„Du kannst nicht schlafen, hmm?" Ich spürte wie Lucas Zeigefinger sanft über meinen Oberarm strich, während er mich mit seinem Arm noch dichter an sich zog. Ich schüttelte ganz leicht den Kopf. Bestimmt schon seit fast zwei Stunden lag ich hier im Bett und fand keinen Schlaf. Das war ungewöhnlich, denn in Lucas Armen schlief ich normalerweise immer sofort wie ein behütetes Kind ein. Heute aber nicht, weil meine Gedanken verrückt spielten und wild durch meinen Kopf wirbelten. „Ach Spatzl, das war doch heute auch ein aufregender Tag." Ja, das war es wirklich. Ich konnte noch immer nicht glauben, wie mein Vater auf meine Erzählung reagiert hatte. „Papa war überhaupt nicht böse auf mich, dass ich so abgerutscht bin." Nein, er hatte sich sogar mit Tränen in den Augen bei mir entschuldigt und mich gebeten ihm zu verzeihen, dass er nicht so für mich da war, wie er hätte müssen. Dabei war das doch Quatsch. Schließlich war niemand außer mir selbst schuld, dass ich da so hineingerutscht war.....na ja volle Pulle hineingesprungen traf es wohl besser als gerutscht. Denn gerutscht würde ja implizieren, dass es versehentlich war. Ehrlich gesagt war ich aber sehenden Auges immer weiter auf den Abgrund zu marschiert, ohne abzustoppen. Aus heutiger Sicht fragte ich mich oft genug, wie ich so dumm gewesen sein konnte so falsche Ziele zu haben und diese besseren Wissens weiterzuverfolgen. Mir war doch schon ziemlich früh klar gewesen, dass ich nicht wirklich als Model taugte. Trotzdem hatte ich nicht aufgegeben und lieber weiter meinen Körper anstatt meiner Intelligenz genutzt, um Geld zu verdienen. Alles nur aus einem völlig irrationalen Grund.....weil ich meinen Eltern eins auswischen wollte. Wie dumm war ich bitte? Das war sicher mit 18 oder 19 noch vertretbar, aber nicht mehr mit 30. Andererseits steckte ich da schon so tief in dem ganzen Dreck......und anstatt sich von mir abzuwenden oder zumindest enttäuscht von mir zu sein, suchte mein Vater die Schuld dafür bei sich. Das beschämte mich noch mehr. „Er ist dein Vater, der dich liebt. Du könntest doch Espie auch für nichts böse sein. Überlege doch einmal, wenn deiner Tochter das Gleiche widerfahren würde, wie würdest du dann reagieren?" Ich schnaubte kurz auf. „Natürlich würde ich ihr keine Vorwürfe machen. Es wäre ja mein Fehler, dass ich sie nicht davor bewahrt habe." „Siehst du." Ich hörte das Schmunzeln aus Lucas Stimme heraus. Manchmal war es echt beängstigend wie erwachsen und reif er war und ich fragte mich, ob er wirklich der Jüngere von uns beiden war. „Aber ich finde es schon den Knaller, dass er in Düsseldorf an der Uni seinen Job als Prof verloren hat, nur weil er geschieden war." Das war nicht der Knaller sondern mit Sicherheit dem Umstand geschuldet, dass seine Exfrau alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, damit er keine Forschungsgelder mehr bekam. Ich konnte mir schon gut vorstellen, was in ihrem Kopf abgegangen war. Zum einen hatte er sich gegen sie gestellt wegen eines wertlosen Verlustpostens, sprich meine Wenigkeit, und zum anderen hatte er sich dann auch noch gleich mit einer anderen Frau getröstet, die auch noch ihre ehemalige Haushälterin war. Das bedurfte zum einen einer angemessenen Strafe und zum anderen musste sie ihn ja möglich weit aus ihrem Leben verbannen, damit keine peinlichen Fragen aufkamen. So konnte sie ihn als erfolglos darstellen und hatte gleich auch den offiziellen Trennungsgrund parat, den sie allen als zielstrebige Geschäftsfrau verkaufen konnte. Glücklicherweise hatte mein Papa aber in Bochum sofort eine neue Stelle bekommen und sogar als Dekan. Tja, da hatte sie sich wohl verpokert, wenn sie gehofft hatte auch sein Leben zu zerstören. „Tja, meine Mutter hat nie Gefangene gemacht." Ich konnte einen sarkastischen Ton nicht unterdrücken. „Wie kommst du überhaupt damit klar, dass sie tot ist?" Auch wenn Luca versuchte seiner Stimme einen neutralen Klang zu geben, hörte ich trotzdem seine Besorgnis heraus. Okay, wenn meine Mutter nur ansatzweise wie seine Mutter gewesen wäre, hätte mich ihr Tod sicher getroffen, aber so.... „Eigentlich ist mir ihr Tod egal, auch wenn das nicht gerade für mich spricht." Ich spürte wie Luca den Kopf schüttelte. „Das ist doch Quatsch. Sie hat dir übel mitgespielt. Da ist das völlig okay." Gab es eigentlich irgendetwas in meinem Tun, für das er kein Verständnis aufbringen würde? „Das einzige, was mich wirklich so richtig ärgert, ist, dass ich ihr nicht mehr gegenübertreten und die Meinung geigen kann." Klar hatte ich in den letzten paar Jahren immer gehofft ihr nicht über den Weg zu laufen, aber nach dem heutigen Tag und allem, was ich von meinem Vater erfahren hatte.....es wäre an der Zeit gewesen, ihr einmal zu sagen, dass weder Papa noch ich die Versager waren. Der eigentlich wirkliche Versager war sie gewesen, weil sie ein eiskalter Gefühlskrüppel war, der nur an sich und an seine Firma hatte denken können. Sie ganz alleine hatte unsere Familie auf dem Gewissen und hatte Papa und mir die ganzen gemeinsamen Jahre gestohlen. Ganz zu schweigen von meiner Carmen.....Diese ganze Wut konnte ich aber nicht mehr bei ihr abladen, weil der Drache jetzt wahrscheinlich in der Hölle schmorte. Ja, der Drache - obwohl über Tote durfte man ja nicht schlecht reden. Aber ehrlich gesagt war mir das gerade ziemlich egal. Für mich würde sie der Drache bleiben. „Da hat sie dann wohl Glück gehabt, denn dir möchte ich nicht begegnen, wenn du richtig sauer bist. Ich habe sie ja nie kennengelernt, aber von den Erzählungen her, muss dein Vater irgendwie das totale Gegenteil von ihr sein." „Definitiv. Er war schon immer der liebevolle Elternteil. Ehrlich gesagt kann ich immer noch nicht glauben, dass er so überhaupt nicht enttäuscht von mir ist und mich immer noch lieb hat." Ich spürte Lucas Atem, der meinen Hals streifte. „Weißt du mit der Liebe ist das so eine Sache. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es irgendetwas geben könnte, was mich dazu bringt, dich nicht mehr zu lieben." Seine Lippen berührten mein Haar und mein Herz schlug ein paar Takte schneller. „Und ich bin nicht dein Vater." So wie seine Hände gerade über meinen Körper wanderten, war das auch ganz gut so....
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Schuss und Treffer - zum Comeback ✔️ Teil 12
RomanceGenia hat in ihrem Leben schon viele Höhen, aber noch viel mehr Tiefen gesehen. Und wer in seinem Leben schon auf dem Tiefpunkt war, der will nur noch in eine Richtung - nach oben - aber nicht mehr um jeden Preis, denn da gibt es auch noch ein klein...