Kapitel 41

216 40 8
                                    


Ich ließ mich geschafft neben Luca auf die Couch plumpsen. „Das war heute wieder so eine ellenlange Veranstaltung. Danke, dass du dich um Espie gekümmert hast." Er fing an zu grinsen. „Musste ich kaum. Sie hat meinen Dad voll um ihren Finger gewickelt." Ich stieß meinen Atem aus. „Okay, dann war er heute wieder dran?" Seit Lucas Familie vor etwas über zwei Wochen mitbekommen hatte, dass er wieder in Deutschland war, verging kein Tag, an dem nicht einer von ihnen hier bei uns unter irgendeinem dubiosen Vorwand aufschlug. Ich fragte mich schon langsam, wo Lisa auf einmal die ganzen Sachen zum Übersetzen herholt. Klar, hatte ich schon öfter ab und zu etwas für ihre Agentur übersetzt, aber eben ab und zu und nicht mehrmals die Woche. Und Lucy setzte bei ihrem Bruder die schärfsten Waffen ein. Sie tauchte immer in Begleitung ihres kleinen Sohnes oder ihrer älteren Adoptivtochter auf, weil sie genau wusste, dass Luca den beiden nicht widerstehen konnte und sie damit immer herzlich willkommen war. Tja und Leon.....der schlug hier auf, um Luca aus dem Haus zu locken und irgendwelche Vater-Sohn-Aktivitäten zu starten. Scheinbar hatte meine Ansage doch etwas bewirkt, denn das Thema Praktikum war erst einmal vom Tisch. „Ja, eigentlich wollte er mit mir in so eine Schrauberwerkstatt, wo man sein Auto selbst repariert und etwas an seinem Porsche herumschrauben." Luca schnaubte. „Manchmal frage ich mich echt für wie dämlich er mich hält. Denkt er ich merke nicht, dass sein Bespaßungsprogramm immer etwas mit irgendwelchen Jobs zutun hat? Wir haben uns sogar schon mit einem Greenkeeper getroffen." „Will er, dass du Landschaftsgärtner wirst?" „Landschaftsarchitekt, Bitteschön", lachte Luca. „Jedenfalls hat er begriffen, dass ich nicht mehr in die Wirtschaft will." Na das war doch schon einmal was. „Ach ja, die Kita macht nächste Woche einen Ausflug und die Erzieherin hat  gefragt, ob du zur Unterstützung mitkommen könntest." Ich schüttelte den Kopf. „Nee, das geht nicht. Nächste Woche muss ich jeden Tag in die Firma, weil da eine ausländische Delegation zu Besuch ist." Ja, das hatte ich gerade heute erfahren. Natürlich wäre ich gerne zu dem Ausflug mitgegangen. Dann fühlte ich mich auch sicherer, wenn mein kleiner Sonnenschein unterwegs und ich in seiner Nähe war. „Ich kann ja mitgehen", bot Luca sofort an. „Du? Hast du nicht was anderes zutun?" Er schüttelte grinsend den Kopf und eine Strähne löste sich aus seinem Zopf. „Nö, dann bin ich wenigstens einen Tag save vor meiner Familie." Ich musste auch schmunzeln und war verführt die Haarsträhne, die mich förmlich angrinste hinter sein Ohr zu schieben. „Bestimmt freuen sich die Erzieherinnen, wenn du sie unterstützt.....und Espie freut sich sowieso." Ja, meine Tochter klebte wie ein Kaugummi an Luca. Da konnte ich ja manchmal schon fast eifersüchtig werden.....und mindestens zwei der Erzieherinnen würden sich nicht nur über die Unterstützung freuen, sagte mir mein Gehirn grummelnd. Ich hatte schließlich schon ein paarmal mitbekommen, wie sie Luca anschmachteten.... „Alles klar, dann ist das abgemacht. Ich sage dann gleich morgen Bescheid." Morgen! „Morgen ist ja der Geburtstag von Leokardia und den anderen!" „Ja, und?" Luca schaute mich verständnislos an. „Mist, ich habe total vergessen Geschenke zu besorgen." In meinem Kopf setzte sofort ein Brainstorming ein. Für Leokardia konnte ich eine schöne Orchidee besorgen. Schließlich war sie besonders stolz auf ihre ausgefallenen Sammlung. Aber was besorgte ich für Tessa und Maja? Was kaufte man für einen weiblichen Fußballstar und eine weltweit gefeierten Popstar?

„Marlen, du bist auf Ibiza auf der Yacht von diesem britischen Sänger, der gerade die Charts stürmt eingeladen."  Ich lauschte der Stimme meines Managers und vor meinem inneren Auge ploppte sofort türkisfarbenes Meer und strahlender Sonnenschein auf. Ich spürte sogar die Wärme der Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Ein Blick aus dem Fenster bestätigte dieses Fernwehgefühl, denn dort rannen die Wassertropfen des Regens an der Scheibe hinunter und gaben dahinter den Blick auf graue Wolken frei. Ja, ich musste hier raus. „Er hat dich für die  zwei Wochen gebucht. Da gibt es wohl mehrere Partys. Also vergiss deine Cocktailkleider und knappen Bikinis nicht einzupacken." „Wann geht es los?" „Übermorgen" Das war.....das war perfekt, um dem tristen Wetter hier zu entfliehen. Nein, war es nicht. In drei Tagen hatte Julia Geburtstag und wurde drei. Julia war Paulas älteste Tochter und mein Patenkind. Ich hatte ihr versprochen für sie eine ganz tolle Geburtstagsparty zu organisieren. „Der Flug ist schon gebucht." „Ähm, also...ich glaube...ich kann nicht...", druckste ich herum. Ich wusste genau, das Paula sich auf mich verließ, wo sie doch gerade durch ihre zweite Schwangerschaft ans Bett gefesselt war.  „Du kannst nicht glauben, wie viel Geld du dafür bekommst, wolltest du wohl gerade sagen. Ich möchte auch mal einen Luxusurlaub machen und dafür noch Kohle kassieren."  „Nein, also ich muss für mein Patenkind den Kindergeburtstag ausrichten und der ist in drei Tagen..." „Wie bitte? Das ist doch nicht dein Ernst. Wegen einem Kindergeburtstag willst du absagen? Von der Kohle, die du kassierst, kannst du der kleinen einen Clown und ein paar Ponys engagieren und dann bleibt immer noch genug übrig." Okay, das hörte sich gar nicht so dumm an. Julia liebte Ponys. Und Clowns sowieso. „Okay, ich bin dabei!" „Braves Mädchen. Ich schicke dir alles zu", hörte ich die tiefe Lache meines Managers, ehe er das Gespräch beendete. Jetzt musste ich nur noch einen Partyservice beauftragen und dann war alles geritzt.....und vielleicht sollte ich gleich noch ein paar schöne Bikinis shoppen gehen....

Wieso war mir damals eigentlich nicht klar gewesen, dass ich nicht nur Paula enttäuschte, weil ich sie mit der Feier einfach hängen ließ, sondern dass auch kleine Mädchen nicht so oberflächlich waren wie ich zu dieser Zeit. Julia hatte sich zwar über das Pony und den Clown gefreut. Trotzdem hatte es die Enttäuschung, dass ich nicht da war, nicht aufgewogen. Ja, für Maja und Tessa würde auch ein kleines Geschenk reichen. Denn heute wusste ich, dass die Anwesenheit bei so einer Feier eigentlich das wirkliche Geschenk war. Zeit miteinander zu verbringen war so viel mehr wert als es jedes materielle Geschenk sein konnte.

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt