Ich konnte meinen Blick überhaupt nicht mehr von dem Mann mit den Sonnenblumen in der Hand neben Luca lösen. „Papa?!" Meine Stimme spiegelte meine Ungläubigkeit wider. Das konnte doch unmöglich mein Vater sein, der dort stand.....nach all den Jahren. „Meine kleine Sonnenblume." Papas Stimme war leicht zittrig. Hier im Raum waren alle Stimmen verstummt und alle schienen uns zu beobachten. Ich stand da wie eingefroren und wusste nicht, was ich jetzt machen sollte. Einerseits war meine Kehle ganz eng und ich hatte das Gefühl mir würden gleich die Tränen kommen, weil ich endlich meinen Papa wieder sah. Wie oft hatte ich an ihn gedacht. Gerade in letzter Zeit. Ja, ich hatte ihn so sehr vermisst in den letzten Jahren. Mit ihm an meiner Seite wäre ich niemals in das ganze Schlamassel geraten.....und genau dieser Gedanke beschwor dann die anderen Gedanken herauf. Wieso hatte er mich im Stich gelassen. Wieso hatte er sich nicht auf meine Seite gestellt? In mir kämpften gerade Freude gegen Enttäuschung und unfassbares Glück gegen Wut an. Ich hatte das Gefühl zu ihm rennen zu wollen, um mich in seine Arme zu werfen und gleichzeitig schien ich wie gelähmt, so dass ich mich keinen Millimeter bewegen konnte. „Na los!" Lucy schob mich ein Stück in seine Richtung. Scheinbar war das genau der Anstoß, den ich brauchte, denn meine Füße bewegten sich auf einmal von ganz alleine. „Papa!", wiederholte ich dieses eine Wort, als ich vor ihm stand und er mich ungelenk in seine Arme zog. „Meine kleine Sonnenblume, alles, alles Gute zum Geburtstag. Ich bin so glücklich, dass ich dich endlich wieder habe." Die letzten Worte schluchzte er und ich spürte, wie sich auch aus meinen Augen die ersten Tränen auf den Weg machten, als wir uns wieder voneinander lösten. „Mama nis weinen." Espie zupfte an meinem Arm und schaute mich besorgt an. „Du musst meine kleine Enkeltochter sein." Mein Vater ging vor meiner Tochter in die Hocke und strich ihr über das Haar. „Sie sieht genau wie du aus, als du so klein warst." Sein Blick war wieder zu mir gegangen. „Wer is du?" Espie musterte ihn neugierig. „Ich bin dein Opa." Bei den Worten musste ich schlucken und es kribbelte schon wieder so blöd an meiner Nasenwurzel. Wie oft hatte ich von diesem Satz und diesem Zusammentreffen geträumt? Sehr oft. Und trotzdem fühlte sich das gerade irrealer an als in jedem Traum. Ich verstand nicht, wie es möglich war, dass mein Vater hier aufgetaucht war....nach all den Jahren....das war doch.....keine Ahnung. „Du nis Opa. Da is Opa." Espie schüttelte entschieden den Kopf und lief zu Leon, dem man ansehen konnte, wie sehr ihm das Ganze schmeichelte. Trotzdem hob er Espie auf seinen Arm und lief mit ihr zu meinem Vater. „Spatzl, jeder hat zwei Opas. Und der eine bin ich, Opa Leon, und der andere ist...." Er schaute meinen Vater fragend an. „Johannes", stellte der sich gleich mit seinem Vornamen vor. „Und der andere ist Opa Johannes." Espie nickte. „Opa Eon und Opa Ohannes." Sie schenkte meinem Vater ihr strahlendstes Lächeln. „Na dann is dat ja auch geklärt", lachte Tessa. „Opa Eon mach mal Platz, ich will dem anderen Opa von meinem Patenkind mal Hallo sagen." Sie marschierte auf meine Vater zu und reichte ihm die Hand. „Ich bin Tessa und nur als kleine Warnung, ich nehme mein Amt als Patentante sehr ernst." Wie sie das Wort Patentante ausgesprochen hatte, hätte Marlon Brando neidisch gemacht. So wie sie meinen Vater dabei anschaute, wollte sie mit ihren Worten wohl noch etwas mehr ausdrücken. Na klar, sie kannte ja ein paar Sachen aus meiner Vergangenheit und wusste, dass meine Familie nicht zu mir gestanden hatte. „Hallo, ich bin Lucy, die andere Patentante." Lucy schob Don Tessa Corleone beiseite und reichte meinem Vater freundlich lächelnd die Hand. Ihr folgten dann noch weitere Gäste, während ich noch immer nicht wirklich glauben konnte, was sich hier gerade in unserem Wohnzimmer abspielte. Mein Vater in mitten meiner Freunde an meinem Geburtstag. Ob das der Drachen wusste? Bestimmt nicht, sonst hätte sie es garantiert unterbunden, dass er hier auftauchte. In meinem Kopf schwirrten so viel Fragen. Eine der lautesten war die, woher er wusste, wo ich wohnte. Wie hatte er mich hier gefunden? Und warum gerade heute und nicht schon viel früher? „Ach herrje, ich habe ja das wichtigste vor lauter Aufregung vergessen." Papa schlug sich mit der Hand vor den Kopf. „Ich muss noch einmal schnell zum Auto." Als ich ihm hinterher blickte, wie er unsere Wohnung verließ, war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich das nicht vielleicht doch alles nur geträumt hatte......Nein, hatte ich nicht, denn er tauchte kurze Zeit später mit einer Torte, die er auf seinen Händen balancierte, wieder auf. Ein Blick darauf ließ sofort wieder Tränen in meine Augen steigen. „Die ist von Frau Kowalski!" Ja, genau diese Torte hatte sie mir zu jedem meiner Geburtstage gemacht. Das hieß ja, dass sie immer noch für meine Eltern arbeitete. In mir breitete sich ein Gefühl der Sehnsucht aus. Wie gerne würde ich unsere Haushälterin wieder sehen. „Jetzt suppe hier nicht die schöne Torte mit deinen Tränen durch, sondern schneide sie lieber an, damit wir sie endlich probieren können", riss mich Tessa aus meinen Emotionen und bekam von den anderen verbale Unterstützung.
„Na, das war ja eine ziemliche Überraschung." Leokardia hatte sich neben mich gestellt und musterte mich. „Kommst du damit klar?" Sie kannte ja meine Geschichte auch und schien sich Sorgen zu machen. Ich nickte nur als Antwort. Ja klar, kam ich irgendwie mit dieser Situation klar. Mein Blick ging zu meinem Vater, der sich gerade angeregt mit dem eisigen Essiggürkchen unterhielt, während er Espie auf seinen Knien auf und ab wippte. Genau dieses Bild hatte ich mir immer gewünscht, mein Vater mit seiner Enkelin.....aber jetzt....jetzt fühlte sich das irgendwie komisch an. Er saß da, als wäre das schon immer so gewesen. Das war es aber nicht. Und das konnte ich doch auch nicht einfach so vergessen. Klar freute ich mich ihn hier zuhaben, aber in mir wurde die Frage immer lauter, wie lange würde das so sein. Die Antwort war ziemlich einfach und mir mehr als nur ein bisschen bewusst. Es wäre genau so lange so, bis meine Mutter etwas davon mitbekam und es ihm verbot. Denn eins war mir klar, bei dem Drachen würde es keine Versöhnung geben, da war ich schon lange abgeschrieben wie ein lästiges Verlustgeschäft. Ich sollte mich einfach darauf vorbereiten, dass er nur wieder temporär in meinem Leben aufgetaucht war, dann tat es auch nicht so weh, wenn er einfach wieder verschwand.
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Schuss und Treffer - zum Comeback ✔️ Teil 12
عاطفيةGenia hat in ihrem Leben schon viele Höhen, aber noch viel mehr Tiefen gesehen. Und wer in seinem Leben schon auf dem Tiefpunkt war, der will nur noch in eine Richtung - nach oben - aber nicht mehr um jeden Preis, denn da gibt es auch noch ein klein...