Kapitel 64

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Mist, wie sollte ich denn jetzt reagieren? In meinem Kopf herrschte absolute Leere und mein Magen hatte sich so zusammengezogen, dass ich das Gefühl hatte, mein Essen wollte gleich raus. „Ach du meinst als Mama so doll erkältet war." Luca zwinkerte mir zu. Okay, das könnte funktionieren. Ich schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Wenigstens bei einem von uns beiden schien die Denkzentrale noch reibungslos zu arbeiten. „Nein, Mama immmaaa slaft bei dis." Danke! Wer hatte meiner Tochter eigentlich das Sprechen beigebracht. Und warum hatte ich mich so gefreut als sie das erste Wort gesagt hatte? Damals war mir nicht im Ansatz klar gewesen, dass sie mich damit schon in nicht so ferner Zukunft in Teufels Küche brachte. Ja, Teufels Küche, denn so wie mich gerade alle anschauten, hatte ich das Gefühl....ach keine Ahnung....diese Stille, die plötzlich herrschte, machte mich ganz verrückt. Ich hatte das Gefühl, dass seit dem letzten Satz meiner Tochter sogar die Vögel in den Bäumen das Zwitschern eingestellt hatten, Wahrscheinlich hatten sie auch alle ihre Augen und Schnäbel auf mich gerichtet. Ich spürte plötzlich wie eine Hand nach meiner Griff. Ohne hinschauen zu müssen, wusste ich instinktiv, dass es Lucas Hand war. Mein Blick wanderte zu ihm und er lächelte mich zwinkernd an.„Also, da Espie uns ein bisschen vorgegriffen hat, Genia und ich sind zusammen." Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Wusste er nicht, was er mit diesen paar einfachen Worten auslöste? Das gab gleich eine fürchterliche Katastrophe. Das spürte ich. Ich schloss kurz meine Augen, um mich innerlich auf den Tsunami, der uns gleich mitreißen würde, vorzubereiten. Alles was ich aber hörte, war eine Männerlache. Ich öffnete meine Augen wieder und sah Marco breit grinsen. „Dat nenn ich mal einen gelungenen Aprilscherz." Er klatschte in seine Hände. „Und ihr seid alle reingefallen, so wie ihr schaut." Er bekam sich gar nicht mehr ein. Tatsache war ja heute der erste April. Und eigentlich wäre es eine gute Ausrede, um doch noch die Kurve zu bekommen. Ich spürte aber den extremen Widerstand dagegen, der sich in mir aufbaute. Nein, meine Beziehung zu Luca war kein Aprilscherz, sondern Liebe, die ich tief in mir fühlte. Und ehrlich gesagt wollte ich sie auch gar nicht mehr verleugnen. Nein Luca war für mich viel zu wichtig. „Das ist kein Aprilscherz sondern die Wahrheit", hörte ich mich ganz ruhig sagen. „Das glaube ich nicht!" Lucy war scheinbar die erste, die ihre Stimme wieder gefunden hatte und uns sauer anschaute. „Wann wolltet ihr uns das erzählen, wenn Esapie euch nicht verraten hätte?" Lisa war wohl die nächste, die auch wieder zu Stimme gekommen war. Lucas Mutter funkelte uns wütend an. Okay, irgendwie konnte ich sie ja verstehen. Ich wäre wahrscheinlich auch sauer, wenn Espie einen Freund hätte und ihn vor mir verheimlichte.  „Na da sage ich mal herzlichen Glückwunsch." Franzi war die erste und scheinbar einzige, die sich mit uns freute, denn sie  lächelte uns freundlich an. „Die brauchen keinen Glückwunsch, sondern Verstand. Dat kann doch nich dein Ernst sein, dat du dir den Erbsenzähler antust." Tessa schaute mich kopfschüttelnd an. „Der is so spaßbefreit wie ein alter Rentner. Hättest du dir nich wat jüngeres aussuchen können?" Glücklicherweise fing sie bei den letzten Worten an zu grinsen. „April, April", lachte sie da auch schon. „Wenn es für dich passt." Und dann schaute sie mich wieder ernst an. „Bist du dir da echt ganz sicher?" Ich hörte die Sorge in ihrer Stimme heraus. „Wenn es nur wegen der Wohnung ist, dann finden wir auch eine neue für Espie und dich." Auch wenn ich wusste, dass sie es gut meinte, verletzte mich diese Aussage doch, denn sie deutete ja an, dass ich wieder nur eine sexuelle Beziehung aus wirtschaftlichen beziehungsweise existenziellen Gründen hatte. „I g'frei mi." Valentina war aufgestanden und zu uns gekommen. Zu erst umarmte sie Luca und dann mich. „I hob des glei g'seng, des ihr zwoa a Poar seids." Von Leon war ein Schnauben zu hören. „Wenn's des net g'seng host, denn solltst amoi zum Augendoktor genga." Lucas Oma ließ sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen. „Und du a", wandte sie sich an ihre Tochter, die uns immer noch mit ihrem wütenden Blick fixiert hatte. „Des is do a Schmar'n!" Lisa schüttelte ihren Kopf. „Woast wia oid erna san?" Oha, bis jetzt hatte ich erst sehr selten erlebt, dass Lisa in das Bayrische fiel. Aber wenn es wie bei ihren Kindern war, dann war das kein gutes Zeichen, denn die beiden wählten den Dialekt nur, wenn sie total in Rage waren und fluchten. „Des is do wurscht! Der Bua hot a neue Liab scho long vadenat. Und no dazu oane, die net nur Flausa im Kopf hot." „Jawoll. Und oane, die net nur a Vogelfutta fressa tat." Auch Lucas Opa schaltete sich in das Gespräch ein. „Maja hat nur Müsli zum Frühstück gegessen, Opa!" Wenigstens sprach Lucy so, dass ich sie verstand. Was bitte hatten Maja und ihre Frühstücksgewohnheiten mit Lucas und meiner Beziehung zu tun? „Ich finde es cool! Unerwartet aber cool!" Andreas lächelte uns beiden zu. „Da ist nichts cool dran." Leons Stimme war schneidend. „Luca, du ziehst sofort wieder hier zu uns nach Bochum. Und wenn du unbedingt bestimmte Erfahrungen machen willst, dann überweise ich dir mehr Unterhalt und du kannst in gewisse Etablissements gehen. Dafür brauchst du keine alte Exprostituierte." Ich musste schlucken. So sah mich Leon also. Mein Blick ging zu Espie, die seine Worte und auch die ganze Spannung um sie herum glücklicherweise nicht mitzubekommen schien, denn meiner Kleinen fielen schon fast die Augen zu. „Das werde ich mit Sicherheit nicht. Und nur, damit das für deinen beschränkten Intellekt klar ist. Ich liebe Genia und sie liebt mich. Daran wird sich auch nichts ändern" Luca rückte seinen Stuhl nach hinten und stand auf. „Komm, wir gehen. So etwas müssen wir uns echt nicht bieten lassen." Er sah mich auffordernd an und nahm meine Tochter auf seinen Arm. „Luda, is müde." Er drückte ihr einen Kuss auf ihr Haar. „Ja, wir gehen jetzt nach Hause und dann kannst du gleich schlafen.  Ich stand auch auf und ließ meinen Blick noch einmal über alle Anwesenden gleiten. Die meisten Gesichter sahen betreten aus. Nur drei schauten uns wütend an. Dummerweise waren es nur die drei, die eigentlich die wichtigsten für Luca waren. Das war doch alles Scheiße!

Ich wünsche euch allen ein schönes Weihnachtsfest und einen gut gelaunten Weihnachtsmann. 🎅🏻🎅🏻🎄🎄

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt