Kapitel 114

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Mein kleiner Sonnenschein saß im Kindersitz neben mir und schaute neugierig aus dem Fenster. Das tat sie schon den ganzen Flug über. „Sau , Mama!" Mit ihrer kleinen Hand deutete sie aus dem Fenster. Ich lehnte mich über sie. „Das ist das Meer und da ist ein Schiff." Espie nickte begeistert. „Ja, Siff." „Magst du einen Schokoriegel, Spatzl?" Luca, der auf meiner anderen Seite saß, hatte in dem Rucksack zu seinen Füßen gewühlt und drei Schokoriegel hervor gezaubert. „Neeein, sauen!" Meine Tochter schüttelte empört ihren Kopf. Scheinbar faszinierte sie der Ausblick aus dem Flugzeugfenster so, dass sie es nicht schaffte auch noch gleichzeitig etwas zu essen. Ich musste schmunzeln und mir wurde ganz warm ums Herz. „Ohne deine Eltern wäre das nicht möglich gewesen. Und sieh nur, wie gerne sie fliegt", wandte ich mich an Luca, meinen Blick immer noch auf Espie geheftet. Sein Daumen strich sanft über meinen Handrücken. „Also erstens haben sie das mit Sicherheit gerne gemacht, denn sonst hätten sie es nicht gemacht. Und zweitens ihr könntet euch das mittlerweile auch ohne meine Eltern leisten." Da hatte er recht, aber irgendwie hatte ich mich noch nicht an diesen Gedanken gewöhnt......und irgendwie wollte ich das auch noch nicht. Vielleicht aus Angst wieder in alte Verhaltensmuster zu rutschen.....

„Ach, das Geld spielt doch keine Rolle. Wenn dir das gefällt, dann kaufe ich das." Meine Aufträge brachten ja genug Geld ein. Paula schüttelte den Kopf und schaute sich in dem schicken Laden um. „Wozu? Auf den Sachen meiner Tochter muss kein Designername stehen. Und sie braucht auch keine Decke aus Kashmir. Sie ist ein Kleinkind! Sie kleckert beim Essen und macht sich beim Spielen schmutzig. Wo soll sie das überhaupt tragen? Im Kindergarten? Außerdem, dieses schreckliche Karomuster in ollen Erdtönen, würde ich ja nicht einmal als Erwachsener tragen wollen." Paula schnappte mir das Kleid von Burberry aus der Hand und hängte es auf den Ständer zurück. „Wenn du ihr wirklich etwas schenken willst, dann lass uns in einen vernünftigen Laden mit nicht so abgehobenen Preisen gehen." Ich schüttelte den Kopf. „Sie soll doch etwas Besonderes haben. Und das hier hat mit Sicherheit mehr Qualität. Außerdem, das Geld spielt echt keine Rolle." Paula verzog ihr Gesicht. „Bei uns schon und ich bezweifele erstens, dass die Qualität besser ist und zweitens, dass Julia das zu schätzen weiß. Sie freut sich viel mehr, wenn sie mit dir Zeit verbringen kann als über so einen Fetzen." Paula marschierte entschlossen aus dem Laden und ich folgte ihr. Dann würde ich halt später noch einmal alleine herkommen, denn das Geld von meinem letzten Auftrag brannte mir fast ein Loch in die Tasche, wenn ich es nicht bald ausgab. Schließlich bekam ich ja schon bald das nächste Geld. Schließlich lief es gut bei mir.....

Ja, mittlerweile wusste ich, dass sich so etwas aber schnell ändern konnte. Geld war manchmal schneller weg als man gucken konnte. Und ich wollte nie wieder so enden wie damals. Schon alleine wegen meiner Tochter. Deshalb war ich mir auch ganz sicher, dass sich nur sehr geringfügig etwas an unserem Lebensstil änderte, egal wie viel Geld ich mein Eigen nennen würde. Es gab so viele unwegsame Dinge, die passieren konnten. Außerdem waren wir an unseren Lebensstil gewöhnt und damit glücklich. Also bestand doch auch gar kein Grund zur Änderung. „Aber du isst doch einen Schokoriegel mit mir?" Luca hielt meinen Lieblingsriegel vor meinen Mund und ich musste nur noch abbeißen. Ich biss ein kleines Stück ab, ehe auch Luca dann in den Riegel biss. „Eh, könnt ihr euch nicht jeder einen Riegel leisten?" Tessa, die zwei Reihen schräg vor uns saß, hatte sich zu uns gedreht und grinste breit. „Nee, meinem Sohn fressen die Frauen aus der Hand", kam es gleich von Leon, der in der selben Reihe wie wir nur über den Gang saß. „Dann muss ja noch ein Riegel übrig sein, oder Erbsenzähler?" Luca griff noch einmal in den Rucksack zu seinen Füßen und beförderte einen weiteren Riegel heraus, den er Tessa zu warf. „Hier, Dumpfbirne." Tessa fing ihn geschickt auf. „Danke! Ab sofort bist du mein Lieblings-Erbsenzähler." Sie drehte sich wieder um und war mit dem Riegel beschäftigt. Mein Blick wanderte zu Luca, der mir zuzwinkerte. Ich schob die Armlehne zwischen uns hoch und kuschelte mich an seine Schulter. Ja, so musste Leben sein. Ich spürte wie seine Lippen einen Kuss auf mein Haar drückten. Total entspannt schloss ich kurz die Augen. Ein Rütteln an meinem Arm riss mich aus meinen Träumen.  „Mama sau!" Espie forderte wieder meine Aufmerksamkeit. Ich beugte mich zum Fenster und folgte ihrem kleinen Finger. Unter uns sah ich das türkisfarbene Meer und ich sah Es Vedra. Das hieß, wir mussten bereits im Landeanflug sein. Es Vedra! Ich liebte diese magische Insel vor der Küste von Ibiza. Manno, es war Ewigkeiten her, dass ich das letzte Mal hier gewesen war. Ja, mein letzter Ibiza Aufenthalt war bevor ich richtig abgestürzt war. Alleine der Gedanke sorgte dafür, dass sich eine leichte Gänsehaut auf  meiner Haut ausbreitete. „Ist dir kalt, Spatzl? Ich schalte die Lüftung aus." Luca streckte sich sofort zu der Düse über uns. Er war immer so besorgt um mich. Womit hatte ich das nur verdient? Gerade bei dem Blick auf die Insel unter uns fragte ich mich das noch mehr. Ich hatte mich hier nicht nur einmal verkauft. Hier hatte es auch mit meiner Drogensucht begonnen. Konnte ich mir da wirklich trauen? Vielleicht war es doch kein so gutes Omen wieder hierher zurückzukehren. Mein Blick glitt zu meiner Tochter, die mit strahlenden Augen immer noch aus dem Fenster schaute. Doch, es war eine gute Idee, denn ich hatte ja meine beiden liebsten Menschen bei mir. Da bestand keine Gefahr, dass ich wieder rückfällig wurde.  „Schau, das ist Ibiza!", erklärte ich meiner Tochter und deutete auf die Salinen, die unter uns fast zum Greifen nahe waren. Ja, dahinter lag Experimental Beach. Da war ich früher öfter, aber was interessierte mich das schon? Für mich gab es einen Familienurlaub und nur den Beach mit Buddeleimer und Schaufel. Und ich freute mich jetzt wirklich darauf. Das Flugzeug setzte sanft auf der Landebahn auf. Ja, Espie, Luca und ich würden hier eine wunderschöne und unvergessliche Zeit haben, ganz ohne die Schatten meiner Vergangenheit. Dafür würde ich schon sorgen.

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt