„Mama is hoch laufen?" Ich nickte meiner Tochter zu, die sofort die ersten Treppenstufen erklomm, während ich noch die Post aus dem Briefkasten nahm und ihr dann folgte. Nachdem ich die Wohnungstür aufgeschlossen hatte, schlugen mir schon verschiedene Stimmen entgegen. Dann war wohl wieder der komplette Goretzka Clan bei uns eingeflogen. Innerlich stöhnte ich auf, denn in der letzten Woche war nicht ein Tag vergangen, an dem sie nicht unsere Wohnung bevölkert hatten. So langsam würde ich es schön finden, wenn wir einen Tag mal wieder Ruhe vor ihnen hätten. Nur einen einzigen Tag....aber so wie sich das anhörte, war dieser Tag nicht heute. Ich schlüpfte schnell aus meinen Schuhen und stellte meine Tasche ab, ehe ich mit der Post in der Hand ins Wohnzimmer marschierte. „Hallo Ina, hallo Linus!" Total überrascht begrüßte ich unseren Besuch. Mit den beiden hatte ich ja überhaupt nicht gerechnet. „Hallo Natascha!" Erst jetzt entdeckte ich Inas kleine Schwester, die völlig vertieft über einem Arbeitsheft an meinem Schreibtisch saß. „Was macht ihr denn hier?" Okay, das war eine ziemlich unhöfliche Frage. Ja, das zeigte mir auch sofort Inas Reaktion. Sie zog pikiert ihre Nase kraus. „Wir dachten, wir besuchen mal den Invaliden",kam es hingegen gut gelaunt und überhaupt nicht beleidigt von Linus. Also wenn ich jemals eine Definition für Frohnatur bräuchte, würde ich einfach ein Bild von ihm nehmen. Ich hatte ihn echt noch nie mit schlechter Laune oder auch nur dem Ansatz davon erlebt. Nein, er war der Typ, dem sogar noch aus seinem Hinterteil die Sonne strahlte. „Das ist super. Dann hat er wenigstens mal Abwechslung", versuchte ich meinen vorigen Fauxpas wieder gut zu machen, während ich in Gedanken von seiner Familie und ihrem Bespaßungsprogramm hinzufügte. „Was hast du denn da, Spatzl?" Luca deutete mit seinem Finger auf den Umschlag in meiner Hand, nachdem ich ihn mit einem Kuss begrüßt hatte. „Post für dich." Ich reichte ihm den Brief und setzte mich auch auf das Sofa. An Inas ungläubigem Blick, der mich fixiert hatte, konnte ich erahnen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit noch nichts von Lucas und meiner Beziehung gewusst hatte. Ich brauchte nicht viel Fantasie, um zu wissen, was sie davon hielt. Na prima. Das versprach ja ein richtig toller Nachmittag zu werden. Kaum hatten wir mit Lucas Familie das eine Schlachtfeld befriedet, tat sich schon das nächste auf. Obwohl nee, denn diese snobistische Kuh interessierte mich eigentlich überhaupt nicht. Und noch viel weniger interessierte es mich, was sie von uns dachte. Sollte sie sich doch um ihre eigene Beziehung mit Linus kümmern. Ich konnte nämlich immer noch nicht verstehen, warum sich dieser fröhliche Sonnenschein diese verklemmte Eiskönigin antat. „Das ist doch echt nicht wahr!" Luca feuerte den Umschlag samt des Schreibens, das darin gewesen war, auf den Tisch. „Die haben mich einfach gefeuert", wütete er weiter. Ich griff mir das Schreiben und überflog es schnell. Tatsache, der Lieferdienst hatte ihm fristgerecht zum Ende der Woche gekündigt. „Da kannst du mit Sicherheit gegen klagen", warf Linus ein. „Aber eigentlich würden wir dich viel lieber wieder bei uns an Bord sehen. Nicht wahr, Pepincito?" Ina nickte sofort und ich musste mir wie immer ein Grinsen wegen des Essiggürkchens verkneifen. Tja blöd, wenn man kein Spanisch konnte. „Ja, wir haben so viele Projekte, in die du sofort wieder einsteigen könntest, auch neben dem Studium her." „Studium?" Luca schüttelte den Kopf. „Das ist für mich durch. Oder hast du vergessen, dass ich gesperrt bin?" „Aber doch nur für Wirtschaft. Du könntest zum Beispiel auch Bauingenieurwesen wie mein Vater studieren. Da dürfte das kein Problem sein." So wie Luca das Gesicht verzog, brauchte man kein Prophet sein, um zu wissen, was er von der Idee hielt. „Nein, ich will nicht wieder an die Uni. Schließlich habe ich eine Familie, die ich versorgen muss." Trotz aller Vornehmheit, die Ina immer an den Tag legte, entfuhr ihr ein Schnauben, dass sich eindeutig auf den Begriff Familie bezog. Ich hatte mich also nicht einmal ansatzweise getäuscht, dass sie etwas gegen unsere Beziehung hatte und sie mit Sicherheit als nicht schicklich erachtete. Ich spürte plötzlich in mir den Drang ihr am liebsten die Meinung zu geigen. Sie ging das alles doch überhaupt nichts an. Meinem Alter und meiner Lebenserfahrung geschuldet hielt ich mich aber zurück. „Musst du nicht. Ich kann uns drei mit meinem Job auch versorgen." Okay, ganz zurückhalten konnte ich mich dann doch nicht. „Deshalb gehe ich jetzt auch in die Küche und mache uns allen etwas zu essen." „Au ja, ich habe Hunger!", meldete sich Natascha sofort zu Wort. „Du machst erst einmal deine Hausaufgaben fertig. Vorher gibt es nichts zu essen." Boah, das war ja eine Ansprache wie aus dem Mittelalter von Ina. Also mit der würde ich wohl nie wirklich warm werden. „Ich verstehe die Matheaufgaben aber nicht." Die pure Verzweiflung sprach aus dem Gesicht der Kleinen. „Luca kann dir ja helfen. Der kann das richtig gut", ergriff ich diese einmalige Chance sofort. „Echt?" In Nataschas Augen blitzte Hoffnung auf, während ich mir einen finsteren Blick von Ina einfing. Ach, die sollte mir doch den Buckel runter rutschen. „Ja klar kann ich dir das erklären. Komm mal her." Zufrieden stellte ich fest, dass auch Luca sofort angesprungen war. „Ich bin dann mal in der Küche." „Warte, ich komm mit und helfe dir." Linus war aufgesprungen und folgte mir. „Spiel du mit is?" Espie hatte Ina wohl als Opfer auserkoren und hielt ihr eine ihrer Puppen hin. Ich zögerte kurz, denn ich war mir nicht sicher, ob das eine wirklich gute Idee war. Schließlich wollte ich nicht, dass meine Tochter gefrostet wurde. Überrascht stellte ich fest, dass das Essiggürkchen ihr diese mit einem Lächeln im Gesicht abnahm. „Die ist aber hübsch. Wollen wir ihr einen Zopf flechten?" Manchmal passierten echt noch Wunder. „So, und jetzt erzählst du mir mal, was du für einen Plan mit Luca verfolgst!" Linus lehnte sich mit seiner Hüfte gegen die Arbeitsplatte kaum das wir in der Küche angekommen waren und verschränkte seine Arme vor der Brust. Musste ich das verstehen? Er war doch immer so positiv und hatte an Silvester doch selbst schon die Anmerkung gemacht, dass da mehr bei Luca und mir ging. Wieso reagierte er auf einmal so? „Ich habe da keinen Plan. Wir haben uns einfach ineinander verliebt", antwortete ich ihm verwirrt. Mit Problemen aus dieser Ecke hatte ich ja nun überhaupt nicht gerechnet. Aber wieso rechtfertigte ich mich hier überhaupt?
DU LIEST GERADE
Schuss und Treffer - zum Comeback ✔️ Teil 12
RomantikGenia hat in ihrem Leben schon viele Höhen, aber noch viel mehr Tiefen gesehen. Und wer in seinem Leben schon auf dem Tiefpunkt war, der will nur noch in eine Richtung - nach oben - aber nicht mehr um jeden Preis, denn da gibt es auch noch ein klein...