Kapitel 13

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„Nat, Mama!" Espie strahlte mich immer noch glücklich an, obwohl ihre Augenlider schon auf Halbmast hingen. Der Tag war für sie heute eindeutig ziemlich aufregend und hatte sie wohl ihre ganze Kraft gekostet. Wahrscheinlich würde es keine zwei Minuten dauern und sie schlief wie ein Stein. Ich stopfte das Deckbett noch um ihren Körper zu einem kleinen Burrito fest, damit sie sich geborgen fühlte und drückte ihr einen Kuss auf ihre Stirn, ehe ich das Nachtlicht anmachte und die Spieluhr neben ihrem Bett aufzog. An der Tür warf ich ihr noch einen Blick zu, aber ihre Augen waren schon fest geschlossen und sie atmete bereits ganz gleichmässig. Das war ja noch schneller als gedacht gegangen. Ich dachte an die Schachtel Pralinen und die Flasche Wein, die uns der Weihnachtsmann dagelassen hatte. Damit konnten Luca und ich den Abend noch ganz gemütlich ausklingen lassen. Vielleicht fühlte ich ihm auch einmal auf den Zahn, was da in Costa Rica vorgefallen war. Obwohl nein, heute war Weihnachten, da sollten alle Sorgen und jeder Ärger in den Hintergrund rücken und man den Tag nur genießen. Für den anderen Mist hatte man auch den ganzen Rest des Jahres. Außerdem musste ich noch herausfinden, wie er Phil so schnell hatte überzeugen können den Weihnachtsmann zu geben......und ich musste mich dafür noch einmal richtig bedanken.
Erschrocken zuckte ich zusammen als neben mir ein Rucksack auf die Erde flog. „Ich bin dann auch mal weg!" Überrascht schaute ich Luca an. „Du willst weg? Ich dachte..." Er schnaubte. „Was dachtest du, dass ich schwer von Begriff bin? Dein Geschenk war ja wohl mehr als deutlich. Du hättest es mir auch direkt ins Gesicht sagen können, dass ich hier nicht mehr erwünscht bin." Was? So war das doch gar nicht gemeint. „Ich.." Er winkte ab. „Du musst dir jetzt keine Ausrede einfallen, nur weil Heiligabend ist. Ist schon okay. Und den Gutschein brauche ich auch nicht. Das Ticket nach Bochum kann ich mir schon noch leisten, wenn ich es möchte."  Ich musste schlucken. „Ich dachte, du wärst knapp bei Kasse", platzte es aus mir heraus. „Ich dachte Espie und ich nerven dich und du bist nur hier, weil du kein Geld für die Fahrkarte hast." Wieder schnaubte Luca nur. „Du weißt schon, wie mein Nachname ist und wem die Wohnung hier gehört? Wenn ich es wollte, hätte ich sofort mehr Geld auf dem Konto als eine Fahrkarte nach Bochum oder ein Flugticket aus Costa Rica kostet." Man, wie blöd war ich eigentlich gewesen? „Können wir in Ruhe darüber reden?" Das hatte eindeutig Klärungsbedarf. Ich wollte nicht, dass er das so missverstand. Und außerdem musste ich mich wirklich unbedingt noch bedanken. Mit dem Weihnachtsmann hatte er Espie und mir solche Freude bereitet. Das konnte ich auf keinen Fall einfach untergehen lassen. „Was gibt es da zu reden? Ich bin mal wieder überflüssig und nicht gewollt. Ist ja nichts, was ich nicht kenne." Die letzten Worte kamen ziemlich leise, aber ich verstand sie trotzdem. Und so wie sie gesprochen wurden, sprachen sie von einer tiefen Verletzung. Auch damit kannte ich mich selbst zur Genüge aus. Es war kein schönes Gefühl, wenn man sich abgelehnt fühlte....

„Was willst du von mir?" Conny schaute mich finster an. „Habe ich dir nicht erst gestern gesagt, dass das mit uns keine Zukunft mehr hat? Glaubst du wirklich, ich setze mir eine Laus in den Pelz, weil ich mit einem minderjährigen Professorentöchterchen herummache. Weißt du eigentlich, was mir blüht, wenn das herauskommt? Das ist strafbar, ganz zu schweigen von meiner Karriere, die ich dann gleich abhaken kann. Du hättest mir sagen müssen, dass du erst fünfzehn bist." Ich versuchte gegen die Tränen anzuschlucken. Conny hatte gestern meinen Schülerausweis gefunden, der mir aus der Jackentasche gefallen war. „Aber...aber...", stotterte ich los. Was spielte denn mein Alter für eine Rolle? In den letzten Wochen waren wir uns so nahe gekommen und hatten uns fast jeden Tag gesehen. Ich liebte ihn aus ganzem Herzen und konnte es mir überhaupt nicht mehr vorstellen ohne ihn zu sein. Er war immer um mich bemüht und hatte immer Zeit für mich und ein offenes Ohr für meine Sorgen. Ich musste an letzte Woche denken, als er dieses wundervolle Picknick auf der abgelegenen Waldwiese organisiert hatte. Wir hatten dort beide aneinander gekuschelt gelegen und uns geküsst. Ich liebte seine liebevollen Küsse. Ich war förmlich süchtig danach.....und als er dann begann mich zu streicheln und wir nach und nach unsere Kleidung verloren hatten, war es für mich überhaupt keine Frage mehr, dass er genau der richtige Mann für mein erstes Mal war. Ja, uns würde nie wieder etwas trennen, da war ich mir sicher. Ich spürte immer noch seinen zärtlichen Berührungen auf meiner Haut nach und verstand seine Reaktion gerade überhaupt nicht. Ich hatte die ganze Nacht schluchzend in meinem Bett verbracht und war schließlich zu dem Schluss gekommen, dass das alles nur ein dummer Irrtum war. Conny und ich gehörten doch zusammen.„Nichts aber! Das mit uns ist Geschichte und jetzt belästige mich nicht länger. Außerdem solltest du deinen Mund darüber halten, was passiert ist, wenn du nicht willst, dass alle Welt erfährt, was du da für eine hinterhältige Aktion gefahren hast." Ich zuckte schockiert zusammen. „Hinterhältig!", piepste ich. Ich hatte doch gar nichts Schlimmes verbrochen. Wir beide waren für einander bestimmt.  Er zuckte mit den Schultern. „Ja, wie nennst du es sonst, wenn du mich so in die Falle lockst! Also, wenn du weißt, was gut für dich ist, hältst du deine Klappe." So feindselig wie er mich anschaute, bekam ich fast Angst. Ich drehte mich um und rannte davon. Die Tränen liefen mir in Strömen über meine Wangen....

Ich musste an meine schlafende Tochter denken. Bei ihr war Luca mit Sicherheit mehr als nur ein bisschen gewollt. Wenn sie morgen früh aufwachte und er nicht mehr da war, wäre die Enttäuschung ziemlich groß. Wollte ich das? Auf keinen Fall. „Bitte, lass uns darüber sprechen. Es war wirklich eine absolut blöde Idee mit dem Gutschein. Aber mir ist so auf die Schnelle nichts anderes eingefallen", gab ich kleinlaut zu. Man, kam ich mir gerade idiotisch vor, besonders wenn ich Lucas enttäuschten und traurigen Gesichtsausdruck sah. „Du hättest mir auch einen Gutschein für Würstchen mit Kartoffelsalat schenken können", brummte er missgestimmt. Spontan kam mir die rettende Idee und ich griff nach dem Gutschein, der neben ihm auf der Kommode lag  und dem Kugelschreiber, der dort auch lag. Schnell schrieb ich die zwei Worte dazu. Luca starrte auf meine Schrift. „Und Rückfahrt!", las ich ihm schnell vor.

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt