. „Es hat dir wohl nicht mehr gereicht zu versuchen mich weich zu kochen. Du musstest Nägel mit Köpfen machen, oder?" Okay, es war wohl zu spät ihn zu stoppen. Andererseits ließ ich mir auch nicht unterstellen, dass ich eine falsche Schlange war. „Pass mal auf..." Wieder zeigte ich mit meinem ausgestreckten Zeigefinger auf ihn. „Soweit waren wir schon einmal", lachte er abfällig und ich spürte, wie mein Blut zu kochen begann. „Von wegen Bote. Das ich nicht lache..." Wie auf Befehl ertönte die Türklingel und ich drückte sofort den Türöffner.  „Dann wird das wohl jetzt der Bote sein", presste ich durch zusammengebissenen Zähnen hervor und hörte bereits schnelle Schritte auf den Treppen. Keine zwei Minuten später wedelte ich mit einer Mappe vor Lucas Gesicht herum. „Unterlagen vom Boten", zischte ich ihm zu. „Also nehmt's mir nicht übel, aber ich bin hier gerade maßlos überfordert", meldete sich Lisa zu Wort und schaute erst ihren Sohn und dann mich an. Okay, das konnte ich ihr nicht verdenken. „Lasst uns in die Küche gehen und erst einmal einen Kaffee trinken", schlug ich schnell vor, denn wir standen ja alle drei immer noch im Flur. „Ja, a Kaffee wäre fein." Lisa hakte sich bei ihrem Sohn unter, der kein Wort sagte und folgte mir.  „Also, seit wann bist du wieder hier? Und wo ist Leonie?" Lisa schaute ihren Sohn neugierig an, der ihr gegenüber saß und leicht das Gesicht verzog als hätte er Zahnschmerzen. Mein Mitleid für ihn hielt sich in Grenzen, denn wenn er auf mich gehört hätte und von alleine zu seiner Familie gegangen wäre, wäre das Gespräch mit Sicherheit etwas angenehmer und er vorbereitet. „Seit Weihnachten", kam es dann auch kleinlaut von ihm. „Seit Weihnachten!" Lisa schaute mich empört an. „Er ist seit Weihnachten hier und du hast mir nichts davon gesagt? Das ist ja schon seit über einem Monat." Ihre Empörung wich einem enttäuschten Gesichtsausdruck. „Wieso hast du dich nicht bei uns gemeldet?" So wie Luca schluckte, traf ihr enttäuschter Blick ihn genau ins Herz. Er kaute kurz auf seiner Unterlippe, ehe er leise antwortete „Ich brauchte etwas Zeit zum Nachdenken." „Aber das eine schließt doch das andere nicht aus. Du hast sogar an Weihnachten und Silvester mit uns telefoniert und nicht ein Wort darüber verloren, dass du nicht mehr in Costa Rica bist. Wäre es denn so viel verlangt gewesen uns das wenigstens mitzuteilen? Dein Vater und ich sind doch keine Unmenschen", brauste sie auf. Ich konnte ihre Enttäuschung als Mutter verstehen. Mir würde es bei meiner Espie mit Sicherheit nicht anders gehen. Genau das war es doch gewesen, was ich Luca die ganze Zeit versucht hatte klar zu machen.  „Nein, seid ihr nicht. Aber ich musste mich erst einmal sortieren nach der ganzen Scheiße mit Leonie. Und du weißt genau, dass Papa sofort begonnen hätte Pläne zu machen. Dabei weiß ich doch immer noch nicht, was ich jetzt anfangen will. Ich habe absolut keine Ahnung, wie es mit mir weitergehen soll."  „Was war mit Leonie?" Oh oh, der Blick von Lisa versprach nichts Gutes. Jedenfalls nicht für Leonie. „Das ist doch egal. Sagen wir so, sie spielt keine Rolle mehr in meinem Leben." Auch wenn sich das ziemlich abgeklärt anhörte, wirkte Luca doch alles andere als abgeklärt. „Ich muss für mich jetzt erst einmal herausfinden, wohin meine Reise geht." Lisa nickte nachdenklich. „Okay, das verstehe ich. Du hast recht, Papa wird garantiert keine zwei Tage brauchen, um dich mit mindestens hundert Möglichkeiten zu bombardieren. Trotzdem lass uns dir doch helfen. Du ziehst in dein altes Zimmer und kannst ganz in Ruhe nachdenken. Und wir stehen dir dann jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. Da musst du dich um nichts kümmern und kannst dich ganz auf dich konzentrieren. Außerdem kannst du ja Genias Gastfreundschaft nicht ewig strapazieren. Am besten schnappst du dir gleich deine Sachen und wir fahren nach Bochum. Man, Papa und Lucy werden Augen machen." „Nein, ich komme nicht mit nach Bochum." Das Lächeln aus Lisas Gesicht war bei diesem Satz ihres Sohnes schlagartig verschwunden. „Wo willst du dann bleiben?"  „Genia und ich haben hier eine WG gegründet", kam die entschiedene Antwort, die mir einen überraschten Blick seiner Mutter einbrachte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie mit dieser Aussage nicht wirklich zufrieden war.

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt