„Mama?" Meine Tochter starrte mich in einer Mischung aus Freude und gleichzeitig Enttäuschung an. Ich ließ meinen Blick durch das Zimmer wandern. Überall lagen oder hingen bunte Luftballons und auf dem Tisch stand ein Napfkuchen, der dick mit Zuckerguss und bunten Zuckerperlen verziert war. Darauf thronten einige Kerzen, deren Flammen auch schon flackerten. Genau wie die Teelichter auf einem Tablett. Und daneben lagen eingewickelte Geschenke. Nein, das .....das konnte ich gar nicht glauben. „Happy birthday to you, happy....", begann Luca zu singen und Espie versuchte seine Worte zu kopieren. Das war.....das war so unglaublich süß, wie sie dort in ihrem Schlafanzug mit ihren verwuschelten Haaren stand und strahlte. Und Luca sah auch so aus, als wäre er erst vor kurzem aus dem Bett gefallen. Das konnte aber gar nicht sein, so wie hier alles dekoriert war. Mit seinem gebrochenen Bein war das mit Sicherheit total anstrengend gewesen. Ich spürte, wie mir vor Rührung ein paar Tränen über die Wangen kullerten. „Mama, nis weinen, Mama Teburtstat." Meine Tochter kam zu mir gelaufen und ich hob sie schnell auf meinen Arm. „Ich freue mich so, deshalb weine ich." Die Kleine nickte, auch wenn ich nicht glaubte, dass diese Erklärung für sie logisch war. Auch Luca kam zu mir gehumpelt und legte seinen Arm auf meine Schulter, während er sich mit dem anderen auf seiner Gehhilfe abstützte. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, mein Spatzl." Seine Lippen fanden den Weg auf meine. Und seit über einer Woche fühlte es sich mal wieder total richtig und schön an. Wenn jemand so eine Geburtstagsüberraschung trotz seiner momentanen körperlichen Einschränkungen plante, dann konnte er unmöglich noch auf mich sauer sein. Das musste nur meiner Einbildung entsprungen sein, die höchstwahrscheinlich meinem eigenen schlechten Gewissen geschuldet war. „Eigentlich hast du gar keine Geschenke verdient, weil du unsere ganze Überraschung kaputt gemacht hast", grummelte Luca grinsend, nachdem er sich wieder von mir gelöst hatte. Geschenke musste wohl das Startwort für meine Tochter gewesen sein, denn Espie begann auf meinem Arm zu zappeln, damit ich sie herunterließ. „Mama Senke!" Sie rannte zu dem Tisch, auf dem die ganzen Kerzen brannten. „Mama pusten!" Oha, meine Tochter war ja fast aufgeregter als zu ihrem eigenen Geburtstag. Okay, das war ja auch erst ihr zweiter und sie hatte vielleicht noch nicht ganz so viel mitbekommen wie jetzt. Das würde in nicht einmal mehr einem Vierteljahr zu ihrem dritten Geburtstag bestimmt auch anders aussehen als im vergangenen Jahr. Man, ich musste mir da unbedingt etwas Tolles einfallen lassen. Ja, auf alle Fälle, aber jetzt musste ich mich erst einmal auf das hier und jetzt konzentrieren, damit meine beiden Geburtstagselfen nicht enttäuscht waren, weil ich zu abgelenkt war und ihre ganze Arbeit nicht ausreichend würdigte. „Ja, Mama muss die ganzen vielen Kerzen auspusten und sich etwas wünschen." „Ob ich das überhaupt schaffe? Ich glaube nicht, dass ich genug Luft habe." „Ach doch, da bin ich mir ganz sicher, du kannst ganz gut blasen." Luca grinste mich frech an und ich war dankbar, dass meine Tochter noch zu klein war, um diese Zweideutigkeit zu verstehen. „Mama blasen!", wurde ich auch sofort angefeuert und zu dem Tisch geschoben. Ja, Espie konnte ziemlich willensstark und tatkräftig sein, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Ich schaute zu den Teelichtern. „Du musst nicht nachzählen. Es sind 38." Luca zwinkerte mir zu und ich atmete einmal tief ein, ehe ich kurz die Luft anhielt. Ich musste mir ja noch etwas wünschen. Aber was sollte ich mir wünschen? Dass es meinem kleinen Sonnenschein gut ging und dass sie glücklich war? Dass Luca bald wieder fit war? Oder dass er sich von einem Studium überzeugen ließ? Dass bei uns wieder alles im Reinen war und er meine Übergriffigkeit entschuldigt? Nein, das brauchte ich mir wohl nicht mehr zu wünschen, denn wenn er noch sauer wäre, müsste ich jetzt keine Kerzen auspusten. Ganz plötzlich schoss mir Carmen in den Kopf. Sollte ich mir wünschen, dass ich sie doch noch irgendwie fand? Nein, das machte keinen Sinn mehr. Schließlich war sie auch schon zweiundzwanzig und führte mit Sicherheit ihr eigenes Leben mit ihrer Familie. Da brauchte sie niemanden, der das jetzt alles durcheinander brachte. Nein, das war abgehakt. Und ich, ich musste mich auf meine Familie konzentrieren. Ich pustete entschlossen. „Ich wünsche mir, das meine Familie gesund bleibt und wir alle zusammen glücklich sind." Ja, das war doch ein perfekter Wunsch an das Universum, den ich lautlos formulierte. Da waren Espie und Luca eingeschlossen und alles Wichtige enthalten. Was gab es schon Wichtigeres als Gesundheit und ein glückliches Zusammensein? Mit dem letzten bisschen Luft in meinen Lungen war es mir gelungen auch diese eine letzte aufmüpfige Flamme auszupusten, die sich so lange gewehrt hatte. Espie klatschte begeistert in ihre kleinen Hände. „Siehst du, habe ich doch gesagt, dass du das schaffst." Zur Belohnung bekam ich einen Kuss auf die Wange von meinem Freund. „Und jetzt werden die Geschenke ausgepackt." „Ja, Senke!" Espie begann aufgeregt wie ein kleines Känguru zu hüpfen. „Nimm mal die Rolle da als erstes", bekam ich die Anweisung und griff wie befohlen danach. Vorsichtig löste ich die Schleife darum und rollte das Blatt auseinander. Zum Vorschein kam ein kunterbuntes Gemälde meiner Tochter. „Wow, das ist ja wunderschön." Ja, für mich war es schöner und wertvoller als jeder Picasso. „Is malt." Espie strahlte mich stolz an. „Das müssen wir unbedingt einrahmen und dann bekommt es einen Ehrenplatz." „Dann solltest du vielleicht als nächstes dieses Geschenk öffnen." Luca reichte mir ein rechteckiges Geschenkpaket. „Na das ist ja der perfekte Rahmen", grinste ich, nachdem ich es ausgepackt hatte und zwinkerte Luca zu, der auch breit grinste. „Letzes Senk!" Espie deutete ganz aufgeregt auf das eine kleine Geschenk, dass noch auf dem Tisch lag. Ich griff es mir und löste vorsichtig die Schleife, die sich um dem bunten Geschenkpapier befand. Zum Vorschein kam eine Samtschatulle mit dem Aufdruck eines Juweliers. Erschrocken hielt ich den Atem an. Das war doch nicht etwa....nein das war ja Quatsch. Das wäre ja noch viel zu früh. Hallo, was dachte ich da bitte? Das war nicht nur zu früh, das war totaler Blödsinn bei unserem Altersunterschied. Ich öffnete die Samtschatulle schnell, bevor ich noch blödere Gedanken entwickelte. Ein silbernes Herz glitzerte mich an. „Mama, is aussucht!" Espies Stolz war nicht zu übersehen. „Ja, da hatte ich eine richtig gute Unterstützung. Genau wie beim Kuchen backen." Mein Blick ging wieder zu dem Napfkuchen. „Wann und wo habt ihr den überhaupt gebacken?" „Gestern bei meinen Eltern. Deshalb hat mich auch mein Dad abgeholt und wir haben Espie aus der Kita gekidnappt." Luca zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Hier hättest du es ja sonst mitbekommen und wir hätten dich nicht überraschen können." Innerlich verfluchte ich mich, dass ich ihm etwas ganz anderes unterstellt hatte. Ich hätte mir den ganzen Frust, den ich geschoben hatte, einfach sparen können. Ich zog den Kettenanhänger aus der Schatulle und ließ ihn an der Kette von meinem Finger schwingen. „Da...da stehen ja unsere drei Namen drauf." Ich war fast sprachlos vor Überraschung und Rührung. „Ja, wir gehören doch alle drei zusammen und da ist auch noch Platz für weitere", zwinkerte mir Luca frech zu. Auch wenn ich ahnte, was er damit meinte, war ich mir sicher, dass es nicht dazu kommen würde. Nein, meine biologische Uhr sprach einfach dagegen. Bis Luca soweit war und einen festen Stand im Leben hatte, war das Thema für mich garantiert durch. Aber vielleicht würde ich Carmen dazu gravieren lassen, denn irgendwie gehörte sie doch auch mit dazu, zu meiner kleinen Familie, auch wenn ich nicht wusste, wo sie gerade war.
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Schuss und Treffer - zum Comeback ✔️ Teil 12
Roman d'amourGenia hat in ihrem Leben schon viele Höhen, aber noch viel mehr Tiefen gesehen. Und wer in seinem Leben schon auf dem Tiefpunkt war, der will nur noch in eine Richtung - nach oben - aber nicht mehr um jeden Preis, denn da gibt es auch noch ein klein...