Ich musterte Max, der uns mit einem ernsten Blick anschaute. Das konnte doch nichts Gutes bedeuten. In meinem Hals bildete sich ein Kloß und ich musste fest dagegen anschlucken. Warum sagte er denn nicht endlich etwas? Max räusperte sich kurz. Klar, war er immer der ernste und ruhige Typ. Das wusste ich ja, schließlich kannte ich ihn ja jetzt auch schon ein paar Jahre und bis vor einem halben Jahr hatten wir ja noch im gleichen Haus gewohnt. Er und Leokardia hatten des öfteren auf Espie aufgepasst, wenn ich einen wichtigen Termin hatte, der sich nicht verschieben ließ. Und als mein kleiner Sonnenschein einmal hohes Fieber hatte, hatte er sie auch betreut und dafür gesorgt, dass sie schnell wieder gesund wurde. Auch wenn ich innerlich total verkrampft war, weil ich nicht wusste, wie schwer es Luca getroffen hatte, wusste ich doch instinktiv, dass er bei Max in guten Händen war. Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass sich mein Magen leicht zusammenzog als er seinen Mund öffnete. „Also Luca hat eine offene Unterschenkelfraktur, die im OP stabilisiert und versorgt wurde." Das hieß, es handelte sich um einen komplizierten Bruch seines Beines. Ohne weiter nachzudenken sprang ich auch von meinem Stuhl auf. „Und wie geht es ihm jetzt? Ist er schon wach?" Ich wollte unbedingt sofort zu ihm. Ich musste mit eigenen Augen sehen, dass es ihm gut ging. „Da stellt die.....ähm Genia wenigstens mal die Fragen, die uns wirklich interessieren", brummte Leon, der sich auch zu Lisa und mir gesellt hatte. Max begann zu schmunzeln. „Na wenigstens hat euer Streit, an dem das ganze Krankenhaus teilhaben konnte, ja für etwas gesorgt. Luca ist gerade aus dem Aufwachraum in sein Zimmer verlegt worden und es geht ihm gut. Er ist zwar noch etwas müde, aber ansprechbar. Er wollte, dass ich sein Spatzl hole." „Spatzl bin is." Espie kam zu uns angehüpft und strahlte wie immer. Max Blick wanderte zu meiner Tochter und dann zu mir, dabei zog er die Stirn kraus. „Ich dachte eigentlich ein anderes Spatzl. Aber vielleicht begleitest du einfach deine Tochter." Mit einem Zwinkern griff er nach Espies kleiner Hand und setzte sich in Bewegung. Da musste ich nicht lange überlegen und folgte den beiden. „Und was ist mit uns?", hörte ich Leon hinter mir grummeln. „Wir sind seine Eltern und nicht nur irgendsoeine ....." „Fängst du schon wieder an? Das ist der Grund, warum er nicht nach uns verlangt hat!", kam Lisas deutliche Antwort. „Also ich gehe jetzt auch hinterher. Wir können ja vor dem Zimmer warten." Lucy war noch nie sehr geduldig, wenn es um ihren Bruder ging. Hinter mir ertönten schnelle Schritte, die uns am Fahrstuhl bereits eingeholt hatten. „Na wie gut, dass die Kabine groß genug ist", schmunzelte Max, der Espie auf seinen Arm gehoben hatte. „Ich hatte auch nichts anderes erwartet. Also, es wäre sehr schön, wenn ihr euch auf der Station etwas mit eurem Goretzka Temperament zurückhalten könntet. Luca muss zwar nur zwei bis drei Tage hier bleiben , aber trotzdem würde ich euch nicht raten, es euch mit der Oberschwester zu verscherzen. Die ist ein ziemlicher Drache und die scheut auch nicht davor zurück, euch rauszuschmeißen. Außerdem ist sie ein ausgesprochener BVB Fan und mag Schalke und Bayern überhaupt nicht." Bei den letzten Worten ging sein Blick zu Leon, der sein Gesicht verzog. Als die Fahrstuhltüren sich wieder öffneten, traten wir in einen typischen Krankenhausflur. „Ihr könnt dahinten warten, wir wollen Luca ja nicht gleich überfallen, schließlich ist er gerade erst aus dem OP gekommen." Max deutete auf eine Art Aufenthaltsraum. „Wieso sollen wir warten?", moserte Leon schon wieder los und erntete sofort einen entsprechenden Blick von Max. „Hatte ich mich eben undeutlich ausgedrückt? Luca wollte die beiden Mädels sehen." Dieser Arztkittel verlieh ihm echt ein gewisse Autorität, denn Leon verzog nur sein Gesicht und schwieg. Wenn ich nicht so besorgt um Luca gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich ein Glucksen nicht unterdrücken können. So folgte ich aber nur stillschweigend und total angespannt meinem ehemaligen Nachbarn und Mann meiner Freundin. Als er vor einer Zimmertür stehen blieb und die Türklinke drückte, wurden meine Knie weich und ich versuchte ganz ruhig zu atmen. Mit den schlimmsten Bildern in meinem Kopf versuchte ich an Max Schulter vorbei einen Blick zu erhaschen. Ich fixierte mich auf Lucas Gesicht, das von einigen Schrammen verziert war. Mit seiner Hand, die auch einige Schürfwunden aufwies, wischte er sich über die Augen. Ja, er sah noch ziemlich k.o. aus. Auch seine langen Locken waren verwuschelt und glichen einem Vogelnest auf seinem Kopf. Er sah genauso aus, wie morgens immer, wenn er aufstand. Alleine dieser Gedanke ließ meinen Puls sich etwas beruhigen und ich drängelte mich an Max vorbei, um zu meinem Freund ans Krankenbett zu eilen. „Luda!" Meiner Tochter schien es ähnlich wie mir zu gehen, denn sie kam auch angeflitzt und kletterte einfach ohne zu fragen auf das Bett. „Espie! Stop!", versuchte ich sie noch aufzuhalten. War es nicht immer verboten sich ins Krankenbett zu setzen? Das interessierte meine Tochter aber wenig. Sie beugte sich zu Luca und pustete ihm ins Gesicht, ehe sie ihm einen Kuss auf die verschorfte Wunde auf seiner Wange drückte. Ich wollte sie vom Bett herunterheben als sich eine Hand auf meine Schulter legte. „Lass sie. Das ist schon okay. Jedenfalls solange euch die Oberschwester nicht dabei erwischt", zwinkerte mir Max zu. Jetzt musste ich doch grinsen. Was musste das für ein Drache sein, wenn sogar die Ärzte vor ihr Angst hatten? „Ich bin dann auch mal weg. Wenn etwas ist, ich bin im Ärztezimmer." Ich nickte nur kurz und wandte dann meine ganze Aufmerksamkeit wieder Luca zu. Vorsichtig strich ich über seine verschorfte Hand. „Mensch, was machst du denn für Sachen? Ich bin fast gestorben vor Angst." „Ich wollte nur mal sehen, wie wichtig ich euch bin", kam es mit rauer Stimme von ihm und er grinste mich frech an. Also, wenn er schon wieder flaxen konnte, dann musste es ihm wirklich schon wieder ganz gut gehen. „Bekomme ich jetzt auch einen Kuss von dir?" „Ja, Mama Tuss, Luda kein Aua mehr." Na, wie sollte ich da schon ablehnen, wenn ich von meinen beiden Lieblingsmenschen so nett aufgefordert wurde. Und ehrlich gesagt gab es da auch nicht den geringsten Widerstand in mir, eher im Gegenteil. Ich beugte mich zu Luca und legte ganz vorsichtig meine Lippen auf seine. Im Hintergrund hörte ich, wie sich die Zimmertür öffnete. Na hoffentlich war das nicht die Oberschwester, die uns hier gleich achtkantig aus dem Zimmer warf, schoss es mir durch den Kopf. Das konnte sie vergessen. Ich würde mich hier keinen Millimeter weg bewegen, waren meine letzten Gedanken, ehe ich mich wieder ganz auf Luca und dieses wunderbare Gefühl konzentrierte, das durch meinen Körper strömte.
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Schuss und Treffer - zum Comeback ✔️ Teil 12
RomanceGenia hat in ihrem Leben schon viele Höhen, aber noch viel mehr Tiefen gesehen. Und wer in seinem Leben schon auf dem Tiefpunkt war, der will nur noch in eine Richtung - nach oben - aber nicht mehr um jeden Preis, denn da gibt es auch noch ein klein...